Studium:Nur jeder dritte Student geht ins Ausland

Austauschprogramm Erasmus

Warum in die Ferne schweifen? Viele Studierende verzichten ganz bewusst auf einen Auslandsaufenthalt. (Bild: International Day an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder))

(Foto: dpa)

Auslandsaufenthalt? Reine Zeitverschwendung, finden viele Studierende. Die Regierung wünscht sich deutlich mehr Mobilität - und erwägt nun, die Erasmus-Sätze zu erhöhen.

Von Johann Osel

Weniger als ein Drittel der deutschen Studenten zieht es ins Ausland, etwa für ein Gastsemester, ein Praktikum oder einen längeren Sprachkurs. Das geht aus der Studie "Wissenschaft weltoffen" hervor, die am Dienstag vorgestellt wurde. Es ist das wichtigste Datenwerk zum Thema, gefördert durch das Bundesbildungsministerium und das Auswärtige Amt. Demnach dürfte die Bundesregierung ihr strategisches Ziel verfehlen. Nach der Marke, die man sich selbst gesetzt hat, sollen bis 2020 die Hälfte aller Studenten vorübergehend ihre Hochschule Richtung Ausland verlassen. Die aktuelle Quote von etwa 30 Prozent stagniert nun aber schon seit fast zehn Jahren bei diesem Wert. Dass binnen einiger Jahre noch ein größerer Anstieg erfolgt, ist wohl kaum zu erwarten.

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Das liegt vor allem an der Struktur des Studiums, wie ergänzende Umfragen aus der Untersuchung zeigen. Mehr als die Hälfte der befragten Studenten quer durch alle Fächer sagten: Sie hätten kein Interesse an einem Auslandsaufenthalt, weil ihnen so Zeit im Studium verloren ginge. Vor allem Bachelor-Studiengänge sind oft mit Inhalten und Einzelprüfungen vollgepackt. Und wer die Regelstudienzeit von sechs Semestern überschreitet, muss sich schief anschauen lassen.

Studienleistungen aus dem Ausland werden nicht anerkannt

Hinzu kommt das Problem, dass die Seminare und Kurse aus dem Ausland oft wenig wert sind. Laut einer ergänzenden Umfrage des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, der zu den Autoren von "Wissenschaft weltoffen" gehört, klagt eine Drittel der mobilen Studenten darüber, dass nach ihrer Rückkehr die Leistungen der anderen Uni nur teilweise oder sogar gar nicht anerkannt wurden.

Und das, obwohl eigentlich eine einheitliche "Währung" existiert: Die fast 50 Länder, die bei der Bologna-Reform mitmachen, haben für Bachelor und Master auch das sogenannte ECTS-Punkte-System eingeführt. Dabei wird gemessen, wie viel Arbeitsaufwand zum Beispiel ein bestimmtes Seminar erfordert - eben damit Leistungen vergleichbar sind und international bedenkenlos angerechnet werden können. Dozenten an vielen deutschen Hochschulen, die letztlich die ECTS-Punkte aus dem Ausland genehmigen müssen, können aber davon abweichen - und tun dies laut der Studie in jedem dritten Fall.

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Finanzielle Hürden, die einem Auslandssemester im Weg stehen, wurden in den Umfragen selten genannt. Dennoch stellte Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) am Mittwoch mögliche Verbesserungen in Aussicht. Ein zentrales Instrument für Auslandsaufenthalte bleibt das europäische Erasmus-Programm. Fast 35 000 Deutsche konnten im Jahr 2013 die Förderung ergattern, sie gingen bevorzugt nach Spanien, Frankreich, England, Schweden und Italien. Die Ministerin will prüfen lassen, ob die Sätze nicht "ein wenig" angehoben werden können, das Budget aus Brüssel biete Spielräume. Das Stipendium teilt Studenten derzeit im Schnitt 210 Euro pro Monat zu.

Platz drei der beliebtesten Gastländer

Ebenfalls mit Hilfe von Erasmus kamen gut 30 000 Gaststudenten an die deutschen Hochschulen. Die meisten aus den selben Ländern, abweichend ist nur Polen unter den ersten fünf Herkunftsländern. Steil nach oben geht die Zahl der Ausländer, die sich für ein ganzes Studium hierzulande einschreiben. So ist Deutschland nach den USA und Großbritannien für Studenten aus aller Welt das beliebteste Gastland. Die Zahl aller ausländischen Studierenden lag im vergangenen Wintersemester erstmals über der Marke von 300 000, mehr als ein Zehntel aller Hochschüler in den Hörsälen.

Die Top-Fünf der Länder, deren Nachwuchs nach Deutschland kommt, sind China, Russland, Österreich, Indien und Bulgarien. In Berlin stammen nun 16,4 Prozent aller Studenten aus dem Ausland - bundesweit Platz eins. Hinten liegt Mecklenburg-Vorpommern mit 5,8 Prozent, in Bayern sind es zehn. Gut die Hälfte der Ausländer möchten nach dem Abschluss - zumindest zunächst - in Deutschland arbeiten.

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