Trend gegen das Sitzenbleiben:Warum Ehrenrunden oft überflüssig sind

Jahr für Jahr müssen mehr als 200.000 Schüler die Klasse wiederholen. Das drückt Schülern und Eltern aufs Gemüt, kostet Zeit, Kraft - und den Steuerzahler viel Geld. Daher geht der Trend in eine andere Richtung.

Johann Osel

Edmund Stoiber, Jürgen Fliege, Harald Schmidt - auch prominente Namen finden sich in der Liste derer, die in ihrer Schulzeit sitzen geblieben sind. Jahr für Jahr müssen mehr als 200.000 Schüler die Klasse wiederholen. Das drückt nicht nur Schülern und Eltern aufs Gemüt, und kostet Zeit und Kraft - sondern auch den Steuerzahler viel Geld.

Abitur in Hessen

Nicht jeder Abiturient hat es ohne Ehrenrunde bis zur Prüfung gebracht.

(Foto: dpa)

Alleine in Bayern, so vermeldete das "Forum Bildungspolitik Bayern" vergangene Woche, fallen durch Klassenwiederholungen jährlich Kosten in Höhe von 272 Millionen Euro an. "Dieses Geld wäre besser angelegt, wenn Kinder und Jugendliche damit gezielt gefördert würden", sagte der Sprecher der Bildungsinitiative und Vorsitzende des bayerischen Lehrerverbands, Klaus Wenzel. Denn jeder fünfte Jugendliche in Deutschland schöpfe sein Bildungspotenzial nicht aus.

Sitzenbleiben ein Kostenfaktor? Mit derlei Berechnungen sorgte der Essener Bildungsökonom Klaus Klemm bereits vor gut zwei Jahren für Aufsehen. Klassenwiederholungen seien "teuer und unwirksam". Dem Staat entstünden Kosten von fast einer Milliarde Euro im Jahr. Für die Bertelsmann-Stiftung hatte Klemm erstmals berechnet, wie Sitzenbleiber die Etats belasten. Die Studie analysiert verschiedene Methoden der Länder, Lehrerstellen zuzuweisen. Mehrausgaben entstehen dann, wenn die Zahl der Lehrer an die Schülerzahl gekoppelt ist. Mehr Sitzenbleiber heißt: mehr Schüler und mehr Lehrer.

Seitdem hat die Debatte eine leichte Wendung genommen - die Kosten wären zu verschmerzen, sagten sich Bildungspolitiker, wenn die Effekte stimmten. Doch Klemm hatte auch darauf hingewiesen, dass die Wiederholungen bei den Sitzenbleibern nicht zur Verbesserung führen. Schüler, die trotz ähnlicher Defizite versetzt werden, entwickelten sich demnach oft besser.

In den Sekundarschulen Berlins (einst Haupt- und Realschulen) gibt es Wiederholungen mittlerweile nicht mehr, in Hamburg nur in Ausnahmen. Etwa in Bremen und Rheinland-Pfalz wurde das Sitzenbleiben auf bestimmte Altersgruppen oder Schularten beschränkt. Ein Trend, aber nicht unumstritten. Ohne den "Warnschuss", so die Angst vieler Lehrer, gebe man ein Sanktionsmittel aus der Hand und müsse wohl vermehrt mit undisziplinierten Schülern rechnen.

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