Studium:So packen Sie das Fernstudium

Studium: Studieren in der Ferne - das passiert meist in den eigenen vier Wänden oder im Lieblingscafé in der Nachbarschaft.

Studieren in der Ferne - das passiert meist in den eigenen vier Wänden oder im Lieblingscafé in der Nachbarschaft.

(Foto: Hannah Wei/Unsplash.com)

"Ich wollte nicht bis zur Rente als Techniker arbeiten": Drei Menschen erzählen, wie sie sich neben dem Beruf weitergebildet haben.

Von Christiane Bertelsmann

Neben dem Beruf ein Studium oder eine Weiterbildung durchzuziehen, dafür braucht es schon einen starken Willen. "Gerade weil viele unserer Studierenden beruflich besonders engagiert sind und sich weiterentwickeln wollen, fordert sie die Vereinbarkeit von Studium und Beruf besonders heraus", sagt Gerd Dapprich, Pressereferent der staatlichen Fern-Universität in Hagen.

Viele Studierende sind in der Familiengründungsphase, an der Fern-Universität etwa sind die 29- bis 34-Jährigen die altersmäßig stärkste Gruppe. Vor allem für die zahlreichen gleichzeitig Berufstätigen - an der Hagener Uni 80 Prozent - ist die Vereinbarkeit von Job und Studium ein großes Wagnis. Nicht alle schaffen es deshalb, ihr Fernstudium auch abzuschließen. Allerdings geht es laut Dapprich vielen Studierenden gar nicht in erster Linie um Bachelor- und Master-Abschlüsse, sondern eher darum, sich ein bestimmtes Wissen anzueignen. "Diese Studierenden haben ihr persönliches Studienziel erreicht, gelten rechtlich jedoch als Abbrecher", sagt Dapprich.

"Der Aufwand hat mich überrascht"

Weitergebildet hat sich Debora Braun schon immer. "Aber was mir fehlte, war ein anerkannter zertifizierter Abschluss neben meiner Ausbildung als Groß- und Außenhandelskauffrau", sagt Braun. 15 Jahre lang arbeitete sie in derselben Firma in Neustadt in der Pfalz, zunächst als Groß- und Außenhandelskauffrau, später war sie auch für den Einkauf zuständig. Als sie immer häufiger mit Geschäftspartnern in ganz Europa und in Asien verhandeln musste, schrieb sie sich für einen Fernlehrgang Wirtschaftsenglisch beim ILS Institut für Lernsysteme ein. Das half ihr zwar bei den Verhandlungen, aber sie merkte bald, dass es bei ihrem Arbeitgeber keine berufliche Perspektive geben würde.

Die Buchhaltung übernahm sie bereits im Jahr 2006. "Ich mag Zahlen und Fakten", sagt die 40-Jährige, "das wollte ich unbedingt vertiefen." Also entschied sie sich für einen Fernlehrgang Bilanzbuchhaltung, wieder beim ILS. Dass sie die Kosten selbst übernehmen würde, war ihr von Anfang an klar: "Ich wollte mich nicht binden." Für die 22 Monate dauernde Ausbildung musste sie knapp 5000 Euro zahlen, inklusive Prüfungsgebühren, Studienmaterial und die Kosten für die Prüfungsvorbereitungskurse in Hamburg mit Übernachtung, Fahrt und Hotel. Etwas mehr als 30 Prozent der Gebühren bestritt Braun mit einem sogenannten Meister-Bafög, einer einkommensunabhängigen Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungs-Gesetz.

"Der Lernaufwand hat mich ziemlich überrascht", erinnert sich Braun. "Am Anfang waren es zwei Stunden pro Tag, am Schluss dann aber doch fünf Stunden oder mehr - neben der Vollzeit-Arbeit", stellt sie fest. "Vieles ist dabei auf der Strecke geblieben: abends ausgehen, Freunde treffen." Dennoch fühlte sie sich unterstützt: "Das waren oft nur kleine Aufmerksamkeiten, ein: "Wie geht's dir?" Oder: "Ich denk' an dich bei deiner Prüfung."

Noch während ihres Studiums kündigte sie, die innerbetrieblichen Spannungen waren für sie einfach zu belastend geworden. Und sie fand gleich eine neue Stelle - als Bilanzbuchhalterin bei der deutschen Vertriebsniederlassung einer italienischen Konzerngruppe, die hochspezialisierte Maschinen und Anlagekomponenten entwickelt und herstellt. Dass sie noch im Studium steckte, war für die Arbeitgeber in Ordnung - und für Debora Braun hatte das sogar einen großen Vorteil: "Ich konnte das, was ich im Studium gelernt hatte, gleich anwenden."

"Eine rein sachliche Entscheidung"

Fast wäre er Fernstudent des Jahres geworden. Nominiert war Matthias Godehardt jedenfalls für den Distance-Learning-Studienpreis 2017, den der Fachverband Forum Distance Learning vergibt. Er studierte bei der Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft Gesundheitsökonomie im Fernstudium, hat bereits seinen Bachelor abgeschlossen und ist gerade dabei, seinen Master zu beenden. Dabei verlief sein Berufsweg alles andere als geradlinig. Eher in Schleifen, Schlangenlinien, manchmal auch in Sackgassen - aus denen er sich aber wieder trefflich rausmanövrierte.

