Uni-Workshops gegen Prokrastination:"Es gibt einfach so wahnsinnig viel Ablenkung"

Die "Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten" findet international am ersten Donnerstag im März statt und soll Studenten helfen, die sich schwer tun, anstehende Aufgaben termingerecht zu erledigen. Auch an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität finden Workshops zum Thema statt - und in einem Schreibcafé unterstützen Schreibberater Studenten mit akuter Aufschieberitis. Bärbel Harju vom Schreibzentrum der LMU über Gründe für Prokrastination und die Idee vom Facebook-Sparschwein.

Interview von Christina Waechter

SZ.de: Frau Harju, warum gibt es die lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten?

Bärbel Harju: Wir haben Anfang des Jahres am Literaturwissenschaftlichen Institut das Schreibzentrum gegründet. Im Studienbüro der LMU haben wir gesehen, dass das Betreuungsangebot durch Tutorien stark ausgeweitet wurde und an einzelnen Instituten solche "writing center" gegründet wurden. Wir wollten diese Angebote mit dem Schreibzentrum bündeln. Mit der heutigen langen Nacht stellen wir unser Angebot allen Studierenden vor und öffnen es allen Fachrichtungen.

Und die Nachfrage ist groß: Wir haben für den heutigen Abend ungefähr mit 50 bis 100 Studierenden gerechnet, aber bis jetzt haben sich schon 300 angemeldet. Jetzt haben wir noch schnell zwei Hörsäle dazu gebucht und hoffen, dass alles reibungslos über die Bühne geht.

Warum ist der Bedarf so groß?

Ich glaube, durch die modularisierten Studiengänge ist der Druck auf die Studierenden größer geworden. Früher konnte man so eine Arbeit auch mal ein Semester verschleppen und dann machen, wenn nicht so viel zu tun ist. Heute kommen immer wieder Studenten zu mir, die erzählen, dass sie drei Arbeiten innerhalb dreier Monate schreiben müssen. Und ihr Modul gilt als nicht bestanden, wenn sie eine Arbeit nicht abgegeben haben.

Was kann man heute Nacht in Ihrem Institut lernen?

Wir bieten zwei Workshops mit dem Motivationscoach Oliver Zigann an, der Wege zeigt, wie man Prokrastination vermeiden kann. Wir hätten gut und gerne zehn Workshops anbieten können, so sehr wurden wir mit Anfragen überrannt. Zusätzlich gibt es auch noch einen Workshop zum Thema "Richtig zitieren und Plagiate vermeiden", der ebenfalls auf großes Interesse stößt.

Und selbst, wenn man keinen Platz im Workshop bekommen hat, kann man von der Veranstaltung profitieren. Wir haben ein Café eingerichtet, wo es Getränke und Snacks gibt. Dort warten Schreibberater, die Fragen von Studierenden beantworten. Das ist gerade in den Semesterferien praktisch, wo man schon mal recht lange auf eine Sprechstunde warten muss. Zudem ist hier natürlich auch die Hemmschwelle niedriger.

Warum fällt es Studenten so schwer, ihre Hausarbeiten fertig zu schreiben?

Ich glaube, Prokrastination kennt jeder. Es gab bei uns am Institut schon die Anregung, ob wir nicht auch eine lange Nacht der aufgeschobenen Korrekturen von Hausarbeiten machen könnten. Es gibt einfach so wahnsinnig viel Ablenkung. Das fokussierte Arbeiten fällt vielen Leuten schwer. Man schaut die ganze Zeit aufs Handy, was gerade auf Facebook los ist. Ein Kollege hat schon vorgeschlagen, dass wir heute Nacht ein Sparschwein aufstellen sollten, in das jeder fünf Euro einzahlen muss, der auf Facebook gegangen ist.

Wer ist besonders von Prokrastination betroffen?

Vor allem Menschen, die ihren individuellen Schreibstil noch nicht gefunden haben. Es gibt ganz unterschiedliche Schreibtypen. Es gibt Menschen, die zuerst ewig recherchieren und alles lesen, was es zu dem Thema gibt. Bei denen ensteht die Arbeit oft im Kopf, sodass sie die nur noch runterschreiben müssen. Andere Typen schreiben von Anfang an mit und exzerpieren viel. Und dann gibt es noch die, die alles auf den allerletzten Drücker erledigen. Aber das ist kein sinnvoller Schreibstil.

Haben Sie praktische Tipps, wie man Anfälle von Aufschieberitis schnell überwindet?

Auf alle Fälle sollten man das Internet für mindestens eine Stunde abschalten und konzentriert arbeiten, egal, ob man noch im Recherchestadium ist oder schon schreibt.

Außerdem hilft es, sich einen kleinen Plan zu machen und große Aufgaben in kleine Portionen zu unterteilen. Denn so ein riesiger Berg, der vor einem liegt, lähmt einfach. Und der dritte Tipp ist: Einfach anfangen zu schreiben, ohne groß darüber nachzudenken, ob das dann auch stehenbleiben muss. Ich glaube, die Angst vor dem weißen Blatt Papier kennt jeder. Wenn man aber erst mal eine Seite geschrieben hat, dann steht da etwas, mit dem man anschließend arbeiten kann.

Und wann sollte man sich lieber professionelle Hilfe holen?

Sobald man das Gefühl hat, dass man selbst nicht mehr weiterkommt und merkt, dass das Problem strukturell ist. Wenn man merkt, dass man bei jeder Seminararbeit Probleme hat, rechtzeitig anzufangen. Dann kann es helfen, sich beraten zu lassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: