Abmahnung wegen Filesharing:Wenn Musik-Piraten mein Wlan nutzen

Verbraucherschützer warnen: Bereits jetzt läuft jeder fünfte illegale Download über einen fremden Internetanschluss. Betroffene kämpfen mit hohen Geldforderungen - und lassen damit die Kassen von Musikindustrie und Abmahnanwälten klingeln.

Andreas Jalsovec

Wenn Katja Asbrand erzählt, was ihr passiert ist, spiegelt sich in ihrem Gesicht noch immer Fassungslosigkeit: "Als all die Abmahnungen in meinem Briefkasten lagen, da wusste ich erst einmal gar nicht, worum es überhaupt geht", sagt die Münchnerin. "Ich habe ja auch nichts getan."

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Wlan-Router (Symbolbild): Jeder fünfte illegale Download läuft über einen fremden Internetanschluss.

(Foto: obs)

Dennoch sollte sie binnen kürzester Zeit insgesamt 3200 Euro an sechs verschiedene Anwaltskanzleien zahlen, die sie gleichzeitig in mehrseitigen Schreiben mit noch höheren Strafen bedrohten. Verzweifelt sei sie gewesen, erzählt die 38-Jährige. "Ich konnte nächtelang nicht schlafen."

Katja Asbrand gehört zu der halben Million Internetnutzern jährlich, denen Abmahnungen von Anwälten der Musikindustrie ins Haus flattern. Ihr Vergehen: Sie sollen illegal Musik aus Tauschbörsen wie BitTorrent, EDonkey oder Gnutella heruntergeladen haben.

Wer sich von solchen Filesharing-Seiten Musiktitel besorgt, verbreitet die Dateien nach dem Download häufig an andere Nutzer weiter. Das ist der Musikindustrie ein Dorn im Auge - und der Justiz. Denn das Herunterladen und Anbieten urheberrechtlich geschützter Inhalte aus dem Netz ist verboten.

Forderungen von bis zu 1200 Euro

Schon länger gehen deshalb Künstler und Plattenfirmen mit Hilfe spezialisierter Anwälte gegen Internet-Nutzer vor, denen sie illegale Downloads vorwerfen. Rund zwei Dutzend Kanzleien versenden derzeit massenweise Abmahnungen mit Forderungen bis zu 1200 Euro.

Von einem "Abmahnwahn" sprechen Verbraucherschützer deshalb. Er trifft häufig überraschte Eltern, deren Nachwuchs in den Tauschbörsen unterwegs war. Immer öfter jedoch gibt es Fälle wie den von Katja Asbrand: Die Downloads fanden dabei zwar wohl über ihren Anschluss statt. "Ich war in der Zeit aber nicht zu Hause", versichert sie. Die Sachbearbeiterin ging da ihrem Nebenjob in einem Fitnessstudio nach.

Es müssten daher fremde Nutzer gewesen sein, die über Asbrands drahtlosen Internetanschluss (Wlan) Musik aus Tauschbörsen heruntergeladen haben, meint Asbrands Anwalt Bernhard Knies. "Und das, obwohl der Wlan-Anschluss mit der neuesten Verschlüsselungstechnologie und einem guten Passwort gesichert war."

Verbraucherzentrale: Unverhältnismäßige Forderungen

Dass Unbefugte über die Wlan-Verbindung ahnungsloser Internetnutzer illegal Dateien aus dem Netz laden, ist keine Seltenheit mehr. "Das kommt häufig vor", bestätigt Anneke Voß, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Jeder fünfte illegale Download laufe über einen fremden Internet-Anschluss, schätzt Anwalt Knies, der in seiner Kanzlei mehr als 3000 Abmahnfälle betreut.

"Es ist mittlerweile bekannt, dass Filesharing verboten ist - und teuer, wenn man erwischt wird", meint der Jurist. Einige Downloader nutzen daher offenbar gezielt fremde Anschlüsse. Sie machen dabei auch vor gut gesicherten Netzwerken nicht halt. Anleitungen, wie man diese knackt, finden sich etwa auf der Videoplattform YouTube im Netz.