In Kürze: Godehardt ist gelernter Schlosser, war Bundeswehrsoldat, fing danach ein Jurastudium an. Er brach es ab, um ein Informatikstudium aufzunehmen, das er - gerade Vater geworden - zugunsten einer Stelle als Produktionsleiter bei einem Verlag in Berlin aufgab. Dann wechselte er als Techniker zu Gravis, einer Computerfirma. Dort reparierte er zehn Jahre lang Computer, bis er feststellte, dass doch noch etwas fehlte in seinem Berufsleben: ein Hochschulabschluss.

"Ich wollte nicht bis zur Rente als Techniker arbeiten", sagt Godehardt. Und da war dann noch die älteste Tochter, die auch schon Richtung Universität schaute - dass die Tochter mal einen höheren Abschluss haben sollte als der Vater, wurmte Matthias Godehardt schon ein wenig. Also überlegte er ganz nüchtern, welche Branche Zukunft hat - die Gesundheitsbranche. "Gesundheitsökonomie zu studieren, war eine reine Sachentscheidung", sagt Godehardt.

An der Apollon-Hochschule fand er das passende Fernstudium. Und entwickelte eine unglaubliche Disziplin: Jeden Tag eine Stunde auf dem Weg zur Arbeit in der S- Bahn lernen und lesen, auf dem Rückweg schlafen, um für weitere zwei Stunden Lernen nach der Arbeit fit zu sein. "Ich hätte selbst nicht gedacht, dass ich das fünf Jahre durchhalte", sagt Godehardt. Denn nach dem Bachelor setzte er gleich noch den Master drauf.

Seine Chefs bei der Computerfirma stärkten ihm den Rücken, ebenso seine Frau. "Ohne meine Frau wäre das nichts geworden." Seit März 2016 ist Godehardt Verwaltungsleiter von drei Reha-Zentren in Berlin und Brandenburg. Im September wird er den Master fertig haben. "Vielleicht musste ich erst ein gewisses Alter haben, um das durchziehen zu können", meint Godehardt.

"Ich bringe mir gern selbst etwas bei"

Autodidaktin sei sie, sagt Juliane Kuchar über sich selbst: "Zu lernen belastet mich nicht, im Gegenteil. Ich bringe mir gern selbst etwas bei." Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie den Fernlehrgang zur staatlich geprüften Übersetzerin für die Sprache Englisch an der privaten Fernhochschule AKAD in gerade mal neun Monaten durchgezogen hat. Üblicherweise dauert der Lehrgang zwei Jahre - auch bei Menschen, die nicht, so wie Juliane Kuchar, 34, zwei kleine Kinder haben.

Die Tochter wird in diesem Sommer sechs Jahre alt und geht noch in den Kindergarten, Kuchars Sohn ist drei Jahre alt. Wegen einer Entwicklungsverzögerung kann er allerdings nur eine sehr begrenzte Zeit am Tag ohne seine Mutter sein. "Er ist sehr auf mich fixiert", erklärt Kuchar. Nur sie kann ihn abends ins Bett bringen, nur sie darf ihn von der heilpädagogischen Einrichtung abholen, wo er täglich vier Stunden verbringt. In Ausnahmefällen springt auch der Vater des Kindes ein, vor allem in Prüfungsphasen.

Die Zeit, in der die Kinder betreut sind, und die Nächte nutzte Juliane Kuchar fürs Lernen. "Mir war schnell klar, dass ich wegen meines Sohnes keine Vollzeitbeschäftigung annehmen kann", sagt sie. "Ich musste mich beruflich umorientieren und flexibel arbeiten können." Übersetzerin schien ihr da das Richtige zu sein. Sie hatte schon vorher bei ihren Arbeitgebern übersetzt, ihre Sprachkenntnisse waren durch Auslandsaufenthalte und Studium gut. Doch sie wollte ihr Wissen vertiefen und mit einem zertifizierten Abschluss ihre Qualifikation beweisen. Denn Übersetzerin ist kein geschützter Berufsbegriff. Deshalb entschied sich die junge Mutter für ein Fernstudium.

Bis zur Geburt ihres Sohnes hatte Kuchar zunächst in einem Software-Unternehmen und später in einer Pharma-Firma in München gearbeitet und währenddessen an der Open University, einer Fernuni mit Sitz in Großbritannien, ihren Bachelor of Natural Science gemacht. Das ging auch ohne Abitur.

Die Elternzeit nutzte sie zum Fernstudium. Die AKAD bietet für Studierende in der Elternzeit einen sogenannten Windelbonus von 30 Euro im Monat. Die restlichen knapp 200 Euro monatlich finanzierte sie durch eine Erbschaft.

Schon seit August 2016 arbeitet sie freiberuflich als Übersetzerin. Einen Monat später hatte sie alle Pflichtkurse bei der AKAD geschafft. Mit dem Zeugnis durfte sich Kuchar zur staatlichen Übersetzerprüfung anmelden, die Prüfung selbst war im Juni 2017. Juliane Kuchar bestand gleich im ersten Anlauf. Darauf ist sie stolz: "Die Durchfallquote ist sehr hoch, und man hat nur zwei Versuche", sagt sie.

Ihre nächsten Pläne: Vielleicht noch eine Sprache lernen, Norwegisch, Finnisch oder Isländisch. Selbstverständlich im Fernstudium. Juliane Kuchar: "Ich komme besser damit klar, wenn ich allein arbeite - Autodidaktin halt."

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