Aigners Google-Kritik:Das Imperium schimpft zurück

Im SZ-Interview warnte die Verbraucherschutzministerin vor der Macht der Branchenriesen, nun bezeichnet der Bitkom-Chef Politiker als "Spielverderber".

Ausgerechnet zur weltgrößten Computermesse Cebit geraten IT-Branche und deutsche Politik kräftig aneinander. Seit Wochen ereifert sich Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) über die "Datensammelwut" des Internet-Riesen Google. Nun schießt die Industrie mit ungewohnter Schärfe zurück. Der Präsident des Branchenverbandes Bitkom, August-Wilhelm Scheer, schimpfte zum Cebit- Auftakt am Montag über "Spielverderber, die auf der Tribüne sitzen" und "Politiker, die Ängste schüren".

Scheers Vorwurf: Die Bundesregierung habe keine klare IT- Strategie. In verschiedenen Ministerien würden einzelne Aspekte herausgegriffen, "ein Minister sagt eins, ein anderer was anderes" - es fehle aber eine ganzheitliche, zu Ende gedachte Betrachtung.

Die Lösung schlug Scheer schon am Wochenende in einem Spiegel- Interview vor. "Wir brauchen einen Internetstaatsminister, ähnlich wie der Kulturstaatsminister im Kanzleramt", forderte er. Schon das Hin und Her beim Internetsperrgesetz gegen Kinderpornografie offenbare, dass es einer Koordinierung bedürfe.

Die Street-View-Frage

Die Kritik der Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) am Google-Dienst Street View, die diese in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung noch einmal bekräftigt hatte, wies der Bitkom-Präsident zurück. In den USA gebe es keine Probleme mit dem Dienst, erklärte Scheer, sein eigenes Haus sei dort zu sehen "und ich freue mich darüber".

Selbst Datenschützer sehen die vermeintliche "Datenkrake"- Google nicht unbedingt im Unrecht. Gegen die Abbildung von Gebäuden, Grundstücken und Kfz sowie von anderen Gegenständen im Rahmen des Straßenpanoramas bestehen datenschutzrechtlich keine durchgreifenden Bedenken", schrieb der Jurist Prof. Johannes Caspar in einem Gutachten für den Schleswig-Holsteinischen Landtag, bevor er Datenschutzbeauftragter in Hamburg wurde.

In seinem neuen Job hatte der Rechtsexperte, dessen Behörde für Google zuständig ist, einen 13-Punkte-Katalog mit Forderungen zur Umsetzung von Street View aufgestellt. Bislang zeigen sich die Datenschützer aus dem Norden zufrieden. Geplant sei, dass alle Punkte bis zur Veröffentlichung erfüllt sind.

Erinnerung an Vorratsdatenspeicherung

Kritik von Datenschützern muss sich die Bundesregierung hinsichtlich des seit 2008 gültigen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung stellen. Telekommunikationsunternehmen müssen seither alle Verbindungsdaten von Telefongesprächen sechs Monate lang speichern.

Polizei und Staatsanwaltschaft haben im Zuge der Strafverfolgung Zugriff auf die Daten, wenn ein Richterbeschluss vorliegt.

Auch wenn es sich dabei um technische Daten und nicht um die Inhalte der Gespräche handelt: Datenschützer befürchten, dass sich damit ein detailliertes Verhaltens- und Bewegungsprofil erstellen lässt. "Verkehrsdaten tragen ein hohes Überwachungspotenzial in sich", warnen Kriminologie-Experten vom Max-Planck-Institut.

Sie seien besser als andere Daten geeignet, Beziehungen aufzuzeigen und Informationen über den einzelnen herauszufinden. 35 000 Bürger klagten gegen das Gesetz, das Bundesverfassungsgericht will an diesem Dienstag ein Grundsatzurteil fällen.

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