Die Betroffenen merken von den Fremdnutzern meist nichts. Kommt dann ein Abmahnschreiben, fallen sie aus allen Wolken - zumal es selten beim ersten Schreiben bleibt. Beim Filesharing werden oft "Containerdateien" mit bis zu 100 Musiktiteln heruntergeladen. Theoretisch drohen den Betroffenen daher bis zu 100 Abmahnungen - und horrende Forderungen. "Da liegen bei vielen die Nerven blank", meint Anwalt Knies.

Die Abmahner jedoch halten selbst in Fällen wie dem von Katja Asbrand strikt an ihren Forderungen fest. Die Anwälte berufen sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Danach ist der Inhaber des Internetanschlusses grundsätzlich haftbar - es sei denn, er weist nach, dass ihn selbst keine Schuld trifft.

Ein Warnsystem als Lösung?

"Der erste Adressat, an den sich Rechteinhaber halten können, ist eben der Anschlussinhaber", sagt Florian Drücke, Geschäftsführer beim Bundesverband der Musikindustrie (BVMI), der fast 300 Labels und Firmen aus der Branche vertritt. Jährlich werde ein Vielfaches dessen, was legal verkauft wird, aus dem Netz heruntergeladen. Am Dienstag stellt der Verband neue Daten zur Zahl illegaler Downloads vor.

Trotz des Schadens, der daraus entstehe, sei es unverhältnismäßig, die oft ahnungslosen Adressaten gleich mit hohen Kosten abzumahnen, heißt es bei den Verbraucherzentralen. "Zunächst würde eine Warnung an die Betroffenen ausreichen - ohne Schadenersatzforderung und Anwaltsrechnung", meint Anneke Voß.

Auch BVMI-Vertreter Drücke hält ein Warnsystem für sinnvoll. Vertreter verschiedener "Content-Branchen" forderten dies seit langem. Das System müsse aber Sanktionen vorsehen, wenn jemand nicht reagiere. Ähnliche Lösungen gebe es in Frankreich und den USA.

Die Abmahnindustrie schlägt zu

Dass Deutschland noch nicht so weit sei, liegt nach Meinung von Kritikern daran, dass Anwälte und Musikindustrie gut an der Abmahnwelle verdienen. Beispiel: Zahlt nur ein Drittel der Betroffenen Internetnutzer im Schnitt 500 Euro, so kommen mehr als 150 Millionen Euro zusammen.

Katja Asbrand will zu dieser Summe nichts beitragen. Sie hat sämtlichen Anwälten mitgeteilt, sie werde nicht bezahlen. "Ich habe mir schließlich nichts zu Schulden kommen lassen."

Service: Das ist die Rechtslage

Es ist das bislang einzige Urteil (Stand: August 2011), das der Bundesgerichtshof (BGH) zum sogenannte Filesharing gefällt hat: Werden über einen drahtlosen Internetanschluss (Wlan) illegal Daten heruntergeladen, haftet der Anschlussinhaber - sofern das Netz nicht oder nur schlecht gesichert ist (Az.: I ZR 121/08).

Die Haftung bezieht sich aber nur auf die Unterlassung künftiger Downloads. Für Verbraucher bedeutet das: Der Inhaber des Anschlusses muss unter Umständen die Kosten für die Abmahnung tragen. Schadenersatz muss er nicht leisten.

Ist der Anschluss ausreichend gesichert, entfällt die Haftung. "Dazu muss die Verschlüsselung aktiviert und der Zugang durch ein gutes Passwort geschützt sein," erläutert Medienrechtsanwalt Bernhard Knies. Tipps, wie man sein Wlan vor Unbefugten schützt, gibt etwa die TU Berlin auf der Internetseite www.verbraucher-sicher-online.de.

Betroffene, die eine Abmahnung wegen illegaler Downloads bekommen, sollten schnell reagieren. Sonst laufen Fristen ab - und das wird teuer, wenn eine einstweilige Verfügung nachfolgt. Verbraucherschützer raten daher dazu, sich zügig Rechtsrat einzuholen und mit dessen Hilfe eine sogenannte modifizierte Unterlassungserklärung abzugeben.

Keinesfalls unterschreiben sollte man die Unterlassungserklärung, die die Abmahner ihren Schreiben stets beifügen. "Damit gibt man ein Schuldeingeständnis ab", warnt Anwalt Knies.

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