Unbearbeitete Bafög-Anträge:Studenten in Not

Voller Hörsaal, leeres Konto: Wegen des doppelten Abiturjahrgangs und anderer Klippen sind Tausende Bafög-Anträge in Bayern noch immer nicht bearbeitet. Bei vielen Studenten wird langsam das Geld knapp.

Peter Seybold

Anfangs glaubte Muriel Bourier noch, alles richtig gemacht zu haben. Pünktlich zum Beginn des Wintersemesters reichte sie im Oktober ihren Bafög-Antrag beim Amt für Ausbildungsförderung ein. Doch bis heute hat die 21-Jährige weder eine Antwort erhalten noch einen Euro auf ihr Konto überwiesen bekommen. "Das ist eine richtig blöde Situation. Ohne mehrere hundert Euro pro Monat von meinen Eltern könnte ich mir das Studium nicht leisten", schimpft Bourier, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München im ersten Semester Zahnmedizin studiert. So wie ihr geht es vielen Studenten in Bayern. Gut 3000 junge Leute warten immer noch auf ihr Geld - was viele in Existenznöte stürzt.

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Viele Studenten warten auf das erste Geld aus dem Bafög-Amt - aber dort stapeln sich die Anträge.

(Foto: dpa/dpaweb)

Bourier ist wieder zu Hause eingezogen, doch trotz der Hilfe ihrer Eltern muss sie viel nebenher arbeiten, um über die Runden zu kommen. "Bisher habe ich nur Nachhilfe gegeben, jetzt bin ich auf der Suche nach einem zweiten Nebenjob, um mir alles leisten zu können", sagt sie. Denn, so rechnet sie vor, allein die Kosten für ihr Studium seien hoch: Zum Beginn ihres ersten Semesters musste sie sich von ihrem Ersparten das zahnmedizinische Instrumentarium wie Zangen und kleine Spiegel kaufen, die, obwohl die Sachen gebraucht waren, etwa 1300 Euro kosteten.

Zudem zahlt sie jeden Monat bis zu 200 Euro für Arbeitsmaterial wie Kunststoffzähne. Hinzu kommen Ausgaben für das U-Bahn-Ticket, die Mensa oder Bücher. "Und wenigstens ab und zu möchte ich mich auch mit Freunden treffen, das ginge ohne viel nebenher arbeiten nicht, obwohl ich schon acht Stunden Uni am Tag habe", klagt die Studentin. Bei ihrem ersten, abgebrochenen Studium bekam sie noch jeden Monat eine Bafög-Überweisung. "Jetzt fehlt das Geld einfach an allen Ecken und Enden."

Die Studentenwerke kommen dieses Semester mit der Bearbeitung der Bafög-Erstanträge nicht hinterher. Rund 15 Prozent der Anträge liegen noch immer unbearbeitet in den Ämtern. Mehr als 3000 Studenten müssen auf ihr Geld warten - was die meisten von ihnen in große Schwierigkeiten bringt. Dass die Anträge sich in den Ämtern stapeln, liege zum einen an den "hohen Studentenzahlen aufgrund des doppelten Abitur-Jahrgangs und dem Wegfall der Wehrpflicht", erklärt Markus Leismann, Leiter des Amtes für Ausbildungsförderung im Studentenwerk Erlangen-Nürnberg. Mehr als 20.000 Anträge seien dieses Semester bayernweit eingereicht worden - etwa 20 Prozent mehr als sonst.

Die Anträge stapeln sich

Auch personelle Engpässe in den Studentenwerken sorgen für Wartezeiten, zudem waren viele Gesetzesänderungen der vergangenen Jahre bei der Bafög-Anrechnung zwar "gut gemeint, verursachen aber mehr Bearbeitungsaufwand", sagt Leismann. Die Sachbearbeiter müssten immer mehr Details berücksichtigen, etwa die Riester-Rente bei den Eltern. Die komplizierter werdenden Lebensverhältnisse mit vielen Patchworkfamilien verzögere die Bearbeitung zusätzlich. Viele Eltern reichten etwa ihre Einkommensnachweise erst spät oder gar nicht ein. Neue Urteile zu den Anrechnungen beim Bafög, etwa wenn die Studenten ein eigenes Auto haben, kämen hinzu.

Wir haben bereits vor einem Jahr unser Personal aufgestockt, doch dann kamen noch mehr Anträge als erwartet", rechtfertigt sich Leismann. Auch in seinem Studentenwerk seien deshalb etwa 15 Prozent der Anträge noch nicht bearbeitet. Um für die kommenden Semester vorzusorgen, plant Leismann jetzt, weitere Stellen auszuschreiben.

Neue Stellen hat auch das Studentenwerk Augsburg geschaffen. Zwei neue Sachbearbeiterinnen wurden eingestellt. "Diese können jedoch erst nach einer längeren intensiven Einarbeitungszeit zu einer spürbaren Entlastung beitragen", sagt Studentenwerkssprecherin Katharina von Saucken-Griebel. Das gleiche gelte für weitere Mitarbeiterinnen, die für ausgeschiedene Kollegen neu eingestellt wurden. Auch im Studentenwerk Augsburg sind noch längst nicht alle 3850 Erstanträge bearbeitet. Die noch unbearbeiteten Anträge sollen in den kommenden Wochen fertig werden.

Dass sie bald ihr Geld bekommt, hofft auch Muriel Bourier. "Ich habe schon versucht, beim Amt anzurufen, aber es war immer belegt", sagt sie. Sie hat keine reichen Eltern. Inzwischen rechnet ihr ihre Mutter vor, dass durch die zusätzlichen Ausgaben für die Tochter schon am Anfang des Monats kein Geld mehr auf dem Konto sei. Bourier macht sich aber noch andere Gedanken: "Eigentlich müsste ich ja schon bald den Antrag für das nächste Semester stellen."

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