Vorstellung:Einer für alle

Moderator in hitzigen Debatten - das ist die Rolle des neuen Generalsekretärs der Rektorenkonferenz. Jens-Peter Gaul bringt noch ein großes Plus mit: Europa-Erfahrung.

Von Johann Osel

Zuerst drängt sich die Frage an den Rousseau-Spezialisten auf. Über die Staatslehre des Philosophen hat Jens-Peter Gaul seine juristische Dissertation verfasst, also über die Frage, wie das Miteinander mit der Freiheit des Einzelnen in Einklang zu bringen ist. Nächste Woche wird Gaul, 47, neuer Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Im Dachverband von fast 300 Hochschulen - große wie kleine Unis, Fachhochschulen, Akademien - wird nicht nur notorisch um Geld und Prestige gestritten. Sondern die HRK ist auf Sinnsuche: Will man ein Verband sein, mit einer stringenten Politik für alle? Oder doch nur eine Plattform mit ein paar Grundsätzen, auf kleinstem gemeinsamen Nenner? Trotz Rousseau-Expertise - "ohne Innenansicht" traut sich Gaul dieses systemische Urteil nicht zu. Oder sein Zögern fußt auf Diplomatie; das nämlich ist Grundvoraussetzung für den Job.

Die HRK nennt sich "Stimme der Hochschulen", ist aber ein vielstimmiger Chor. Das hat mit der sogenannten Differenzierung zu tun: Es ist der Wunsch der Politik, dass sich die Hochschulen auf ihre Stärken besinnen und "Profile" entwickeln. Heißt im Umkehrschluss und zugespitzt: Nicht alle können alles machen. Manche Uni, deren Forschung einer Fachhochschule ähnelt, soll sich als Lehruniversität Meriten erwerben. Die Regierungsberater des Wissenschaftsrats formulierten das so: "Wir tun uns in Deutschland schwer damit, Unterschiede zwischen den Hochschulen, die es unbestritten gibt, auch zu benennen." Seit zehn Jahren beweist die Exzellenzinitiative - der Milliarden-Wettbewerb mit den "Elite"-Unis - , dass sich Hochschulen unterscheiden. Der Kampf um Status in der Uni-Szene stellt längst die Reibereien zwischen Unis und Fachhochschulen in den Schatten. So rühmt sich unter dem Namen U 15 ein Klub von Standorten als Erste Liga der Forschung, darunter etwa HU und FU Berlin, LMU München, Bonn und Frankfurt. Auch die großen Technik-Unis haben ihren eigenen Verband, daneben gibt es viele kleinere Bünde.

Wissenschaftler erforschen mikrobielle Kommunikation

Pilzkulturen im Labor: Längst spechten Hochschulen nicht nur auf die hiesige Forschungsförderung - sondern auch auf die üppigen EU-Töpfe.

(Foto: Jan-Peter Kasper/dpa)

Wie im Kaninchenzüchterverein zanken sie im Dachverband, sagt ein früherer Rektor

So entsteht der vielstimmige Chor, auch zuweilen mit barschen Stimmen. "Members only" stehe nur "an Lokalen mit entsprechendem Ruf", sagte mal ein Uni-Chef über U 15. Oder ein Ex-Rektor, er beschrieb die HRK als "Kaninchenzüchterverein". Die Kämpfe werden eher heftiger denn milder. Noch im Januar wird ein externes Gutachten zur bisherigen Exzellenzinitiative veröffentlicht - danach wollen Bund und Länder die Elite-Förderung neu ordnen und dafür wieder mehrere Milliarden investieren.

