Web-Adresse nach Hackerangriffen gesperrt:Cyberschlacht um Wikileaks

Weil ein US-Domainverwalter Wikileaks seine Internetadresse entzieht, verlegt die Plattform ihre Adresse in die Schweiz. Doch auch die neue Seite wird von Hackern heftig attackiert.

Johannes Kuhn

Wer seit dem späten Donnerstagabend die Adresse wikileaks.org besucht, erhält eine Fehlermeldung. "Server nicht gefunden" heißt es dort - ein Signal dafür, dass eine Seite nicht existiert.

Wikileaks existiert weiter, allerdings unter einer anderen Adresse. Der amerikanische Domainverwalter EveryDNS hat nach eigenen Angaben die Anfragen an die Adresse mit der Endung .org eingestellt, da diese seit Sonntag massiv von Cyberangriffen betroffen sei.

Bei diesen handelt es sich um sogenannte Denial-of-Service-Attacken. Dabei werden von vielen unterschiedlichen Computern sekündlich mehrere Anfragen an die Server einer Internetpräsenz geschickt, wodurch diese wegen Überlastung abstürzen. Zu den Angriffen hatte sich ein US-Hacker bekannt.

"Diese Attacken bedrohen die Stabilität der EveryDNS.net-Infrastrutkur, die den Zugang zu fast 500.000 anderen Webseiten ermöglicht", heißt es in einer Stellungnahme von EveryDNS. Man habe Wikileaks über Twitter und per E-Mail 24 Stunden zuvor informiert, dass die Weiterleitung eingestellt werde. Die Verantwortlichen der Enthüllungsplattform hatten die Abschaltung via Twitter bestätigt ("WikiLeaks.Org domain killed by US everydns.Net after claimed mass attacks").

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Seite vom Netz genommen ist: EveryDNS übersetzt die IP-Adresse der Server, eine Zahlenfolge, in die Buchstaben der Internetadresse. Wikileaks war deshalb aus dem "Internet-Telefonbuch" verschwunden, aber unter http://46.59.1.2/, http://88.80.13.160 oder http://213.251.145.96/ weiterhin direkt erreichbar.

Wikileaks zieht in die Schweiz

Zudem konnten die Verantwortlichen am Freitagmorgen eine Zwischenlösung verkünden: Ebenfalls per Twitter gab Wikileaks bekannt, "in die Schweiz zu ziehen". Die Seite soll künftig unter www.wikileaks.ch erreichbar sein. Allerdings war auch diese Adresse am Freitagmittag nach kurzer Zeit nicht mehr erreichbar. Auch der direkte Aufruf der IP-Adressen funktionierte nur in Ausnahmefällen.

Dies könnte darauf hindeuten, dass die Hackerattacken nun auch auf die neuen Seiten oder direkt auf die IP-Adressen der Server zielen. Unter dem Wikileaks-Account wurde eine Botschaft von John Perry Barlow, dem Mitgründer der Internet-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation, verbreitet. In diesem heißt es: "Der erste echte Informationskrieg ist ausgebrochen. Das Schlachtfeld ist Wikileaks. Ihr seid die Truppen."

Kopien von Wikileaks im Netz

Barlow verweist auf eine Liste mit gespiegelten Seiten (Mirrors), also Kopien der Internetseite, die weiter zugänglich sind. Hinter vielen dieser Seiten verbarg sich allerdings die Werbung von Domain-Betreibern - ein Hinweis darauf, dass diese ebenfalls abgeschaltet wurden.

Barlow ruft deshalb zu Spenden auf und bittet Internetnutzer, für Wikileaks zu spenden und weiterhin Mirror-Seiten zur Verfügung zu stellen. Unter dem Twitter-Schlagwort #savewikileaks werden diese bereits verbreitet.

Beim Versuch, auf die Seite mit den jüngst veröffentlichten Geheimdepeschen zu kommen, bricht die Verbindung zum Server allerdings wieder ab. Wikileaks dürfte also in Kürze zu einem weiteren Serverumzug gezwungen sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: