Universität Freiburg:Wie die Ex-Elite-Uni um Gelder kämpft

Die Universität Freiburg hat die Förderung für ihr Exzellenzinstitut verloren. Die Spitzenforscher bereiten die Abwicklung vor - und hoffen auf Rettung vom Land.

Roland Preuss

Manche Sinnsprüche verraten erst nach Jahrzehnten ihre Pointe. So ist es mit dem Satz, den die Pathologen ihren Forscherkollegen vom Freiburg Institute for Advanced Studies (Frias) hinterlassen haben. Er prangt an der Wand des einstigen Mediziner-Hörsaales: Media morte in vita sumus - mitten im Tode sind wir vom Leben umgeben, heißt es da in Verkehrung eines alten Lateiner-Spruchs. Das passte gut zu den Leichen, die hier seziert wurden - inmitten neugieriger Studenten.

Heute trifft es auch die Lage des Frias, das durch eine Entscheidung in der Exzellenzinitiative seit kurzem dem Tode geweiht ist, dessen Wissenschaftler aber nach wie vor in den Büros rundherum werkeln, als gelte es noch, Meisterwerke zu vollenden - bis das Ende naht oder zumindest Teile dieses Organismus aus Forscherwesen amputiert werden müssen. Wie es ausgehen wird, steht noch nicht fest.

Jedenfalls betritt die Universität Freiburg derzeit Neuland, zusammen mit Karlsruhe und Göttingen hat sie Mitte Juni erstmals den Titel der Elite-Universität verloren und damit fast elf Millionen Euro Fördergeld im Jahr. In der Exzellenzinitiative verteilten Bund und Länder gut zwei Milliarden Euro an die Universitäten, die größte Beachtung fand der Elite-Titel, der offiziell am "Zukunftskonzept" der Universität hängt.

In Freiburg sah man die Zukunft im Frias - einem Institut, das die Stärken der Uni förderte, indem es Wissenschaftler aus Freiburg und der ganzen Welt forschen ließ; befreit von der Pflicht, Vorlesungen zu halten oder Seminararbeiten zu korrigieren. 80 Wissenschaftler machten sich an die Aufgabe, in vier "Schools" für Geschichte, Lebenswissenschaften (wie Medizin), Sprache & Literatur sowie Soft Matter Research, was in etwa "Forschen an weichen Stoffen" bedeutet. Doch das Konzept überzeugte die Jury des Exzellenzwettbewerbs nicht mehr.

Für Freiburg bedeutet dies: Die Universität muss eines der größten Forschungsinstitute der Welt nun abwickeln - oder doch noch irgendwie retten. Wie macht man das?

Das Frias-Hauptgebäude liegt am Rande der Freiburger Innenstadt, in einem renovierten Zweckbau haben die Forscher ihre Heimat gefunden. Im zweiten Stock sitzt Werner Frick, Literaturprofessor und Sprecher des Frias-Direktoriums zusammen mit seinem Stellvertreter Hermann Grabert aus der Physik. Wer sie nach der Zukunft fragt, muss zunächst über die Vergangenheit sprechen, denn die hat die beiden Forscher noch nicht losgelassen. Den Besuch der Jury hätten sie noch in "fast euphorischer Stimmung" erlebt, sagt Frick, dann kam die Absage vom Wissenschaftsrat, der die Exzellenzentscheidung verantwortet. Es folgten "harte Wochen", wie Frick es nennt, an der Universität wies man sich gegenseitig die Schuld zu für die Niederlage, ohne dass die Gründe genau bekannt waren.

Vielleicht gibt es eine zweite Chance

Die lieferte der Wissenschaftsrat erst kürzlich - und das war auf sonderbare Art hilfreich: Denn grob gesagt lobt die Jury zwar den wissenschaftlichen Ertrag, kritisierte das Frias aber als Verwöhninsel für Forscher, abgekoppelt vom allgemeinen Uni-Betrieb. Studentenvertreter bemängelten, Professoren hätten sich verabschiedet von Lehre und Prüfungen. Spitzenforscher seien nicht an die Uni gebunden worden, hieß es. Die meist aus englischsprachigen Ländern stammenden Experten warfen den Freiburgern sogar vor, weiter eine Habilitation für eine Berufung zur Professur zu verlangen - obwohl dies so im Landesgesetz von Baden-Württemberg steht. Grabert spricht denn auch von sachlichen Fehlern in der Begründung.

Elite-Universität Freiburg bekommt keine Förderung mehr

Die guten Zeiten sind vorbei: Die Universität Freiburg gehört nicht mehr zu Deutschlands Elite.

(Foto: dpa)

Es gibt also das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein - und dies kann sogar helfen. "Trotz ist wohl das richtige Wort", sagt Frick. Und der hatte seinen Widerhall. Der Jenaer Geschichtsprofessor und Frias-Fellow Volkhard Knigge lobte das Institut in der taz als "Muster" für geisteswissenschaftliche Kollegs an Universitäten, die Historiker-Größe Hans-Ulrich Wehler kritisierte in der SZ, das Frias habe in der deutschen und internationalen Wissenschaft "höchste Anerkennung gefunden" - und werde nun fallengelassen. Das Trommeln der Unterstützer könnte helfen, Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat zugesagt, eine weitere Förderung des Frias zu prüfen.

Doch sicher ist nichts. Also wird die Abwicklung vorbereitet. Zwei Jahre fließt noch Übergangsgeld, ein Jahr lang will man damit noch voll forschen. Doch ist die Niederlage schon zu spüren: Frick und seine Kollegen stellen keine neuen Nachwuchsforscher mehr ein, aufwendige Tagungen sind bald nicht mehr drin, ebenso der Austausch mit internationalen Forschern. Frick hatte einen chinesischen Kollegen eingeladen, um Chinas Sicht auf deutsche Lyrik kennenzulernen. "Wir hatten eine sagenhafte und lebendige Diskussionskultur im Frias", sagt Frick.

Die aktuellen Nachwuchswissenschaftler sollen von der Niederlage nicht getroffen werden, sie haben ohnehin Zeitverträge, keiner soll in seiner Doktorarbeit oder Habilitation unterbrochen werden, versichert Frick. Und so geben sich die drei versammelten Nachwuchswissenschaftler im Konferenzraum um die Ecke denn auch sehr gelassen: die Projekte laufen vorerst weiter, nach fünf Jahren wäre man ohnehin weitergezogen, sagen sie. Doch es gibt Ausnahmen. Wer so wie Henning Hufnagel erst später hinzugekommen ist, muss sich nach einer neuen Stelle umsehen. Der 35-Jährige hat im Mai 2011 am Frias mit seiner Habilitation angefangen, im Mai 2014 läuft sein Vertrag aus - zu kurz, um seine Habilitation zur französischen Literatur abzuschließen. "In fünf Jahren wäre es gut machbar gewesen", sagt Hufnagel.

Frick glaubt, dass noch einiges machbar ist in Freiburg. "Wir werden Frias weiterführen mit geringeren Ressourcen", sagt er. Doch der Professor räumt ein: Ohne Hilfe der Landesregierung wird es keine Fortsetzung geben. Mindestens vier Millionen Euro im Jahr sind nötig, um das Institut sinnvoll weiterzuführen. Überlegungen für eine "Frias II" gibt es bereits: Die vier Schools sollen zu zweien fusioniert werden, alle elf Fakultäten der Uni künftig davon profitieren.

Damit greift man nicht nur die Kritik des Wissenschaftsrates auf, das Institut müsse die ganze Uni mitziehen, sondern auch den Unmut der Professoren, die nichts hatten von dem Edel-Institut und das Forscherparadies neidisch beäugten. Sie würden nun etwas abbekommen vom Kuchen. Und 2017 würde die Exzellenzinitiative ohnehin auslaufen, vielleicht gibt es dann eine neue Runde. Sicher ist das nicht. Sicher ist nur: Das Frias würde sich dann wieder bewerben.

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