Umstrittene G 8-Reform:Niedersachsen plant Rückkehr zu G 9

Tschüss "Turbo-Abi", willkommen zurück G 9: Niedersachsen bekennt sich als erstes Bundesland wieder zum neunjährigen Gymnasium. Und liegt damit im Trend, denn auch anderswo droht G 8 das Aus.

Zu viel Stoff, zu viel Stress, zu wenig Zeit zur fachlichen und persönlichen Entwicklung. Selbst nach diversen Nachbesserungsarbeiten an der wichtigsten schulpolitischen Reform der jüngeren Vergangenheit stellen viele Schüler und Eltern, aber auch Lehrer dem achtjährigen Gymnasium, kurz: G 8, ein schlechtes Zeugnis aus. Jetzt hat die anhaltende Kritik auch politische Konsequenzen: Niedersachsen bekennt sich als erstes Bundesland wieder zum neunjährigen Gymnasium

"Es wird eine Rückkehr zu G 9 geben", bestätigte eine Sprecherin des zuständigen Kultusministeriums Spiegel online. Etwas vorsichtiger hatte sich bereits am Vortag Kultusministerin Frauke Heiligenstadt, SPD, geäußert: Sie deutete nach einer Fraktionssitzung ihrer Partei in Hannover an, dass Gymnasiasten in Niedersachsen künftig wählen können sollen, ob sie das Abitur in acht oder neun Jahren machen wollen.

"Es gibt eine große Bereitschaft zum Systemwechsel: weg von G8 mit Dauerstress hin zu G9", erklärte Heiligenstadt. Entscheidend sei aber die Ausgestaltung, eine Entscheidung darüber sei bislang nicht gefallen. Der Bericht einer Expertenkommission, die verschiedene Szenarien für eine Reform prüft, soll bis Ende März vorliegen. Danach will die Ministerin eine Entscheidung treffen.

Trend zum G 9

Bereits im Herbst könnte die rot-grüne Landesregierung dann laut Spiegel online eine umfangreiche Schulgesetznovelle starten, in der das Abitur abermals reformiert wird. Niedersachsen hatte wie viele vorrangig westdeutsche Bundesländer auch vor etwa zehn Jahren auf das sogenannte "Turbo-Abi" umgestellt; in den ostdeutschen Bundesländern Thüringen und Sachsen ist G 8 bereits seit Jahrzehnten etabliert. Wenn alles glatt geht, könnte die Wahlfreiheit an niedersächsischen Gymnasien bereits zum Schuljahr 2015/2016 in Kraft treten.

Besonders leistungsstarke Schüler sollen demnach weiterhin die Möglichkeit haben, bereits nach acht Jahren Gymnasium das Abitur abzulegen. Heiligenstadt machte in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung deutlich, dass die Reform nicht das Gymnasium alten Zuschnitts wiederbeleben solle. Ein "Zurück zum alten G9 der 1990er Jahre wird es nicht geben", sagte die Ministerin dem Blatt.

Die Rückbesinnung auf G 9 liegt im Trend: Auch in anderen Bundesländern gibt Überlegungen und zum Teil auch schon konkrete Beschlüsse, die umstrittene Reform zumindest teilweise wieder rückgängig zu machen.

In Bayern wirbt ein Volksbegehren für eine Wahlfreiheit. In Hessen etwa können Gymnasien bereits zwischen G 8 und G 9 entscheiden. Gleiches gilt für Baden-Württemberg - wobei sich die Eltern im Ländle, wenn sie die Wahl haben, mehrheitlich für G 9 entscheiden. Dem G 8 könnte so der schleichende Tod drohen, selbst wenn sich die Landespolitiker nicht zur endgültigen Abkehr entschließen.

Der Präsident des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, er sei überzeugt, dass eine Rückkehr Niedersachsens zu G 9 bundesweit "als Katalysator" wirken werde. Der Philologenverband vertritt vor allem die Lehrer an Gymnasien.

Die Länder müssten zur Kenntnis nehmen, dass das Turbo-Abi nach acht Jahren nie in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei, so Meidinger. Er plädierte zugleich für einen "weichen Übergang" bei der Rückkehr zu neun Jahren Schulzeit an Gymnasien. "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit", mahnte der Verbandspräsident. Die Kultusbehörden dürften nicht wie bei der Einführung von G 8 den Fehler machen, durch überstürzte Aktionen für Verunsicherung bei Schülern und Eltern zu sorgen.

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