Facebook-Börsengang:Schutzloser Datenschatz

Nimmt Facebook nach dem Börsengang mehr Rücksicht auf den Datenschutz? Ja, sagen die einen, weil Aktienbesitzer mehr Macht als Community-Mitglieder haben. Andere sind skeptisch: Das Unternehmen müsse das Geschäft mit seinem wertvollsten Rohstoff bald noch intensivieren.

Varinia Bernau

Noch vor fünf Jahren erschien es vielen undenkbar, unter ihrem echten Namen einen Kommentar in einem Internetforum zu hinterlassen. Auf Facebook ist das für Millionen Menschen inzwischen selbstverständlich.

Und Privatfotos, Vorlieben, Alter und Wohnort - all das liefern sie noch dazu. "Das Absurde daran ist, dass diese Entwicklung nicht aus einem gesellschaftlichen Wandel heraus entstanden ist. Diese Entwicklung hat ein einziger Mensch ins Rollen gebracht: Mark Zuckerberg", sagt Mario Grobholz, der mit seinem Dienst secure.me Leuten dabei hilft, ihren Ruf im Internet zu schützen. Er weiß um die Macht von Facebook. Und er glaubt, dass Zuckerberg, Gründer und Chef des Netzwerks, die stete Kritik von Datenschützern nach einem Börsengang ernster nehmen wird - weil er muss.

"Diejenigen, die heute nur Mitglied bei Facebook sind, werden morgen Aktionäre sein. Und damit können sie auch mehr Druck ausüben", sagt Grobholz. Ein Mitglied kann seinen Unmut über Datenschutzbestimmungen auf den dafür vorgesehenen Seiten des sozialen Netzwerks kundtun. Ein Anteilseigner kann seine Papiere abstoßen - und damit den Kurs beeinflussen.

Dieser Gefahr ist sich Facebook bewusst: Auf den zwanzig Seiten, die das Unternehmen im Börsenprospekt den Risiken widmet, listet es auch die Unwägbarkeit strengerer Datenschutzvorschriften auf. Diese, so heißt es dort, könnten für die Firma ungeahnte Kosten verursachen, die Einführung neuer Produkte verzögern oder für schlechte Presse sorgen.

Ob das die Verhandlungen für den Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar leichter machen wird? Er selbst ist skeptisch. "Facebook muss nun seine Bilanzen offenlegen, aber das heißt nicht, dass es sich nun auch automatisch an deutsches Datenschutzrecht hält."

Caspar ist nicht nur für Facebook zuständig, sondern auch für Google. Ein weiterer Internetkonzern, der immer wieder wegen seines laschen Umgangs mit dem Datenschutz in der Kritik stand. Zum Beispiel im Sommer 2010, als es für den Bilderatlas Streetview Kamerawagen über Deutschlands Straßen schickte. Dem Aktienkurs von Google habe diese Kritik kaum etwas anhaben können, lautet Caspars Bilanz. Für Facebook ist er da nicht viel zuversichtlicher. "Die wirtschaftlichen Erwartungen an Facebook sind enorm. Und damit wächst der Druck auf das Unternehmen, die Gewinne in die Höhe zu treiben."

Facebooks Geschäft basiere nun einmal auf dem Sammeln und Verwerten von Daten. "Sobald die Firma an der Börse ist, wird sie diese digitale Kapitalressource stärker verwerten müssen", sagt Caspar - und verweist auf die vor wenigen Tagen angekündigte Änderung der Datenschutzrichtlinie. Darin heißt es: "Wir speichern Daten solange dies erforderlich ist, um dir und anderen Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Üblicherweise verbleiben die mit deinem Konto im Zusammenhang stehenden Daten bis zur Löschung deines Kontos bei uns. Für bestimmte Datenkategorien können wir dich gegebenenfalls auch über besondere Einbehaltungspraktiken für Daten informieren."

Dabei geben inzwischen selbst Vertreter der Internetbranche zu, dass sie bei den Verbrauchern um Vertrauen werben müssen, wenn sie auch in Zukunft gute Geschäfte machen wollen. Die meisten Anstrengungen in Sachen Datenschutz, so sagt Julie Brill von der US-Aufsichtsbehörde FTC, machen die Unternehmen, wenn einer ihrer direkten Konkurrenten sich ins Zeug legt. Als Google beispielsweise sein eigenes soziales Netzwerk Google+ startete, war es beim Thema Gesichtserkennung viel vorsichtiger als die Macher von Facebook, die damit schon viel Schelte auf sich gezogen hatten.

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