Apple: iPhone:Mobile Glücksritter im Goldrausch

Das iPhone ist ein großer Erfolg für den Computerkonzern Apple. Davon profitieren auch die Entwickler von Software für das Handy.

Thorsten Riedl

München - Holger Frank hatte mal ein ganz normales Berufsleben. Er war angestellt, entwickelte Software für eine Telefongesellschaft. Dann kam das iPhone - und warf alles um. Aus Experimentierfreude schrieb Frank im vergangenen Herbst noch während seines Jobs ein Programm für das erste Handy von Apple.

Apple: iPhone: Das iPhone: Noch immer inspiriert es mit der einfachen Bedienung per Fingerzeig und dem minimalistischen Design die Mobilfunkbranche.

Das iPhone: Noch immer inspiriert es mit der einfachen Bedienung per Fingerzeig und dem minimalistischen Design die Mobilfunkbranche.

(Foto: Foto: AFP)

Über den Apple-eigenen Verkaufskanal App-Store bot er es zum Kauf. Seither steht seine Software "Mobile Butler" in den Charts ganz oben - und Frank schickte seinem Arbeitgeber die Kündigung. "Ich kann von den Einnahmen leben", sagt er und schreibt nun hauptberuflich iPhone-Software, auch für andere. Er ist im mobilen Goldrausch, den Apple ausgelöst hat, ein Goldgräber. "Sagen wir: ein Hersteller von Spitzhacken - denn der Boden ist härter geworden", so Frank.

An diesem Montag treffen sich in San Francisco Programmierer auf der Entwicklerkonferenz von Apple. Erwartet werden Infos zur aktuellen Version des iPhone-Betriebssystems - und Apple-Jünger hoffen auf ein neues iPhone. Weltweit gibt es nun 21 Millionen iPhone-Geräte. Es ist das erste vom Computerhersteller selbst entwickelte Mobiltelefon.

Vor zwei Jahren hat es Apple-Chef Steve Jobs vorgestellt. Noch immer inspiriert es mit der einfachen Bedienung per Fingerzeig und dem minimalistischen Design die Mobilfunkbranche. Dazu müssen 16 Millionen iPod-Touch-Musikspieler gezählt werden, bis auf Telefon- und Navigationsfunktion dem iPhone gleich. Zusammen kommt man also auf 37 Millionen Apple-Geräte, auf denen der App-Store als Zugang zu einer riesigen Softwarewelt dient, auf 37 Millionen mögliche Kunden für die Entwickler.

Von der Wetterprognose, dem Kalorienzähler oder TV-Programm über Rätsel- und Rennspiele hin zur Simulation eines Rasierapparates ist Sinnvolles, Unterhaltsames und Unnützes zu finden.

Die Hälfte kostet nichts, der Rest ist günstig, in der Regel zwischen 0,79 und 7,99 Euro. Die Programmierer erhalten 70 Prozent der Erlöse, der Rest geht an Apple.So wenig Geld - und fast ein Drittel an Apple? Klingt nicht sehr interessant, doch weit gefehlt. Beispiel Tipulator: Sophia Teutschler hat sich wie Frank auf iPhone-Programme spezialisiert und die kleine Anwendung entwickelt.

Mythos vom iPhone-Goldrausch

Die Software berechnet bei Eingabe eines Rechnungsbetrages das Trinkgeld und kostet 1,59 Euro. Apple bewarb Tipulator in den USA und Großbritannien sogar in einem Fernsehspot. "Obwohl die Applikation nur etwa zehn Sekunden gezeigt und namentlich gar nicht genannt wurde, waren die Auswirkungen auf die Verkaufszahlen enorm", sagt Teutschler. Ihre Einnahmen über den App-Store schnellten auf 3000 Euro hoch - täglich.

Der Abschied aus dem Angestelltendasein oder das schnelle Geld in kurzer Zeit: Es sind solche Geschichten, die den Mythos vom iPhone-Goldrausch nähren. Wie bei der Nuggetjagd am Klondike im 19. Jahrhundert kann auch heute jeder mitmachen - obschon Apple sich gut entlohnen lässt. Die Software, um Programme für den App-Store zu erstellen, lässt sich zunächst gratis aus dem Netz laden. "Installieren und loslegen - es ist wirklich so einfach", sagt Frank. Wer seine Ideen verkaufen will, zahlt jährlich 70 Euro an Apple. Dazu kommen noch ein iPhone oder iPod Touch zum Testen und ein Apple-Computer, denn nur auf ihm läuft die Entwicklungssoftware. Alles in allem eine Investition von günstigenfalls 1000 Euro.

Dem Erfolg tut das keinen Abbruch: Seit dem Start des App-Stores im vergangenen Juli sind fast 50.000 Anwendungen entwickelt worden. Die iPhone- und iPod-Besitzer laden im Schnitt 60 Programme pro Sekunde auf ihre Geräte, insgesamt mehr als eine Milliarde. Und an jeder gekauften App verdient Apple mit. Einzeln weist der Konzern die Erlöse nicht aus, aber in dem Bereich, in dem Verkäufe von Musik, iPod-Zubehör und App-Store-Software verbucht sind, stieg der Umsatz um 19 Prozent auf eine Milliarde Dollar, seit es den Marktplatz gibt.

Das lockt Nachahmer an: So ist gerade der Ovi-Store von Nokia gestartet. Besitzer von Google-Handys können ebenso über einen Marktplatz Software kaufen wie Blackberry-Nutzer. Microsoft, Vodafone, Palm, Samsung und Sony-Ericsson arbeiten an Eigenem. Die Konzepte gleichen dem von Apple, bis auf eines: Die Rivalen sind bisher erfolglos. Apple weidet sich daran. Auf der Entwicklerkonferenz werden Plakate hängen mit dem Motto: "Ein Jahr später. Lichtjahre voraus."

Apple schweigt, was in San Francisco genau passiert. Aber aller Voraussicht nach wird das neue Betriebssystem iPhone 3.0 in der finalen Version gezeigt. Teutschler will vor Ort sein. "Die neue Software reduziert die Entwicklungszeit und ermöglicht neue Anwendungen", sagt die Entwicklerin. Für sie und Frank wird es künftig trotzdem schwerer: Während anfangs vor allem Privatpersonen vom Goldrausch profitierten, steigen nun große Softwarehäuser ein.

Von Electronic Arts etwa, weltweit die Nummer zwei in der Computerspielebranche, kommen gerade sechs der 50 meistverkauften Programme im App-Store. "Es wird ruppiger", so Frank. Den Ausstieg aus dem Job bereut er trotzdem nicht. Als Selbständiger habe er nun mehr Zeit für seine kleine Tochter. Und ein Ende der glänzenden Verdienstchancen sei noch nicht abzusehen. "In Nischen gibt es immer noch die Goldgräberstimmung."

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