Studium:Wenn bei der Auswahl von Professoren betrogen wird

  • In Italien wird eine Gruppe Steuerrechtler verdächtigt, ein System gebildet zu haben, mit dem sie ungeeigneten Kandidaten zu Professorenposten verholfen hat.
  • Erst als ein unterlegener Bewerber klagte und vor Gericht Recht bekam, flog alles auf.
  • Nun sind sieben involvierte Professoren verhaftet und 22 Dozenten von ihrer Lehrtätigkeit suspendiert worden.

Von Oliver Meiler, Rom

Bei manchen Korruptionsskandalen fragt man sich, wie es sein kann, dass sie nicht schon viel früher aufgeflogen sind. So auch beim Skandal um die Clique der Steuerrechtler, die gerade Italien erschüttert. Manche Zeitungen gebrauchen in ihrer Berichterstattung Begriffe, die sie dem Vokabular über die Mafia entlehnen: "Clan" etwa oder "cupola" - so, Kuppel, nennt man die Spitze der sizilianischen Mafia, der Cosa Nostra. Doch die Terminologie führt in die Irre. Diese Geschichte spielt in einer vermeintlich vornehmen Welt, der Welt der Universitäten und Professoren. Einer der involvierten Professoren nannte diese Welt in einem Gespräch, von dem er dachte, es sei vertraulich, eine - Pardon! - "Scheißwelt".

Die Aufnahme ist Teil der Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft von Florenz leitet und die Universitäten im ganzen Land betrifft. Eine Gruppe von 59 Personen, vorwiegend Dozenten in Steuerrecht, wird verdächtigt, über Jahre ein System gebildet zu haben, mit dem sie Kandidaten zu Professorenposten verholfen haben, die den dafür erforderlichen Kriterien unter normalen Umständen nicht genügt hätten. Wichtiger als die fachlichen Meriten war jeweils, wer sie empfohlen hatte, wem mit der Begünstigung ein Gefallen getan werden konnte, welche Hand damit gewaschen wurde. Die Clique sorgte offenbar dafür, dass die Bewerber die üblichen Wettbewerbsprozeduren umgehen konnten. Dafür war nötig, dass die Wege nach oben immer frei und die Plätze auf den Listen zahlreich waren.

Die Welt der Universität sei nun mal "eine Scheißwelt"

Einer, der es ohne Hilfe versucht hat, ist Philip Laroma Jezzi, Forscher an der Universität von Florenz, Fakultät für Rechtswissenschaften. Er wusste nicht, dass Expertise allein nicht reichen würde. Laroma Jezzi präsentierte sich bei seinem Professor, der auch in der Auswahlkommission saß. Und dieser Professor eröffnete dem Forscher, er möge sich doch wieder zurückziehen, es bringe nichts, die Plätze seien schon lange vergeben. Laroma Jezzi mochte zunächst nicht glauben, was er da hörte, stellte dann aber im passenden Moment das Aufnahmeprogramm seines Handys ein und nahm alles auf. Die Protokolle kann man jetzt in den Zeitungen nachlesen.

"Da geht es nicht darum, du bist gut, du bist nicht gut", sagte der Professor. Die einzigen Kriterien, die zählten, seien die Kriterien des "elenden Postenschachers". Die Welt der Universität sei nun mal "eine Scheißwelt". Als Laroma Jezzi auf seinem Recht beharrte und drohte, notfalls in Berufung zu gehen, warnte ihn der Professor, dass seine Karriere bald zu Ende sei. Er könne ihm anbieten, einige Artikel in Fachzeitschriften zu schreiben, damit er sich dann vielleicht ein anderes Mal bewerben könne. Laroma Jezzi bewarb sich trotzdem, fiel durch, ging in Berufung, gewann den Prozess und wurde Assistenzprofessor.

Die Audioaufnahmen aber trug er zur Guardia di Finanza, der italienischen Finanzpolizei. Und die nahm in einer Großoperation im ganzen Land sieben Professoren fest, die in den Fall verwickelt sind. Sie stehen unter Hausarrest. Weitere 22 Dozenten in Steuerrecht sind mit sofortiger Wirkung von ihrer Lehrtätigkeit suspendiert worden.

Das Ministerium für Bildung und Forschung gelobt unterdessen, es werde dieser Geschichte auf den Grund gehen, damit so etwas nie mehr passieren könne. Das muss das Ministerium wohl sagen: Die nationalen Kommissionen, die sich um die Vorauswahl der Professoren kümmern, werden nämlich vom Ministerium bestimmt. Etwas nüchterner sieht es der Corriere della Sera. In einem Artikel erinnert die Mailänder Zeitung an ähnlich gelagerte Skandale, an eine ganze Reihe davon. Sie liegen alle nicht lange zurück.

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