Ärger um gefilterte Tweets bei CDU:Twitter schönt den Parteitag

Twitter-Seite der CDU beim Parteitag in Hannover

Twitter-Seite der CDU zum Parteitag in Hannover: Über die Auswahl schweigt sich der Dienst aus.

(Foto: Screenshot: Twitter)

Als erste Partei setzte die CDU auf ihrem Bundesparteitag eine spezielle Twitter-Seite ein - die SPD zieht an diesem Wochenende nach. Auf den "Event Pages" werden nur Tweets angezeigt, die Twitter für geeignet hält. Die Kriterien sind unklar, Kritiker sprechen von Zensur und "Jubelperserei".

Michael König

Die CDU wollte modern aussehen. Der Bundesparteitag in Hannover am Dienstag und Mittwoch war ein Großereignis auf Twitter. Tausende Nutzer diskutierten mit Hilfe des Kurznachrichtendienstes über die Kanzlerin, ihr 98-prozentiges Ergebnis bei der Wahl zur Parteivorsitzenden und die Weigerung der Delegierten, der steuerlichen Gleichstellung homosexueller Paare zuzustimmen. Das Hashtag "#cdupt12", mit dem zum Thema passende Tweets gekennzeichnet waren, schaffte es in die nationale Bestenliste der meist diskutierten Begriffe.

Die CDU hatte das Hashtag zu Beginn des Parteitags aggressiv beworben und lotste Internetnutzer, die sich einen Überblick über das Gezwitscher verschaffen wollten, auf eine spezielle Seite. Die ist zwar mittlerweile nur noch über Umwege zu erreichen, macht der CDU und Twitter aber immer noch Ärger. Twitter nennt das Angebot "Event Page". Kritiker sprechen von "Jubelperserei" und werfen der Partei und der Firma vor, Zensur betrieben zu haben.

Der Grund liegt in einer Eigenart der Seite, die für viele Normalnutzer nur schwer zu erkennen ist: Angezeigt wurden nicht die meistempfohlenen Tweets zum Thema, wie es bei Hashtag-Seiten üblich ist, sondern eine bestimmte Auswahl. Kritische Beiträge wurden zum Teil herausgefiltert. Erst ein Klick auf einen Link mit der Aufschrift "View all Tweets", alle Tweets anzeigen, gab den Blick auf alle Beiträge frei. Die Seite ist über Twitter nicht mehr aufzufinden, aber im Google Cache archiviert.

Twitter-Seite der CDU auf dem Bundesparteitag

Erst der Button "View all Tweets" (rechts oben) führt zu allen Beiträgen.

(Foto: Screenshot: Twitter)

Auch die SPD zieht nach

Auch die SPD will bei ihrem Bundesparteitag am Wochenende auf eine solche Übersicht setzen und hat sich das Hashtag "#spdbpt12" reseserviert. Die speziellen Seiten werden Firmen angeboten, um das Gezwitscher zu einem Hashtag ihrer Wahl in einem Umfeld zu präsentieren, das ihnen genehm ist.

Was genau auf die Seite kommt, bestimmt allerdings ausschließlich Twitter. "Algorithmen und Kuratierung" seien für die Auswahl verantwortlich, schreibt das Unternehmen. Über die genauen Kriterien schweigt sich der Dienst aus - und gerät damit in den Verdacht, auf den Event-Seiten ein wohlwollendes Bild der Veranstaltungen zeigen zu wollen.

Während des CDU-Parteitags regte sich deshalb Protest im Netz. "Die lächerlichste Annäherung an Zensur, seit es Twitter gibt", nannte Jens Best die "Vorselektion" von Tweets durch die CDU. Der SPD-nahe Social-Media-Experte war als einer der ersten darauf aufmerksam geworden.

"Erschreckende Unbedarftheit"

Die Partei weist diesen Vorwurf von sich - und gibt die Verantwortung an Twitter weiter. Der Kurznachrichtendienst habe der CDU-Bundesgeschäftsstelle von sich aus das Angebot gemacht, unentgeltlich eine "Event Page" zu schalten. "Die Initiative ging also von Twitter aus." Die CDU habe keinen Einfluss auf die Auswahl der Nachrichten gehabt. "Handlungen konnten ausschließlich von Twitter vorgenommen werden. Unserer Kenntnis nach wurden in dem Nachrichtenstream alle Tweets mit dem Hashtag #cdupt12 ausgespielt."

Das stimmt - ist aber eben nicht die ganze Wahrheit. Weil jedem Nutzer zunächst die vorselektierten Suchergebnisse angezeigt würden, finde "ein lenkender Eingriff durch Twitter und den Event-Veranstalter statt, der vielen Twitternutzern nicht unbedingt bewusst wird", kritisiert Jens Best im Gespräch mit SZ.de. Er unterstelle der CDU keine bewusste Absicht, jedoch eine "erschreckende Unbedarftheit".

Twitter treibt Nutzung von Event-Seiten voran

Bei Twitter dürften finanzielle Gründe eine Rolle spielen. Der Dienst ist für seine weltweit mehr als 600 Millionen Nutzer kostenlos und weitgehend werbefrei. Beliebt macht ihn außerdem, dass die Kurznachrichten bislang ungefiltert erschienen. Anders als bei Facebook gab allein die Chronologie die Reihenfolge vor. So machte Twitter Karriere als Medium der ägyptischen Revolutionäre beim Sturz Mubaraks.

Der gute Ruf droht durch die "Event Pages" Schaden zu nehmen. Twitter äußert sich dazu nicht. Auf mehrere SZ-Anfragen antwortete das Unternehmen nur mit einer dürren Erklärung: "Mit Blick auf die anstehenden Wahlen in 2013 möchten wir als Twitter Deutschland auch deutschen Politikern und Parteien über Twitter die Möglichkeit aufzeigen, sich mit Wählern und interessierten Twitternutzern direkt auszutauschen. (...) Daher sind wir seit einiger Zeit in Gesprächen mit Vertretern verschiedener Parteien."

Das Unternehmen hatte "Event Pages" bereits zu Olympia, zum Oktoberfest und zu den MTV European Music Awards geschaltet. Laut Branchenkennern will das Unternehmen in Amerika etwa 25.000 Dollar pro "Event Page" kassieren. Den Ärger der Nutzer gibt es kostenlos dazu.

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