Studium:"Tiger Moms" stürmen US-Unis

  • Knapp 400 000 Studenten und Schüler aus China waren vergangenes Jahr an amerikanischen Schulen und Hochschulen eingeschrieben.
  • Aber sie kommen nicht allein - viele werden von ihren Müttern begleitet.

Von Viola Schenz

Sie sind außerhalb Asiens etwa so beliebt wie Pickel beim Abschlussball: Jene Mütter, die ihre Kinder mit Disziplin, Drill und Verboten zu akademischen Höchstleistungen antreiben. "Tiger Moms" werden sie genannt, seit die chinesisch-amerikanische Juristin Amy Chua 2011 mit ihrem autobiografischen Bestseller "Die Mutter des Erfolgs. Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte" (im Original: "Battle Hymn of the Tiger Mother") dieser Spezies ein Denkmal gesetzt und westlichen Wohlfühlgesellschaften das Fürchten gelehrt hat.

Das deutsche Pendant zur Tiger Mom sind die Helikopter-Eltern. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Kinder überallhin begleiten, dort auch wieder abholen und in Notrufnähe bleiben, um bei geringster Krisenlage - beim Fußball Knie aufgeschürft, von Klavierlehrerin getadelt - als mobile Eingreiftruppe fungieren zu können. Eine Dauerdebatte hierzulande, oft sehr spöttisch geführt.

Was passiert, wenn die Eigenschaften asiatischer Tiger Moms um jene der deutschen Helikopter-Eltern ergänzt werden, lässt sich seit einiger Zeit in den USA beobachten: Immer mehr Studenten aus China besuchen die dortigen Hochschulen. Bei den Hochschulverwaltungen sind sie gerne gesehen, sie gelten als fleißig und folgsam. Vor allem aber zahlen sie als Ausländer sehr viel höhere Studiengebühren und füllen so schon allein aufgrund ihrer großen Zahl die College-Kassen. Knapp 400 000 Studenten und Schüler aus China waren vergangenes Jahr an amerikanischen Schulen und Hochschulen eingeschrieben - die größte Gruppe unter den Ausländern.

Inzwischen kommen aber nicht nur die Studenten - sondern auch deren Mütter. Diese nisten sich in der Nähe ihres Kindes ein, um dessen akademisches Fortkommen zu kontrollieren und den Sprössling zu versorgen, also die Wäsche zu waschen, einzukaufen, zu kochen. Alles Dinge, die auch Helikopter-Eltern leidenschaftlich gerne tun. "Wenn ich nicht hier wäre, würde sich mein Sohn von Fertignudeln und Energydrinks ernähren und tagelang weder Obst noch Gemüse zu sich nehmen", zitiert der Economist eine Mutter, deren Sohn Angewandte Mathematik an der University of Pennsylvania studiert. Dafür hat sie ihren Job als Finanzvorstand einer Firma in Shenzhen aufgegeben.

So viel Fürsorge mag dem Westen fremd sein, doch das Phänomen lässt sich erklären: Chinesische Studenten sind wegen der 1979 eingeführten Ein-Kind-Politik meist Einzelkinder, so konzentriert sich die elterliche Aufmerksamkeit auf diese Prinzen und Prinzessinnen. Und dabei geht es eben nicht nur um Fürsorge, sondern auch um ungebremsten Ehrgeiz; schließlich soll sich der Nachwuchs eines Tages in Chinas Leistungsgesellschaft behaupten.

Und dann auch noch die Großeltern

Meist kommen die Mütter per Touristenvisum; es erlaubt ihnen, sechs Monate in den USA zu bleiben. Manche lassen sich von ihren eigenen Eltern ablösen, in Campus-Nähe wachsen bereits entsprechende Viertel: New Haven mit seiner angesehenen Uni etwa verzeichnet ein "Yale Chinese grandparents village".

Besonders schlaue und zusätzlich reiche Eltern kaufen gleich eine Immobilie; denn mit eigenem Heim hat der Nachwuchs einen noch viel vorteilhafteren Start in Ehe und Beruf. Den jeweiligen Universitäten kann das letztlich alles nur sehr recht sein. Mit den sich einmietenden und einkaufenden chinesischen Senioren steigt nämlich der Gesamtwert des Campus-Umlands.

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