3-D-Technik im Kino:Mittendrin statt nur dabei

Wenn es nach den großen Produktionsstudios geht, soll bald jeder Cineast mit 3-D-Brille im Kinosesseln lümmeln können. Die Facts zum dreidimensionalen Filmvergnügen.

B. Buntzel

Für Pixar steht gerade viel auf dem Spiel. Nach Erfolgen wie "Findet Nemo" und "Toy Story" wollen die Animationsexperten bei Disney mit ihrem ersten 3-D-Film "Oben" beweisen, dass sie auch im dreidimensionalen Raum Welten und Charaktere animieren können - und so die Zukunft des Kinos retten.

Von Donnerstag an ist "Oben" im Kino zu sehen, im Mittelpunkt stehen der Ballonverkäufer Carl Fredricksen, 78, und der Pfadfinder Russell, der 70 Jahre jünger ist. Als sich Carl entschließt, zu einem letzten großen Abenteuer aufzubrechen und mit Tausenden Ballons sein Haus zum Abheben bringt, steht Russel zufällig auf der Veranda und wird ungewollter Flugbegleiter.

Kampf der High-Tech-Blockbuster

Es sind gar nicht unbedingt die 3-D-Effekte, die den Film tragen, sondern die Keilereien zwischen dem kauzigen Alten und dem hyperaktiven Kind. Das muss so sein, schließlich stehen 120 modernen 3-D-Kopien, die Disney in die deutschen Kinos schickt, noch immer 800 Kopien in 2-D gegenüber. Der Großteil der Zuschauer muss also ohne die raumgreifenden Spezialeffekte unterhalten werden.

Der Gesamterfolg des Films hängt trotzdem von den 3-D-Kopien ab, wie man bei der Konkurrenz von Twentieth Century Fox beobachten konnte. Nachdem "Oben" im Mai die Filmfestspiele in Cannes eröffnet hatte und sich als großer 3-D-Animationsfilm feiern ließ, konterte Fox mit dem dritten Teil der "Ice Age"- Reihe - es wurde der Kinoerfolg des Jahres. Zwar lief auch "Ice Age" auf 90 Prozent der deutschen Leinwände in 2-D, doch sah immerhin ein Viertel der 8,3 Millionen Zuschauer den Film bereits in der Hightech-Version.

Brillengebühr im Kino

Jene Betreiber, die über einen der 120 hochgerüsteten Kinosäle verfügen, können sich glücklich schätzen: Pro 3-D-Kopie verbuchen sie nun doppelt so viele Zuschauer wie bei konventionellen Kopien. Das Verhältnis verschiebe sich, je länger "Ice Age" im Kino läuft, immer stärker zu Gunsten der 3-D-Variante, sagt Thomas Negele, Vorstand von Deutschlands größtem Kinoverband HDF Kino. "Das ist ein eindeutiges Indiz, dass 3-D die Zuschauer länger in die Kinos zieht."

Die Filmtheaterbetriebe Mertz GmbH betreiben im Raum Stuttgart zehn Kinos und zeigen beide "Ice Age"-Versionen. "Anfangs hatten wir Bedenken, wie die Zuschauer auf die Gebühr von zwei Euro pro 3-D-Brille reagieren würden", sagt Gerhard Steinhilber, der stellvertretende Geschäftsführer. Am Ende sahen 80 Prozent der Zuschauer die dreidimensionale Version.

Seit zwei Jahren läuft in Stuttgart das neue Format, "doch bisher", sagt Steinhilber, "fehlte der richtige Kassenschlager, um das breite Publikum dafür zu interessieren." Bei "Ice Age" vermutet er noch einen großen Neugiereffekt; erst kommende Filme würden zeigen, ob sich das neue Format durchsetzen könne.

Lesen Sie auf Seite 2, wieso Kinoleinwände zukünftig versilbert werden könnten.

3D-Filme als Erlebnispark-Attraktion

Der Film "Oben" ist somit nicht nur für Pixar, sondern auch für die Betreiber der 3-D-Kinos ein Prüfstein dafür, ob sich der hohe finanzielle Aufwand lohnt. Etwa 120 000 Euro kostet es, einen Kinosaal 3-D-fähig zu machen; drei Viertel der Investition entfallen auf den digitalen Projektor, aber auch die 3-D-Brillen und die passenden Polarisationsfilter muss ein Kinobetreiber erst einmal anschaffen.

Bereits 1903 präsentierten die Brüder Lumière auf der Weltausstellung in Paris den ersten Film, der mit der Dreidimensionalität spielte. Das Prinzip der Stereoskopie liegt noch heute jedem 3-D-Film zugrunde: Beim Dreh nehmen zwei Kameras, genau um den Augenabstand versetzt, zwei Filme auf. Bei der Projektion werden sie auf der Leinwand zusammengeführt. 3-D-Brillen trennen die Bildinhalte, so dass ein Auge jeweils nur die Bilder eines Films sieht. Den Versatz zwischen den Bildern verwandelt das Gehirn automatisch in eine räumliche Wahrnehmung und lässt so im Kino beispielsweise Autos direkt an unseren Köpfen vorbeisausen.

Ruckelfrei von der Festplatte

Dass sich 3-D-Filme in den vergangenen 100 Jahren nicht über eine Erlebnispark-Attraktion hinaus entwickelt haben, lag vor allem am Ruckeln der Filmrollen in den Projektoren. Die beiden Filme waren zueinander zwar nur minimal verwackelt, dennoch schmälerte dies den 3-D-Effekt deutlich und rief spätestens nach 20 Minuten bei den meisten Zuschauern starke Kopfschmerzen hervor. Neue Digitalprojektoren haben das Problem nicht, sie spielen ruckelfrei von der Festplatte.

Der stetig wachsende Markt ist umkämpft, und so können die Kinobetreiber zwischen zahlreichen Systemen wählen. "Für den Kunden ist kein Unterschied bemerkbar. Der 3-D-Effekt funktioniert mit jedem System sehr gut", urteilt der Geschäftsführer von Cineplex, Kim Koch.

Ab in die Waschmaschine

Cineplex, ein Verbund von 150 Kinos in Deutschland, hat sich für Passivbrillen entschieden. Diese Plastikmodelle ähneln Sonnenbrillen und kosten nur einen Euro. Die Alternative sind Aktivbrillen, sie kosten den Betreiber zwar 50 Euro pro Stück, benötigen dafür aber keine mit Silber beschichtete Leinwand wie für Passivbrillen. Eine reguläre Leinwand reicht. In speziellen Waschmaschinen werden die Brillen, die ähnlich leicht sind wie die Passivbrillen, nach jeder Vorstellung gereinigt.

Bisher waren hierzulande kleine und mittelständische Kinobetreiber Vorreiter in Sachen 3-D. Den Kleinkinos macht der Marktführer RealD die neue Technik schmackhaft, weil er sie kostenlos bereitstellt und dafür über eine Gebühr pro Zuschauer an den Tickets mitverdient. Etablierte Genres sind bereits Horror, Dokumentation und Animation.

Die großen Kinoketten haben den ersten 3-D-Zug verpasst und versuchen jetzt aufzuspringen, da sich mit Steven Spielberg und Wim Wenders nun auch große Regisseure an der dritten Dimension versuchen.

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