Türkei:Weihnachten ist an einer deutschen Auslandsschule in Istanbul tabu

Lisesi Schule Istanbul

Weihnachten ist hier nicht erwünscht: Das Gymnasium Istanbul Lisesi, dessen deutsche Lehrer von der Bundesrepublik entsandt werden.

(Foto: Linda Say/dpa)
  • Am Istanbul Lisesi, einer deutschen Schule in der Türkei, darf Weihnachten im Unterricht keine Rolle mehr spielen.
  • Die türkische Schulleitung hat die ihr unterstellte deutsche Abteilung des traditionsreichen Gymnasiums entsprechend angewiesen.
  • Die derzeit 35 deutschen Lehrer des Istanbul Lisesi werden auf Grundlage eines Zusatzvertrag zum Kulturabkommen zwischen Deutschland und der Türkei von der Bundesrepublik entsandt und aus Steuermitteln bezahlt.

An einer deutschen Schule in Istanbul darf Weihnachten im Unterricht keine Rolle mehr spielen. Wie die Deutsche Presse-agentur (dpa) berichtet, wies die türkische Schulleitung die deutsche Abteilung des Istanbul Lisesi dazu in einer E-Mail an. Es gelte, "dass ab sofort nichts mehr über Weihnachtsbräuche und über das christliche Fest im Unterricht mitgeteilt, erarbeitet sowie gesungen wird", zitiert die dpa aus dem Schreiben.

Es ist unklar, ob die Anweisung von der Schulleitung ausgeht oder von einer höheren Behörde. Das türkische Bildungsministerium und die Leitung der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi - die der türkischen Schulleitung untergeordnet ist - äußerten sich auf Anfrage der dpa inhaltlich nicht zu der Anordnung.

Auch die Teilnahme des Schulchors am traditionellen Weihnachtskonzert im deutschen Generalkonsulat am vergangenen Dienstag wurde von der türkischen Leitung kurzfristig unterbunden.

Es ist nicht der erste Zwischenfall mit politischem Hintergrund: Im vergangenen Schuljahr wurde ein türkischer Lehrer zwangsversetzt, nachdem ihn Schüler angeschwärzt hatten - weil er sich ihrer Meinung nach kritisch über den Propheten Mohammed geäußert hatte. Daraufhin hätten Absolventen dem Schulleiter Hikmet Konar - den die AKP-Regierung 2015 eingesetzt hat - bei der Abiturfeier demonstrativ den Rücken zugedreht. "Wir wollten unsere Unzufriedenheit darüber zeigen, dass er unsere Schule in eine Richtung führt, die uns nicht gefällt: zu religiös, zu konservativ und zu nah an der Regierung", zitiert dpa einen der Absolventen.

Bei derselben Feier bat Konar den deutschen Generalkonsul Georg Birgelen, auf seine traditionelle Ansprache an die Abiturienten zu verzichten - kurz davor war es wegen der Armenier-Resolution des Bundestages zur Krise zwischen Ankara und Berlin gekommen. Birgelen verließ die Festveranstaltung am Istanbul Lisesi aus Protest.

Lehrer werden aus deutschen Steuermitteln bezahlt

Die derzeit 35 deutschen Lehrer des Istanbul Lisesi werden von der Bundesrepublik entsandt und aus Steuermitteln bezahlt, was auf eine jährliche finanzielle Förderung in Millionenhöhe hinausläuft. Das traditionsreiche Elite-Gymnasium wird ausschließlich von türkischen Schülern besucht, ist aber eine anerkannte deutsche Auslandsschule. Neben dem türkischen Abschluss können die Schüler dort das Abitur erwerben und damit in der Bundesrepublik studieren.

Die meisten Fächer am Istanbul Lisesi werden auf Deutsch unterrichtet. Grundlage ist ein Zusatzvertrag zum Kulturabkommen zwischen Deutschland und der Türkei, wonach Deutschland bis zu 80 deutsche Lehrer an bestimmte türkische Schulen entsendet. Der Vertrag besagt in Artikel 12: "Die Vertragsparteien werden bemüht sein, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, ihren Völkern die Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes zu vermitteln."

Auswärtiges Amt reagiert mit Unverständnis

Inzwischen hat sich das Auswärtige Amt zu dem Weihnachts-Verbot geäußert. "Wir verstehen die überraschende Entscheidung der Leitung des Istanbul Lisesi nicht", heißt es von dort. "Es ist sehr schade, dass die gute Tradition des vorweihnachtlichen interkulturellen Austausches an einer Schule mit langer deutsch-türkischer Tradition in diesem Jahr ausgesetzt wurde. Wir nehmen das natürlich mit unseren türkischen Gesprächspartnern auf."

Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Omid Nouripour, reagierte auf die Nachricht entrüstet. "Ein Verbot des Themas Weihnachten an Schulen ist nicht hinnehmbar, erst recht, wenn sie von Deutschland mitfinanziert werden", sagte er der dpa in Istanbul. "Die Bundesregierung muss dies Ankara gegenüber eindeutig klarmachen. Wenn die türkische Regierung darauf nicht eingeht, dann muss die Finanzierung für die Schule eingestellt werden." Nouripour kündigte eine Anfrage an die Bundesregierung zu dem Thema an. Ähnlich kritisch wie Nouripour äußerte sich auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung.

Kritiker werfen der AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan vor, traditionell säkular geprägte Schulen wie das Istanbul Lisesi zunehmend auf ihren islamisch-konservativen Kurs zu zwingen.

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