Ungewöhnliche Studiengänge:Nischendasein bevorzugt

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Nische bevorzugt: Möchte man einen Beruf jenseits des Mainstreams ergreifen, kann man sich etwa zum Pferdewissenschaftler, Experten für Kreuzfahrten oder für vegane Ernährung oder auch zum Rasenmanager ausbilden lassen. (Foto: imago, Transocean Tours, Sonja Marzoner, Bernd Thissen/dpa)

Rasenexperte, Pferdeforscher oder Kreuzfahrtmanager: Menschen mit sehr klaren Berufsvorstellungen haben einige Möglichkeiten.

Von Benjamin Haerdle

Mehr als 18 000 Studiengänge bieten Deutschlands Hochschulen an. Eine Vielfalt, die nicht jeden begeistert. Der Wissenschaftsrat, eine Expertengremium für Deutschlands Hochschulpolitik, sieht diese Ausdifferenzierung "sehr kritisch". "Die Bachelorprogramme dürfen nicht durch Überspezialisierung den Berufseinstieg und die berufliche Entwicklung erschweren", heißt es in einem Gutachten aus dem Herbst 2015. Erwünscht seien nur "exemplarische Vertiefungen". Positiver urteilt das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Die Fächer hätten sich weiter spezialisiert, neue Berufsfelder mit hohem Praxisanteil seien entstanden, und neue Themen wie erneuerbare Energien oder Gerontologie seien im Kommen. Auch für die erfahrene Karriereberaterin und Buchautorin Svenja Hofert sind auch teils skurril anmutende Studiengänge nicht per se zu meiden. "Interessenten sollten aber darauf achten, dass diese Studiengänge etabliert und nach Möglichkeit schon reakkreditiert sind, und dass aus verschiedenen Durchläufen Erfahrungen vorliegen", sagt sie.

Die SZ stellt einige außergewöhnliche Studiengänge vor:

Rasenmanagement

Einem schnöden Stück Rasen wird zumeist kaum Aufmerksamkeit zuteil. Anders in Osnabrück. Dort hat sich die Hochschule dem Thema der Rasenforschung verschrieben. Die Hochschule hat nicht nur eine Stiftungsprofessur Rasenmanagement eingerichtet und betreibt Forschung dazu, sondern sie hat die Studienvertiefung nachhaltiges Rasenmanagement im Rahmen des Masters Agrar- und Lebensmittelwirtschaft im Angebot. Die geänderten Nutzungsanforderungen an Rasen führten künftig zu großen Herausforderungen, heißt es auf der Internetseite der Hochschule. Wer als Greenkeeper einen Rasen etwa in Grünanlagen, Fußballstadien oder Parks richtig pflegen wolle, müsse sich mit der richtigen Wasser- und Nährstoffversorgung, pflanzenmedizinischen Fragestellungen oder leistungsfähigen Grassorten gut auskennen.

Vegane Ernährung

Sich vegan zu ernähren, ist derzeit ein vor allem in Großstädten gerne gepflegter Lebensstil. Pionier ist die Fachhochschule des Mittelstands (FHM), die den Bachelor-Studiengang "Vegan food management" in Vollzeit für drei Jahre sowie berufsbegleitend in vier Jahren an verschiedenen Standorten anbietet. Die private Hochschule will in dem gebührenpflichtigen Studiengang betriebswirtschaftliches Wissen mit einer ernährungswissenschaftlichen Ausbildung kombinieren. Absolventen sollen sich auskennen mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Handel von veganen Produkten. "Ich würde das nicht generell verteufeln, es kommt aber auch auf den Lebenslauf und die bisherigen Erfahrungen an", sagt Karriereberaterin Hofert. Vegan Food Management könnte beispielsweise etwas sein für jemanden, der aus der Gastronomie komme.

Bürgerbeteiligung

Ob beim Bau von Autobahnen, Fußballstadien, Umgehungsstraßen oder Windkraftanlagen - der mündige Bürger fordert immer öfter in Form von Bürgerentscheiden und Bürgerbegehren Mitsprache ein. Diesem Wunsch gerecht zu werden, ist nicht immer so einfach, wie man in Stuttgart im Hinblick auf den Bau des Bahnhofs Stuttgart 21 sehen musste. Vielleicht haben diese Erfahrungen die Universität Stuttgart dazu bewogen, den berufsbegleitenden Masterstudiengang "Planung und Partizipation" anzubieten. Er will Planer, Architekten, Juristen, Verwaltungswirte, Geografen und Sozialwissenschaftler in vier Jahren zum Projektmanager, Berater, und Moderator in Verfahren der Bürgerbeteiligung ausbilden. Der Bedarf an Fachleuten steige, die Dialogverfahren initiieren und den Austausch mit Bürgern moderieren können, teilt die Uni mit.

