Wissenschaftsprogramm:Forscher dürfen sich Uni aussuchen

Student Jonathan Warsh sits outside the Widener Library on t

Einmal Amerika und zurück: Student vor der Widener Library der Harvard University in Cambridge, Massachusetts.

(Foto: Michael Fein/Bloomberg)

"Einmal Ausland und zurück": Bildungsministerium und EU wollen Nachwuchswissenschaftler nach Deutschland zurückholen. Die Forscher dürfen sich die Universität aussuchen - an einem Grundproblem der deutschen Wissenschaft ändert das Programm jedoch nichts.

Von Johann Osel

Die Bundesregierung will mit einem neuen Programm mehr herausragende Nachwuchswissenschaftler gewinnen. Junge Forscher, die nach ihrer Doktorarbeit zumindest für eine gewisse Zeit ins Ausland abwandern, sollen danach in die Heimat zurückkehren. Dafür soll ihnen eine feste Stelle an einer Hochschule in Deutschland zugesagt werden. Und zwar bereits vor einem Auslandsjahr, damit die Forscher erst gar nicht auf den Geschmack der Ferne kommen.

Das Bildungsministerium will das neue Programm, das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) organisiert wird, in dieser Woche vorstellen. Das Konzept dazu liegt der Süddeutschen Zeitung vor. "Es stärkt den Forschungsstandort Deutschland, wenn Wissenschaftler im Ausland Erfahrungen sammeln", sagt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Zugleich sei es aber wichtig, ihnen "eine Perspektive für die Zeit danach in Deutschland zu bieten".

Von 2006 bis 2011 verließen 23 500 Forscher die Republik

Was hier so vornehm formuliert wird, ist im Grunde pure Angst: die Angst vor dem sogenannten Braindrain - also der Abwanderung der klügsten Köpfe. Aus vielen europäischen Ländern zeigen sich Wanderungsbewegungen vor allem in die USA oder auch die Schweiz. Als attraktiv gelten für Forscher dort die oft sehr gute Ausstattung, die flachen Hierarchien und die Tatsache, dass Wissenschaftler viel weniger von Verwaltungsaufgaben behelligt werden als zwischen Konstanz und Kiel.

Vor einem halben Jahr hatte die vom Bund eingesetzte Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) ihr Jahresgutachten präsentiert. Mit einer deutlichen Warnung: Deutschland verliere zu viele Wissenschaftler und Erfinder. "Die Besten wandern ab, kehren aber nur selten nach Deutschland zurück, wenn sie einmal gegangen sind. Sie verbleiben an attraktiven Forschungsdestinationen im Ausland."

Laut dem EFI-Gutachten verließen zwischen 2006 und 2011 fast 23 500 "publizierende Wissenschaftler" die Bundesrepublik, während 19 521 zuwanderten. Auch bei Wissenschaftlern mit Patenten gebe es "ein negatives Saldo". Die Experten empfehlen eine Doppelstrategie: bessere Bedingungen für Forscher an deutschen Hochschulen und eben gezielte Rückkehrerprogramme.

Den ersten Punkt hatte die Politik mit der Exzellenzinitiative, dem milliardenschweren Forschungswettbewerb, einzulösen versucht. Die oft hervorragenden Bedingungen an "Elite"-Unis und eigens geförderten Fächerverbünden haben sich in der Welt herumgesprochen. Dem EFI-Gutachten zufolge kommt an Exzellenzuniversitäten etwas mehr als ein Drittel des wissenschaftlichen Personals aus dem Ausland.

"Einmal Ausland und zurück"

Auch in Rückkehrerprogramme für Professoren haben Bund und Länder investiert. Das neue Programm des Bundes mit dem Namen "Prime" ist aus zwei Gründen besonders: Es wendet sich an Forscher schon nach der Doktorarbeit; und es wirbt um die Rückkehr, bevor diese in die Ferne schweifen.

"Einmal Ausland und zurück" überschreibt daher das Ministerium sein Programm, für das auch EU-Mittel bereitstehen. Vorgesehen sind vier Ausschreibungen in den kommenden fünf Jahren, dafür sind zwölf Millionen Euro veranschlagt. Es soll den teilnehmenden Wissenschaftlern "eine Stelle an einer deutschen Universität ihrer Wahl" bieten, an der sie nach einem einjährigen Forschungsaufenthalt im Ausland ihre Arbeit fortführen.

344 Promovierte haben sich in der ersten Runde beworben

Bezahlt werden die Kosten für das Jahr im Ausland und danach ein halbes Jahr an der deutschen Uni, es soll also eher um den nahtlosen Übergang gehen. Gefördert wird unabhängig von der Nationalität, man wolle alle Forscher unterstützen, "die ihre Zukunft in Deutschland sehen und gleichzeitig ihre akademische Entwicklung mit einem Auslandsaufenthalt voranbringen möchten". 344 Promovierte haben sich laut Ministerium in der ersten Runde beworben, 31 von ihnen wurden von einer Jury ausgewählt. Der Anteil deutscher Bewerber ist "mit 62 Prozent erwartungsgemäß groß".

An einem Grundproblem, das die deutsche Wissenschaft unattraktiv macht, ändert das Programm freilich nichts. Kürzlich haben die Regierungsberater des Wissenschaftsrats die prekären Arbeitsverhältnisse und die fehlende Planbarkeit von Forscherkarrieren gerügt. Akademische Lebensläufe gleichen oft einem Alles-oder-nichts-Spiel. Wer dauerhaft an der Universität arbeiten will, dem bleibt fast nur ein Ziel: Professor werden.

41 Jahre alt sind Forscher im Schnitt bei der ersten Berufung, da haben sie meist viele Zeitverträge hinter sich. Aber wegen der begrenzten Anzahl von Lehrstühlen wird nur ein gutes Drittel der jungen Forscher, die sich habilitieren, am Ende Professor. Zumindest einige Hundert mögliche Professoren von morgen werden in den nächsten Jahren unterschreiben, nach einem Auslandsjahr zurückzukommen. Nach dem halben Jahr an der hiesigen Uni müssen sie sich wieder in die Mühle der akademischen Laufbahn begeben. Und schauen womöglich doch noch einmal gen Ausland.

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