Unternehmen bevorzugen Bundeswehr-Unis:Kommilitone Kamerad

Militärische Disziplin statt sorglosem Studentenleben: Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter gerne an Bundeswehr-Universitäten. Die kosten die Firmen zwar Geld - doch sie peitschen Soldaten wie Zivilisten durchs Studium.

Von Hannes Vollmuth

Wenn Lina Schröppel in die Universität geht, hält sie ihre Chipkarte an eine Drehtür aus Stahl. Der Öffner brummt, sie stemmt die Stangen nach innen und zwängt sich durch die Tür. Sie geht vorbei an einem Wachhaus mit Schlagbaum, vorbei an Männern mit rasiertem Nacken und einem Körper, der den Rückstoß einer G36 halten kann, dem Standardgewehr der Bundeswehr. Dann läuft Lina Schröppel zum Gebäude der Wirtschaftsfakultät. Sie studiert bei der Bundeswehr - ohne Soldatin zu sein. Als eine von 94 zivilen Studenten hört sie in München ihre Vorlesungen mit Soldaten.

"Wir haben Platz", sagt Michael Brauns, er ist Sprecher der Bundeswehr-Uni nahe der bayerischen Landeshauptstadt. "Die Truppe schrumpft immer weiter." Aus den zwei Prozent Zivilisten sollen zehn Mal so viele werden.

"Am Anfang war es ungewohnt", sagt Lina Schröppel, 23, eine zierliche Frau mit Stiefeletten und schwarzem Mantel. Die Wirtschaftsstudentin kam vor drei Jahren an die Hochschule. Sie erwartete damals Kommilitonen in Uniform, Soldaten, die stramm stehen und grüßen, sodass jeder gleich zuckt. "Nichts davon ist wahr", sagt sie heute. Nur ihr Studium schnurrt wie ein gut geölter Unimog, rein organisatorisch.

"Da ist Schießen und Laufen"

Vor drei Jahren entschied sich Schröppel für eine duale Ausbildung - also Lehre plus Studium - bei der Allianz Deutschland AG und zog von Oberfranken nach München. Und die Versicherung schickte sie zur Bundeswehr. Kein Bummeln, keine überfüllten Hörsäle. Seitdem besucht sie montags bis freitags Vorlesungen und Seminare. Nur am Mittwochnachmittag hat die externe Studentin frei. "Da ist Schießen und Laufen."

Eine normale Universität zerteilt das Jahr in vier Blöcke: zwei Mal Semester und zwei Mal Ferien, insgesamt ruht der Betrieb für sechs Monate. In den beiden Bundeswehr-Unis in Hamburg und bei München büffeln die Studenten das ganze Jahr. Nur im Sommer pausiert man drei Monate.

"Das Studium verläuft hier schneller", sagt Thomas Hartung, "das schätzen die Unternehmen." Hartung unterrichtet Versicherungswirtschaft an der Bundeswehr-Universität München und betreut als Professor 140 Studenten, 20 davon Zivilisten. Versicherungsunternehmen wie Allianz, Münchner Rück, Generali oder Swiss Life schicken ihre Mitarbeiter an den Standort, Studenten müssen hier Disziplin aufbringen, das Programm ist straff.

Im Audimax hocken Männer mit Kapuzenpullis und Sneakers. Einer schaut auf die Uhr, ein anderer pinselt in seinem Block. Sieht aus wie ein normaler Campus - nur klebt vorne die Bundesdienstflagge an der Wand, und der Bundesadler blickt streng in den Saal.

"Zuerst fühlte ich mich fremd"

"Zuerst fühlte ich mich fremd", sagt Christoph Stark, 23 Jahre alt, ziviler Student der Elektrotechnik. Mittlerweile wohnt er sogar auf dem Campus, in einer Stube, 13 Quadratmeter groß. Nebenan schlafen die Kameraden. Stark studiert im Auftrag von Siemens hier. Nach dem Abitur verweigerte er den Kriegsdienst. Heute weiß er, dass ein "Biwak" ein Feldlager ist und "TSK" Teilstreitkräfte bedeutet. Er meint: "Ich falle gar nicht mehr auf."

Studentin an Bundeswehrhochschule in München, 2009

In Hamburg und in München betreibt die Bundeswehr Universitäten. (Im Bild: Studentin an der Bundeswehrhochschule in München)

(Foto: Catherina Hess)

4000 bis 10.000 Euro kostet ein Jahr an der Bundeswehr-Uni. Meist können das nur Unternehmen bezahlen. Dafür fordern sie ein schnelles Studium und Personal, das jeden Studenten persönlich kennt, sich um die Hochschüler kümmert. Also keine Massenvorlesung an der anonymen Großstadtuniversität - mit allerlei Ablenkungsmöglichkeiten. Nur 18 Studenten kommen hier auf einen Professor.

"Wir wollen eine Ausbildung, die sehr gute Ergebnisse liefert", sagt Mirja Körner von Allianz Deutschland. In den Universitäten der Bundeswehr drängelt niemand vor dem Saal. In München wälzen 3000 Soldaten die Bücher, in Hamburg 2500 - so viele wie an manchen Gymnasien. "Wir können Wünsche äußern", sagt Körner. Das geht.

Selbst Promotionen sind möglich

Die Gegenleistung: die Universität peitscht durchs Studium, Zivilisten wie Soldaten. Außerhalb der Campus-Zäune verschlingt ein Master-Abschluss fünf Jahre. "Wir schaffen das hier in vier", sagt Uni-Sprecher Michael Brauns. Zivile Studenten sind willkommen, seit Jahren schon. Selbst Promotionen sind möglich. "Wir sind eine echte Universität", sagt Brauns.

Eine Berufsakademie, wo Duale Studiengänge in der Regel stattfinden, könne das nicht leisten. Da hört man den Anspruch heraus, dass künftig mehr Firmen die Bundeswehruniversität auswählen, um ihr Personal akademisch zu schulen.

Lina Schröppel und Christoph Stark feierten schon auf den Uni-Partys der Soldaten. Kommilitonen in Uniform sind für sie normal, eine andere Hochschule haben sie nie gesehen. Manchmal flattern Mails in ihren Posteingang, darunter steht: "Mit kameradschaftlichen Grüßen." Die beiden Studenten wählen bei Antworten aber einen anderen Ton. Sie schreiben: "Viele Grüße und bis bald."

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