Wissenschaftskommunikation:Kampf dem Fachchinesisch

Ferenc Krausz im Labor für extreme Photonenforschung in München, 2012

Worum es da wohl geht? Physik-Professor Ferenc Krausz im Labor für extreme Photonenforschung in München.

(Foto: Stephan Rumpf)

Zwischen Wissenschaftlern und Laien herrscht oft Sprachverwirrung. Ein Institut will das ändern.

Interview von Viola Schenz

Die beste Forschung bringt nichts, wenn sich die Ergebnisse nicht vermitteln lassen. Deutsche Wissenschaftler tun sich oft schwer damit, Laien ihre Arbeit zu erklären. Seit vier Jahren gibt es das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (Nawik) in Karlsruhe. Die bundesweit einzigartige Einrichtung versucht, Wissenschaftlern und Studenten beizubringen, ein überzeugendes Interview zu geben, einen begeisternden Vortrag zu halten oder verständlich zu schreiben, etwa für einen eigenen Blog. Ein Gespräch über Fremdwörter und falsches Expertentum.

SZ: Frau Lugger, in Deutschland spricht man eigentlich eine einheitliche Sprache. Wozu braucht es Wissenschaftsübersetzer wie Sie?

Beatrice Lugger: Damit Wissenschaft wieder stärker verankert ist in unserer Gesellschaft. In den vergangenen Jahrhunderten war die Wissenschaft mehr und mehr in die Labore gewandert, die Öffentlichkeit hatte keinen Zutritt. Den Zugang zu Prozessen und Fortschritten vermittelten nur Journalisten, die darüber berichteten. Heute haben Wissenschaftler selbst zahlreiche neue Möglichkeiten, mit der Öffentlichkeit zu interagieren. Allerdings sind sie es vor allem gewohnt, über ihre Forschung in der jeweiligen Fachsprache zu sprechen. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, das müssen sie ja, um erfolgreich zu sein. Aber viele verlernen dabei, sich in normalem Deutsch auszudrücken.

Funktionierte das denn früher besser?

Nein, das kann man so nicht sagen. Wir leben ja nicht mehr im 18. Jahrhundert, als Experimente noch öffentlich stattfanden oder Alchemie betrieben wurde. Die Wissenschaften haben sich eben deutlich professionalisiert, haben sich in Sparten und Untersparten aufgegliedert, und damit haben sich auch die Fachsprachen gebildet.

Welche Disziplinen tun sich besonders schwer, ihre Inhalte allgemein verständlich rüberzubringen?

Es ist egal, ob es Naturwissenschaftler sind oder Soziologen oder Politologen, selbst Literaturwissenschaftler haben Probleme. Oft bedeutet ein Wort in der Fachgemeinde etwas anderes als in der Öffentlichkeit. Die meisten bedenken nicht: Wer ist meine Zielgruppe? In welcher Sprache kann ich sie erreichen und abholen? Welche Inhalte interessieren sie?

Was sind die häufigsten Fehler?

Die Klassiker: Fachbegriffe, Fremdwörter, Anglizismen, dazu Schachtelsätze und zu viele Passivkonstruktionen. Alles nicht neu, aber umso wichtiger, sich dessen immer wieder bewusst zu sein.

Viele Wissenschaften sind per se komplex und kompliziert, und zur Forschung gehört eben der Austausch mit Kollegen. Ohne Fachsprache kann es da zu Missverständnissen kommen.

Genau. Wir wollen auch keineswegs erreichen, dass Wissenschaftler untereinander ihre Fachsprachen nicht mehr verwenden. Es ist elementar, dass man dort für bestimmte Sachverhalte bestimmte Begriffe verwendet. Aber schon interdisziplinär tauchen Probleme auf, wenn etwa ein Biologe eine Physikerin nicht mehr versteht. Dann ist es ratsam, sich zielgruppenorientiert der Sprache anzupassen.

US-Forscher sind den deutschen Kollegen deutlich voraus

Amerikaner oder Briten pflegen da einen unverkrampfteren Ansatz, die können ihre Forschungsarbeit meist verständlich darstellen, oft sogar humorvoll. Sprechen wir von einem deutschen Phänomen?

An großen US-Unis wie dem Institut für Technologie in Massachusetts ist Wissenschaftskommunikation im Studium verankert. In Deutschland gibt es das einfach nicht - von vereinzelten Vorreitern abgesehen. Das ist ein großes Manko. Außerdem ist es in den USA schon lange üblich, dass Forschung auch über Drittmittel finanziert ist. Wenn ich Drittmittel einwerben will, muss ich meine Themen verständlich rüberbringen können.

Ist das auch eine Altersfrage? Je länger in der Forschung, desto stärker in der Fachsprache verhaftet?

Eher im Gegenteil. Gerade junge Akademiker befürchten oft, sich nicht wissenschaftlich genug auszudrücken, und klammern sich an ihre Fachsprache. Je fortgeschrittener jemand in der Wissenschaftskarriere ist, desto größer ist die Bereitschaft, sich locker und verständlich auszudrücken. Das gelingt aber eher den Naturtalenten, das Gros bleibt in der Fachsprache verhaftet. Aber unabhängig vom Alter gibt es diese Angst, nicht mehr als Experte anerkannt zu werden, wenn Inhalte laienverständlich formuliert sind - und das ist wirklich ein deutsches Phänomen. Sobald man sich zu stark in den Medien exponiert, und "zu stark" kann schon ein Twitter-Account sein, heißt es mitunter: Der hat ja Zeit, sich in allen möglichen Kanälen zu äußern, der forscht wohl gar nicht mehr.

Ist das Nawik nicht eine Folge des Internets, der sozialen Medien? Allein auf Youtube boomen Erklärvideos, vom Krawattenbinden bis zur Quantenphysik.

Es ist Folge der vielen neuen Kommunikationswege. Dazu zählen neben den sozialen Medien auch Tage des offenen Labors oder die Kinder-Uni. Deshalb wurde das Nawik gegründet. Weil es eine Chance ist, wenn Wissenschaftler Informationen aus erster Hand geben. In Zeiten, in denen über soziale Medien viel mehr öffentlich diskutiert wird, zum Beispiel über Impfungen, sollten Wissenschaftler in diesen Medien mit ihrer Expertise aufklären. Das gelingt nur mit guter, verständlicher Kommunikation.

Was fehlt vor allem in Deutschland, damit Wissenschaft verständlicher wird?

Traumziel wäre, wenn Wissenschaftskommunikation in Deutschland ein selbstverständlicher Bestandteil des Studiums ist. Und nicht erst, wenn Forscher Jahre später etwas veröffentlicht haben, und auf einmal kommt die Pressemeute, und sie wissen nicht, wie sie es erklären sollen.

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