Traumschiff-Manager

Unterwegs über die Meere der Welt und mit Zwischenstopp an den aufregendsten Plätzen rund um den Globus - von solchen Kreuzfahrten auf der Queen Mary 2 oder der Oasis of the Seas träumen viele. Das Bachelorstudium Kreuzfahrttourismus der Hochschule Bremerhaven bringt Interessierte näher ran an mögliche Traumregionen der Welt. Der überwiegend in englischer Sprache angebotene Bachelor ist auf vier Jahre ausgerichtet, beinhaltet aber ein Jahr, das man in einem Unternehmen, an einer Hochschule im Ausland oder an Bord eines Kreuzfahrtschiffes verbringen kann. Nach dem Studium sind die Absolventen fit für Managementposten im Tourismus und in der Kreuzfahrtbranche, etwa in Reedereien oder Reisebüros. Ungefähr 50 Prozent der Abgänger, schätzt Studiengangleiter Kai Havekost, würden noch einen Masterstudiengang dranhängen.

Sexualwissenschaft

Sex als Wissenschaft? Ja, warum denn nicht. Angewandte Sexualwissenschaft heißt der bundesweit einmalige Master-Studiengang, den die Hochschule Merseburg bereits seit 2009 anbietet. Einschreiben kann sich, wer einen berufsqualifizierenden Hochschulabschluss in sozialer Arbeit und Sozialpädagogik oder einen Abschluss eines humanwissenschaftlichen Studiums mit gleichen Schwerpunkten nachweisen kann. Das Interesse ist groß - circa 150 Menschen bewerben sich für 24 Studienplätze, so der Durchschnitt der vergangenen Jahre. Im Studium lernen die Studierenden etwa, Sexualität ganzheitlich und im politischen Kontext zu begreifen und sie beschäftigen sich mit den Themen Kinderwunsch und Lebensplanung als Familie. Absolventen finden Jobs in Beratungsstellen, bei Aids-Hilfen oder in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern wie etwa der Heim- und Behindertenpädagogik. Viele Teilnehmer absolvieren den Studiengang berufsbegleitend.

Pferde -Experten

Niedersachsen gilt als Pferdeland. Kein Wunder, dass die Universität Göttingen bereits seit zehn Jahren den Master-Studiengang in Pferdewissenschaften vorweisen kann. Studierende lernen in vier Semestern alles rund um die Ernährung und Fütterung von Pferden, Leistungs- und Trainingsphysiologie, Pferdezucht und -genetik, Hygiene, Erkrankungen und Haltung des Pferdes sowie Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung. Das kann zu interessanten Jobs führen: Die Masterabsolventen arbeiten zum Beispiel im Marketing großer Reitschulen, organisieren Reitturniere, sind bei Futtermittelherstellern beschäftigt oder züchten Pferde. Wer nicht erst bis zum Master warten will, kann sich an die Freie Universität (FU) Berlin wenden. Die FU bietet Pferdefreunden den Studiengang bereits im Bachelor an.

Freizeitwissenschaften

Der Bachelorstudiengang Angewandte Freizeitwissenschaften klingt wie sieben Semester Urlaub, doch der Eindruck täuscht. Wer sich an der Hochschule Bremen für den Bachelor einträgt, wird zwar aller Voraussicht nach im Tourismus landen. Davor muss er sich aber zwei Semester lang mit Grundlagen in den Sozial-, Wirtschafts-, Natur- und Rechtswissenschaften abmühen, ehe er in den folgenden Semestern in die Freizeit- und Tourismuswissenschaften eintauchen kann. Ein Hauch von Freizeit weht in Semester fünf und sechs durch das Curriculum, wenn ein Aufenthalt an einer ausländischen Hochschule und ein Praktikum angesagt sind. Danach winkt dann unter Umständen ein Job in einem Fremdenverkehrsamt, einer Touristikagentur oder einem Freizeitpark. Und die Absolventen dürfen sich hinterher Freizeitwissenschaftler nennen.

Kosmetik forscher

Das ideale Studienfach für schminkfreudige Frauen? Nein, das trifft auf Kosmetikwissenschaften nicht zu. In dem viersemestrigen Masterstudiengang Kosmetikwissenschaft an der Universität Hamburg lernt man, sich wissenschaftlich mit kosmetischen Mitteln auseinanderzusetzen und nachzuweisen, wie wirksam Kosmetika sind. Mitbringen müssen Master-Kandidaten dafür Vorkenntnisse der Bachelor-Studiengänge Kosmetikwissenschaft oder der Chemie. "Die Berufsaussichten der Absolventen sind hervorragend und sehr vielseitig", unterstreicht Martina Kerscher, Studienfachberaterin in Kosmetikwissenschaften. Das Spektrum reiche von Arbeitsplätzen im Forschungs- und Entwicklungsbereich der kosmetischen Industrie über private Auftragsforschungsinstitute bis hin zu einer wissenschaftlichen Tätigkeit an einer Universität.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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