Wissenschaftsförderung:Nah dran statt ganz oben

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Die TU Stuttgart, eine der 48 Gewinnerinnen der Förderinitiative "Innovative Hochschule". (Foto: Hammerich/HFT Stuttgart)

Das Programm "Innovative Hochschule" fördert kleine Unis und Fachhochschulen - und grenzt sich gezielt von der Exzellenzinitiative ab.

Von Christine Prussky

Wenn Juryentscheidungen in Hochschulwettbewerben live im Internet übertragen werden, heißt das: Achtung, wichtig! Bei der Exzellenzinitiative etwa gibt es den Videostream, die Unis laden zum Public Viewing und schon wird aus dem Votum ein Erlebnis für die ganze Hochschule. Einen Livestream zur Förderinitiative "Innovative Hochschule" sollte es nun auch bei den Fachhochschulen geben. Doch er fiel aus, die Technik streikte. Und so konnten die 48 Sieger und ihre 120 unterlegenen Konkurrenten nicht live erleben, wie Christine Böckelmann von der Jury im Presseraum des Bundesforschungsministeriums den Gewinnern zurief: "Lassen Sie die Champagnerkorken knallen!"

Ein Quantensprung? Oder doch eher ein Trostpflaster?

Etwa 270 Millionen Euro bekommen die Siegerhochschulen in den nächsten fünf Jahren von Bund und Ländern. Noch einmal etwa so viel Geld fließt von 2023 an in einer zweiten Runde. Von den insgesamt 550 Millionen Euro sollen Fachhochschulen und kleine Unis profitieren, die sich in Abgrenzung zu den Exzellenzunis nicht in der Spitzenforschung profilieren, sondern ihre Stärke im regionalen Wissenstransfer sehen. Gemeint ist der Austausch mit Wirtschaft, Kultur, sozialen Einrichtungen und Gesundheitsversorgern vor Ort. So sollen Bürger in den Kommunen und Kreisen von den Hochschulen profitieren - und umgekehrt. Zu lange sei der Transferbegriff unterschätzt gewesen, erklärte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Martina Münch als Vertreterin der Länder bei der Präsentation der Ergebnisse in Berlin. Sie spricht von einem "Quantensprung in der Wissenschaftsförderung".

Kann eine halbe Milliarde, gestreckt auf zehn Jahre, so viel Wucht entwickeln? Die Hochschulen sind skeptisch. "Das Programm muss unkompliziert und zeitnah aufgestockt werden", fordert Karim Khakzar, Sprecher der Fachhochschulen in der Rektorenkonferenz und Präsident der Fachhochschule Fulda, einer der Siegerinen. Monika Gross, Präsidentin der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin, nennt die Innovative Hochschule eine "Winzschwester" der Exzellenzinitiative. Dort füllen Bund und Länder den Fördertopf von 2018 an mit 533 Millionen - im Jahr, auf unbestimmte Zeit.

Die Beuth-Hochschule war im Verbund mit den fünf weiteren Berliner Fachhochschulen in den Wettbewerb gezogen. Ohne Erfolg. Der vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller unterstützte Gemeinschaftsantrag fiel genauso durch wie Bewerber aus München oder auch der Flaggschiff-Antrag der Hansestadt-Hamburg, hinter dem neben der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) noch drei Hamburger Unis stehen.

Bei der ersten Förderrunde sind eher Hochschulen in schwächer strukturierten Regionen zum Zug gekommen. Die insgesamt 118 Einzel- und Verbundanträge seien jedoch ein Signal für "ein Ruckeln in der Hochschullandschaft", wie Jury-Mitglied Böckelmann in Berlin erklärte. Mobilisiert wurden bei Weitem nicht nur Professoren und Wissenschaftler, sondern auch Unternehmer, örtliche Sozialverbände, Bildungsstätten und Vereine der Zivilgesellschaft. Rund 70 Partner versammelte allein die Hochschule Fulda, um ihr Modellprojekt für eine bessere Lebensqualität und Gesundheit in Regionen abseits von Metropolen an den Start zu bringen.

So groß die Freude in kleinen und mittelgroßen Städten wie Fulda, Ulm, Regensburg, Münster oder auch Flensburg, so tief die Enttäuschung in den Metropolen. Doch auch Verlierer wollen an ihren Plänen festhalten. "Wir werden das Projekt für unsere Stadt auch ohne die Wettbewerbsgelder voranbringen", erklärt Gross für den Berliner Verbund und weiß den zuständigen Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach schon hinter sich. Mehr Geld für den Wissenstransfer im Land will auch Brandenburgs Ministerin ausgeben.

Damit legen sie die Haltung an den Tag, auf die Bundesministerin Johanna Wanka setzt: "Ich wünsche mir, dass sich die, die keinen Zuschlag erhielten, zum Weitermachen animiert fühlen." Förderpolitisch bleibt Wanka also ganz auf der Linie, die der Bund in der Hochschulpolitik fährt: Anreize setzen - und abwarten.

Einige fordern nun, einen der Exzellenzinitiative entsprechenden dauerhaften Fluss an Zuschüssen auch für die Fachhochschulen im regionalen Wissenstransfer zu garantieren. Die Hochschulallianz für den Mittelstand plädiert für eine Deutsche Transfergesellschaft, die analog zur Deutschen Forschungsgemeinschaft fungiert, aber eine andere Fördermission hätte. Sie soll Fachhochschulen helfen, wissenschaftliche Erkenntnisse zum "gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen" in Zukunft schneller und leichter umzusetzen.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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