Als Chef der HRK-Verwaltung wird Gaul drei Büros leiten, in Bonn, Berlin und Brüssel; er muss als Lobbyist in politischen Gremien wirken, als Transporteur der (wenn es sie bei einem Thema gibt) gemeinsamen Linie; er soll als Moderator helfen, Strategien zu entwickeln - ohne eigene Agenda. Die Neubesetzung war nötig nach dem Wechsel von Generalsekretär Thomas Kathöfer in die industrielle Forschungsbranche. Gaul habe bei der Bewerbung "wunderbar deutlich gemacht, dass er ein Verwaltungschef für alle ist", sagt ein Beteiligter. Der Neue selbst meint zu den Grabenkämpfen: "Die Forderung nach Differenzierung der Hochschullandschaft ist wichtig und berechtigt, das ist ja auch von allen Beteiligten gewollt." Damit der Prozess gelinge, müsse man aber auch die Gemeinsamkeiten betonen: etwa die gute Finanzierung aller Hochschulen, damit sie ihr Profil nachhaltig entwickeln können. "Meine Aufgabe ist es, die Meinungsbildungsprozesse intern zu organisieren - auch wenn es um Fragen der Differenzierung geht."

Vorstellung: Jens-Peter Gaul, 47, tritt als Generealsekretär der Hochschulrektorenkonferenz an. Der promovierte Jurist war seit 2007 in Brüssel Chef der EU-Kooperationsstelle der Wissenschaftsorganisationen.

Jens-Peter Gaul, 47, tritt als Generealsekretär der Hochschulrektorenkonferenz an. Der promovierte Jurist war seit 2007 in Brüssel Chef der EU-Kooperationsstelle der Wissenschaftsorganisationen.

(Foto: Susanna Heraucourt/oh)

Da ist aber ein weiterer Grund für Gauls Bestellung. Seine Job-Stationen: Früher war er bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Fördermaschinerie, die auch die Exzellenzinitiative organisiert. Und bis zuletzt leitete er die EU-Kooperationsstelle der deutschen Wissenschaftsorganisationen. Diese berät Forscher und Hochschulen bei Anträgen auf Fördergeld aus Brüsseler Töpfen. Dafür gelten eigene Spielregeln, politischere Forschungsziele sind zu formulieren, eine andere Antragsrhetorik ist nötig. Kein Wunder, dass neben öffentlichen Service-Stellen ein privater Markt von Dienstleistern für EU-Anträge floriert. Gaul kennt sich auf dem Brüsseler Parkett aus, hat Kontakte. Dass dies ein Pluspunkt für den neuen Job war, ist ein offenes Geheimnis. Denn die riesigen EU-Töpfe werden wichtiger.

Das Forschungsprogramm bis 2020 schüttet 80 Milliarden Euro aus - Deutschland greift zwar viel ab, rangiert in absoluten Zahlen auf Platz zwei hinter Großbritannien. Vergleicht man aber die Erfolge mit der Einwohnerzahl, der Fülle der Forschungslandschaft oder den deutschen Zuwendungen fürs EU-Budget, ist die Bilanz gar nicht so glänzend. Zudem geht Geld nicht nur an die Hochschulen, auch Institute etwa der Max-Planck-Gesellschaft mischen mit; ebenso Forschungslabore von Konzernen oder innovative Mittelständler, die oft auch ein Adressat von EU-Ausschreibungen sind.

Auffällig ist seit Kurzem, wie sich das HRK-Präsidium über die Landesgrenzen hinaus engagiert, zum Beispiel in der europäische Rektorenkonferenz. Jetzt haben sie sich einen Europa-Fachmann ins Haus geholt - mancher Uni-Chef mag da schon auf neue Taktiken hoffen, um den Brüsseler Geldhahn aufzudrehen. Gaul sieht das ganz praktisch. "Es kann sich heute praktisch keine Universität leisten, sich nicht auch um europäische Forschungsförderung zu bemühen. Es geht um große Summen, die oft mit Prestige verbunden sind", sagt er. Und: "Auch viele Fachhochschulen brechen in der Forschungsförderung Richtung Europa auf, gerade weil viele Programme auf die Zusammenarbeit mit kleinen und mittelständischen Unternehmen ausgerichtet sind." Der Verweis auf Fachhochschulen zeigt schon: Die HRK bekommt einen guten Moderator.

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