Verfassungsrichter gegen die Billig-Professur:Urteil zur Unzeit

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Die Hörsäle sind voll, gleichzeitig müssen die Gehälter der Hochschullehrer steigen: Die Bildungspolitiker haben es derzeit nicht leicht. Denn nach dem Karlsruher Richterspruch, der die geringe Professoren-Besoldung rügt, müssen die Länder investieren. Doch schon jetzt sind ihre Hochschulen unterfinanziert

Johann Osel

Den Finanzministern quer durch die Republik dürfte ein Schauder über den Rücken gelaufen sein, als das Bundesverfassungsgericht sein Urteil verkündete. Karlsruhe kippte für das Land Hessen die seit 2005 gültige W-Besoldung für Professoren, die ein niedriges Grundgehalt und variable Leistungszulagen vorsieht. Das Urteil betrifft nicht nur Hessen, von wo aus ein Professor ob seines geringen Salärs bis nach Karlsruhe klagte. Er war 2005 mit nur 3890 Euro Grundgehalt eingestellt worden.

Nun müssen wohl alle Bundesländer ihre Systeme neu ordnen, sofern sie am Prinzip des Leistungslohns festhalten wollen. Eine Anhebung des Grundgehalts oder ein verlässliches System an Zulagen verlangen die Richter bis Januar 2013. In beiden Fällen steht fest: Es werden erhebliche Kosten auf die Länder zukommen, ihnen wird keine andere Wahl bleiben, als die Personalhaushalte der Hochschulen aufzustocken. Und der Zeitpunkt dafür könnte zu kaum einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen.

Erst vor wenigen Tagen gab die Kultusministerkonferenz (KMK) ihre langfristige Prognose der Studienanfänger bekannt - ein Ende des aktuellen Ansturms auf die Hochschulen ist demnach nicht vor 2019 in Sicht. Mehrere doppelte Abiturjahrgänge stehen noch an, die "Studierneigung" steigt mit jedem Jahrgang, die Chancen für ein Studium ohne Abitur werden ausgebaut.

Mehr Studenten als gedacht

Erst von 2020 an könnte die Zahl der Anfänger wieder unter die Marke von jährlich 450.000 sinken, stellte die KMK in Aussicht. Alleine deswegen würde sich nach dem Karlsruher Urteil eine Streichung von Professorenstellen verbieten, mit der man die Mehrkosten bei der Besoldung theoretisch hätte mindern können. Schon in diesem Semester müssen viele Unis Hochschullehrer aus dem Ruhestand zurückholen und viele weitere Tricks anstellen.

Allerdings: Der Hochschulpakt für zusätzliche Studienplätze, den die Länder mit dem Bund gemeinsam finanzieren, wird wohl bald aufgestockt werden müssen. "Dem vermeintlich kurzzeitigen Studierendenberg folgt keine Talfahrt, sondern ein dauerhaftes Hochplateau", sagt Kai Gehring, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, und fordert einen zügigen Ausbau der Studienplätze. Auch ohne das Gehaltsplus für die vom Urteil betroffenen W-Professoren wird das alles schwierig angesichts klammer Haushalte und der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse.

Während die Länder bei Studienplätzen durchaus auf Hilfe aus Berlin zählen können, werden sie für Professoren keine Finanzspritze von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) einfordern können. Mit der Föderalismusreform 2006 hatten sie sich für die Bildung alleinige Gestaltungskompetenz erstritten. Das Kooperationsverbot erlaubt dem Bund nur die Co-Finanzierung befristeter Projekte wie dem Hochschulpakt.

Sache der Länder

Auch eine mögliche Einschränkung des Verbotes, die zuletzt Schavan selbst ankündigte, dürfe nicht nur heißen, dass der Bund einfach nur "Geld rüber schiebt", hatte die Bundesministerin stets betont. Sie fordert nun die Länder auf, das Karlsruher Urteil umzusetzen und junge Professoren besser zu bezahlen. Ambitionen Bundesgeld dafür weist sie zurück: "Personalausgaben sind einzig und allein Sache der Länder."

Und so verlautete am Mittwoch aus mehreren Ländern, dass die Ministerien bereits rechnen. Die Berliner Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will das Urteil prüfen. Derweil drücken die Uni-Chefs in der Hauptstadt schon aufs Tempo. Dass Berlin von allen Ländern die niedrigsten Sätze beim W-Grundgehalt zahlt, sei ihm "schon immer ein Dorn im Auge gewesen", sagte der Präsident der Humboldt-Uni Jan-Hendrik Olbertz dem Tagesspiegel. Die Sätze für die Betroffenen müssten wohl um bis zu 500 Euro angehoben werden.

Das Leistungsprinzip bekräftigt

In Hessen, wo das Urteil zunächst als einziges direkte Auswirkungen hat, sondiert Ministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) gerade die Lage. Sie gilt als scharfe Verhandlerin in Geldfragen. 2010 hatte sie den Rektoren des Landes Einschnitte in Millionenhöhe abgerungen und im Gegenzug finanzielle Planungssicherheit bis 2015 versprochen. Das Wort "Erpressung" fällt in Kreisen seitdem immer wieder. Woher das Geld für Nachbesserungen kommen könnte, klammerte sie in ihren ersten Stellungnahmen aus.

Der Vorsitzende der hessischen Rektorenkonferenz und Präsident der Goethe-Universität Frankfurt, Werner Müller-Esterl, ist froh, dass Karlsruhe das Leistungsprinzip an sich bekräftigt hat. "Nur so kann eine forschungsstarke Hochschule wie die Goethe-Universität im internationalen Wettbewerb um herausragende Forscher-Persönlichkeiten konkurrenzfähig sein", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Deutlich geworden sei jedoch, dass das Grundgehalt zu niedrig angesetzt ist - "ein Geburtsfehler der Reform".

Eine ministerielle Vorgabe bei den Zulagen, "wie sie offenbar nun die Politik erwägt, halte ich jedoch für keine gute Idee. Wir müssen selbst entscheiden können, wie wir Leistungsanreize einsetzen, nur so bleiben wir wettbewerbsfähig", sagte Müller-Esterl. Nach den Kürzungen müsse nun endlich wieder mehr Geld ins Grundbudget der Hochschulen fließen. "Jetzt ist das Land auch von richterlicher Seite her aufgefordert, über eine auskömmliche Finanzierung nachzudenken."

Allein in Frankfurt zählte man seit 2007 ein Plus von 10.000 Studenten. "Wenn wir nicht ausreichend finanziert werden, wissen wir irgendwann nicht mehr, wie wir die Leute versorgen sollen." Diese Worte passen auf seine Studenten und Professoren gleichermaßen.

© SZ vom 16.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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