Prozess gegen Bradley Manning:"Dem Feind Informationen in den Schoß gelegt"

Bradley Manning in Haft

Verräter oder Idealist? Beim Prozess gegen den Wikileaks-Informanten Bradley Manning haben Verteidigung und Anklage grundsätzlich unterschiedliche Versionen. 

(Foto: AFP)

Er war ein Verräter, der die amerikanische Bevölkerung in Gefahr brachte, sagt der Militärstaatsanwalt. Er war ein Idealist, der die Öffentlichkeit aufklären wollte, sagt der Verteidiger. Der Prozess gegen den Wikileaks-Informanten Manning ist eine Suche nach Motiven - von deren Bewertung hängt die Zukunft des Soldaten ab.

Hunderte Zeugen sollen im Fall Bradley Manning aussagen, zwölf Wochen sind für den Prozess gegen den US-Soldaten in Fort Meade im US-Bundesstaat Maryland angesetzt. Er wird beschuldigt, zwischen November 2009 und Mai 2010 etwa 700.000 militärische Dokumente und diplomatische Depeschen an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergeleitet zu haben. Anschließend wurden diese Dokumente dort veröffentlicht. Dabei handelt es sich vor allem um Informationen über die Einsätze der US-Armee im Irak und in Afghanistan.

Manning hat bereits zugegeben, dass er Dokumente an Wikileaks weitergeben hat. Alleine für dieses Vergehen drohen ihm 20 Jahre Gefängnis. In insgesamt 22 Anklagepunkten findet sich neben Spionage aber ein sehr viel schwerwiegenderer Vorwurf: Manning soll dem Feind Hilfe geleistet haben. Er habe bei der Weitergabe der Dokumente gewusst, dass Terroristen sie für sich nutzen könnten, so die Anklage. Wird Manning dafür verurteilt, droht ihm lebenslange Haft.

"Vertrauen ausgenutzt, um seine Geltungssucht zu befriedigen"

Militärstaatsanwalt Joe Morrow eröffnete die Anklage gegen Manning mit einem Zitat: "Wenn du 14 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und mehr als acht Monate lang uneingeschränkten Zugang zu geheimen Datensätzen hättest - was würdest du tun?", soll Manning dem bekannten US-Hacker und Journalisten Adrian Lamo 2010 geschrieben haben. Lamo machte später das FBI auf Manning aufmerksam.

Es gehe hier aber nicht um ein paar Dokumente, so Morrow. "Es geht darum, dem Feind Hunderttausende als geheim eingestufte Informationen in den Schoß gelegt zu haben. Manning hat das Vertrauen seiner Vorgesetzen ausgenutzt, um seine Geltungssucht zu befriedigen."

Morrow argumentierte, Manning sei sich sehr wohl über die Konsequenzen seines Handelns im Klaren gewesen: "Manning kannte die Folgen seines Handelns und hat sie missachtet." Der Soldat habe gewusst, dass al-Qaida Zugriff auf Wikileaks habe. In dem Haus des Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden seien Hinweise darauf gefunden worden, dass der Terrorist Dokumente bei Wikileaks heruntergeladen habe. Die Anklage will unter anderem einen der Elitesoldaten in den Zeugenstand rufen, die Bin Laden in seinem pakistanischen Versteck getötet haben. Dessen Aussage werde zeigen, dass Bin Laden von Manning gelieferte Informationen über Afghanistan verwertet habe, sagte Morrow.

Hat Assange Manning Anweisungen gegeben?

Die Anklage will Manning zudem nachweisen, dass er eine sehr viel engere Beziehung zu Julian Assange hatte als bisher gedacht. Der Wikileaks-Gründer soll 2009 und 2010 eine starke Verbindung zu Manning aufgebaut haben. Assange habe den US-Soldaten sogar dazu aufgefordert, die geheimen Dokumente zu veröffentlichen. Er habe Manning Tipps gegeben, wie dieser es vermeiden könnte, aufzufliegen und habe ihn in den Veröffentlichkeitsprozess von Wikileaks eingebunden.

Als Hinweis dient der Regierung ein Chatprotokoll zwischen Manning und einer zweiten Person, angeblich Assange. Militärankläger Morrow argumentierte, aus dem Gespräch lasse sich ablesen, dass sich die beiden gut kannten. In Mannings Computer fanden die Ermittler zudem einen E-Mail-Austausch zwischen Manning und Wikileaks. Daraus lässt sich der Anklage zufolge entnehmen, dass der Soldat direkt an der Bearbeitung des Videos beteiligt war, das den Beschuss von Zivilisten 2007 in Bagdad zeigt.

"Herr Manning hat nicht auf Anweisung von Wikileaks gehandelt", sagte hingegen Mannings Anwalt David Coombs. Auch sei Assange für ihn keine wichtige Person gewesen.

Motiviert habe den Soldaten eine ganz andere Instanz, sein Gewissen: "Jung, naiv, aber mit guten Absichten" - so beschrieb Coombs den Anklagten. Als der Soldat für seinen Dienst 2009 im Irak eintraf, habe er an humanistische Werte geglaubt. Manning habe politische und philosophische Literatur gelesen, an seinen Vorgesetzten habe er immer die bestmöglichen Informationen weitergegeben, um Leben zu retten, so der Anwalt.

Als Manning mitbekam, wie Zivilisten ums Leben kamen, habe er grundlegend über das Vorgehen des Militärs nachgedacht. Daraufhin habe Manning Informationen gesammelt, "von denen er dachte, dass die Öffentlichkeit sie sehen müsse. Informationen, die die Welt verbessern würden", sagte Coombs.

Dabei habe Manning nie den USA schaden oder irgendeiner Organisation helfen wollen. Er habe nur darüber nachgedacht, sie der amerikanischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, nicht aber, dass Feinde sie nutzen könnten.

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