Studium:Wissenschaftler kämpfen mit Verlagen - und umgekehrt

  • Seit Jahren schon wird an den Universitäten über das Urheberrecht diskutiert.
  • Nun legt das Justizministerium einen Entwurf dazu vor, der für Studierende und Lehrende Klarheit schaffen soll.

Von Christine Prußky

Seit einigen Tagen kann man auf der Seite des Justizministeriums nachlesen, wie Heiko Maas' Entwurf zum Urheberrecht auf die wirkt, die er betrifft. Bibliotheken, Universitäten, Studenten, Verlage, auch der Zentralrat der Muslime äußern sich da, es gibt Wünsche, Lob und Tadel.

Das "Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft" soll einen Wust von Vorschriften vereinfachen, der Hochschullehrer regelmäßig aus der Fassung bringt. Wie viele Aufsätze oder Seiten eines Lehrbuchs darf ich meinen Studierenden digitalisiert zur Verfügung stellen? Die Materie ist derart komplex, dass Dozenten aus Angst vor einem Rechtsbruch oft gar keine Dateien anbieten. "Unternutzung" heißt das dann im Fachjargon. Nur Experten erschauern nicht vor dem Paragrafenwerk, das verwirrend kleinteilig und auslegungsbedürftig ist - und vom digitalen Wandel längst überholt.

Katharina de la Durantaye ist eine solche Expertin, sie hat sich auf Urheberrecht spezialisiert und begrüßt den Referentenentwurf. "Er verschafft uns Wissenschaftlern in vielen Punkten die Klarheit, die wir vermisst haben", konstatiert die Juniorprofessorin an der Berliner Humboldt-Universität. Sie sagt das, obwohl das Ministerium der Wissenschaft eine Generalklausel vorenthält: Wer Bücher, Aufsätze und Bilder für Lehre oder Forschung nutzt, soll auch künftig besondere Regeln befolgen müssen. Doch sie sind einfacher und erlauben mehr. Für elektronische Semesterapparate zum Beispiel dürften Dozenten "bis zu 25 Prozent eines Werks" ohne zeitraubende Prüfung bereitstellen und "sicher sein, dass die Urheber dafür über die VG Wort pauschal vergütet werden", erklärt Eric Steinhauer, Bibliothekar an der Fernuni Hagen. Derzeit sind nur 15 Prozent erlaubt.

Was darf in den Semesterapparat, was nicht? Es ist zum Verzweifeln

Richtig freuen können sich Geisteswissenschaftler, die mit digitalen Textkorpora arbeiten. Diese Sammlungen von Äußerungen und Texten müssen rechtlich abgesichert werden, bevor sie, etwa für linguistische Analysen, genutzt werden dürfen. Ein enormer Aufwand. Käme die Novelle durch, wäre "das Wunder" perfekt, sagt der Sprachwissenschaftler Henning Lobin.

So sehr Bibliotheken und Wissenschaftseinrichtungen sich danach sehnen, so aufgebracht sind Verlage und Buchhändler. Sie sehen in der Reform den Sargnagel für ihre Betriebe. Die Online-Petition "Publikationsfreiheit für eine starke Bildungsrepublik" listet mehr als 4000 Unterzeichner und mehr als 1500 Kommentare auf. Auch publizierende Forscher sind häufig vertreten. Der Grund: Gemeinsam mit dem Urheberrecht steht Open Access am Pranger - Forschungsliteratur, die kostenfrei im Internet zugänglich ist. "Damit legen Verlage den Leim für Wissenschaftler", sagt Lobin: Wer Open Access ablehnt, votiert automatisch auch gegen die Urheberrechtsreform.

Die Juristin de la Durantaye hält den Text der Petition sogar für "unredlich". Da werde etwa behauptet, die Nutzung von Werken in der Bildung solle ausgeweitet werden, ohne dass Autoren und Verlage eine angemessene Vergütung bekämen. Tatsächlich aber bescheinige der Reformvorschlag den Urhebern an mehreren Stellen einen Anspruch auf angemessene Vergütung, auszahlbar durch Verwertungsgesellschaften. Das Problem aus Sicht der Verlage: Nach aktueller Rechtslage sind sie von den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften ausgeschlossen.

Die Fronten sind klar, Wissenschaft gegen Verlage. Welche Seite einflussreicher ist, wenn der Entwurf seinen Weg durch die Gremien nimmt, muss man abwarten. Wie lange? Vermutlich über diese Legislaturperiode hinaus. Die "unhaltbare Situation", die Rektorenpräsident Horst Hippler beklagt, bleibt den Hochschulen noch eine Weile erhalten.

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