Universitäten:Grabesstimmung

Kleine Fächer, verzichtbare Fächer? Das scheint ein Trend zu sein im Hochschulsystem, Professoren in Diziplinen wie Archäologen bangen um ihre Lehrstühle. Doch manches andere Mini-Fach erlebt im Gegenzug einen Boom - zum Beispiel "Gender Studies".

Von Johann Osel

Leidenschaft, Fleiß und dazu noch Körpereinsatz - das wird Studenten der Archäologie abverlangt. Da stehen schweißtreibende Praktika an, bei Grabungen auf verlassenen Äckern; da sind Latinum und Graecum Pflicht, da sind ferner oft Fachbücher auf Französisch oder Italienisch zu lesen. Und am Ende winkt womöglich nicht mal ein Job. Stellen in Archäologie und Denkmalpflege sind rar. Aber nicht nur für viele Studenten sind die Aussichten oft wenig rosig, ebenso für ihre Professoren. Archäologen sehen ihre Lehrstühle akut bedroht.

Disziplinen wie Frühgeschichte oder Klassische Archäologie seien auch deshalb in Gefahr, weil große Fächer wie zum Beispiel Medizin immer mehr Platz für sich beanspruchten, sagte der Vorsitzende des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung, Alfried Wieczorek, vergangene Woche in Erfurt bei einer Tagung zweier großer Fachvereinigungen. Inzwischen gebe es weniger als 30 Lehrstühle für archäologische Fächer, in den Neunzigern seien es noch doppelt so viele gewesen.

Wieczorek sieht ein Nord-Süd-Gefälle: Politik und Uni-Chefs in südlichen Bundesländern hätten eher erkannt, wie wichtig auch kleine Fächer seien. Die Bereitschaft zum Streichen sei umso größer, je weiter man auf der Landkarte nach Norden gehe. Baden-Württemberg etwa hat vor Kurzem eine Erhaltungsstrategie und einen (wenn auch nicht sonderlich üppigen) Fonds aufgelegt. Die kleinen Fächer seien "elementar für Grundlagenforschung und für die Vielfalt des Denkens", hieß es in Stuttgart.

Doch große länderübergreifende Projekte fehlen bisher. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) kartiert die Fächer. Altorientalisten, Indologen, Papyrologen oder bestimmte Historiker - das sind demnach klassische Streichkandidaten. Oft trifft es die Geisteswissenschaften. Doch manches kleine Fach aus anderen Bereichen boomt, Bioinformatik etwa oder Gender Studies.

Kürzlich warnte HRK-Präsident Horst Hippler, Geisteswissenschaften und kleine Fächer dürften nicht reinen "Verwertungsinteressen" zum Opfer fallen. Einzelne EU-Länder förderten Forschung in diesen Fächern gar nicht mehr, auch hierzulande gebe es problematische Trends, sagte Hippler. Er lobte in der Rede aber die Lockerung des sogenannten Kooperationsverbots zum Jahreswechsel, wodurch der Bund Unis nun direkt finanzieren darf. Auch kleine Fächer? Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte nach Beschluss der Reform im SZ-Interview zwar gesagt: "Der Bund ist nicht der Ausputzer der Länder." Jedoch wolle sie wohl auch in die Breite investieren. "So können auch kleinere Fächer profitieren, wenn sie vom Verschwinden bedroht sind." Es ist eine Einladung zum Hoffen.

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