Weiterbildung:Meisterleistung ohne Abi

A PILOT PERFORMS A HAND STAND INSIDE A HOT AIR BALLOON AT BRISTOL BALLOON FESTIVAL.

Hurra, ich hab's geschafft! Beruflich Qualifizierte, die ein Studium absolvieren wollen, brauchen jede Menge Zielstrebigkeit und Disziplin.

(Foto: Peter Mac Diarmid/Reuters)
  • 2009 haben sich die Kultusminister der Länder auf allgemeingültige Standards für die allgemeine und fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung für beruflich Qualifizierte geeinigt.
  • So ist auch ohne Abitur ein Studium möglich - obwohl noch immer nicht alle Bundesländer die Regelungen umgesetzt haben.
  • Hier erfahren Sie alles Wissenwerte zum Hochschulzugang ohne Abi.

Von Christine Demmer

Jana Löffler ist gelernte Reiseverkehrsfachfrau. In ihrer Freizeit entwirft und schneidert die 25-Jährige schräge Outfits für sich und ihre Freundinnen. Offenbar mit Geschick, denn die Kunsthochschule Berlin-Weißensee ließ die Mannheimerin vergangenes Jahr zum Bachelorstudiengang Modedesign zu. Daran anschließen möchte Jana ein Masterstudium und möglichst auch noch eine Promotion. Ihr Berufsziel ist Professorin an einer Design- oder Kunsthochschule. Abitur hat Jana nicht. Sie hat die Schule mit der Fachoberschulreife, der sogenannten mittleren Reife, abgeschlossen. Dass sie trotzdem studieren kann, hält sie für die Chance ihres Lebens: "Ich bringe gern anderen bei, wie man aus einem Entwurf etwas Schönes und Greifbares macht. Und bei mir selbst fange ich damit an."

Künstlerischen und sportlichen Talenten stehen die Hochschulen seit Langem auch ohne Abitur offen. Wer sich hingegen für Wirtschaft, Technik, Geistes- oder Naturwissenschaften interessiert, braucht immer noch das Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife. Es sei denn, er oder sie kann eine abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Beruf und ein paar Jahre Praxis vorweisen. In diesem Fall lassen viele wissenschaftliche Hochschulen Bewerber mit mittlerer Reife zum Bachelor- und sogar zum Masterstudium zu - spätere Promotion nicht ausgeschlossen.

Der bildungspolitische Hintergrund: Um die berufliche Bildung mit der schulischen auf Augenhöhe zu bringen, haben sich die Kultusminister der Länder am 6. März 2009 auf allgemeingültige Standards für die allgemeine und fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung für beruflich Qualifizierte geeinigt. Doch selbst nach sechs Jahren sind die Regelungen erst in zehn von 16 Bundesländern umgesetzt.

Wer es an die Uni geschafft hat, kann in jedem Bundesland weiterstudieren

Bundesweit verbindlich ist nur eines: Nach einem Jahr erfolgreich absolvierten Studiums werden die auf der Grundlage des Beschlusses vom März 2009 erteilten Hochschulzugangsberechtigungen von allen anderen Bundesländern anerkannt. Allerdings vorausgesetzt, man studiert im gleichen oder in einem fachlich ähnlichen Studiengang weiter. Wer im Wissenschaftsbetrieb eines Bundeslandes aufgenommen wurde, kann also sein Studium überall in Deutschland fortsetzen.

Mit Ausnahme der Bundesländer, die den Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2009 immer noch nicht in Landesrecht umgesetzt haben, steht die Hochschulzugangsberechtigung oder Fachhochschulreife allen Personen offen, die einen der folgenden Abschlüsse der beruflichen Bildung nachweisen können: Fachwirte (IHK), staatlich geprüfte Techniker, Betriebswirte und Erzieher sowie Lehrkräfte für Pflege und Pflegedienstleiter. Auch die erfolgreiche Meisterprüfung in einem Ausbildungsberuf berechtigt zur Aufnahme eines beliebigen Studiums - es sei denn, das Fach ist zulassungsbeschränkt. Trotzdem sind stets zwischen drei und zehn Prozent der zu vergebenden Studienplätze für beruflich Qualifizierte reserviert. Die Regel lautet: Diejenigen mit den besten Noten bekommen den Zuschlag.

Personaler schätzen die "Ochsentour"

Wer nicht zu den oben genannten Gruppen gehört, aber den Fachoberschulabschluss nach der zehnten Klasse und wenigstens eine zweijährige Berufsausbildung plus zwei bis drei Jahre Berufspraxis mitbringt, kann bei den Hochschulen eine fachgebundene Zugangsberechtigung beantragen. Diese berechtigt zum Hochschulstudium im beruflichen Umfeld. In den meisten Bundesländern prüfen die Hochschulen mit schriftlichen und mündlichen Tests zusätzlich die Eignung des Bewerbers. Die Ausnahmen sind Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Dort dürfen Absolventen einer Berufsausbildung in Fächern, die dem Profil ihres Berufs entsprechen, ohne weitere Prüfung studieren. Die Einschränkung auch hier: sofern genügend Studienplätze vorhanden sind, und keine weiteren Anforderungen der Hochschule der Zulassung im Wege stehen.

Beruflich qualifizierte Aspiranten ohne Abitur und Bachelorabschluss dürfen seit 2010 sogar direkt in ein Masterprogramm einsteigen, sofern sie den Einstufungstest bestehen - theoretisch. Denn diese Änderung wurde bisher nur von einigen Ländern wie Berlin, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz umgesetzt.

Weiterbildung: SZ-Grafik; Quelle: studis-online.de

SZ-Grafik; Quelle: studis-online.de

Hinweise zur Grafik

*Unter Umständen werden anstelle der mittleren Reife und des Berufsabschlusses auch der Hauptschul- abschluss beziehungsweise Berufspraxis akzeptiert

**Der Zugang zu Berufsoberschule, Kolleg und Abend- gymnasium ist im Gegensatz zur Fachoberschule grundsätzlich nur mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einer als Ersatz dafür anerkannten Tätigkeit möglich

***Mit der Abschlussprüfung einer Fachhochschule (FH) erwirbt man die allgemeine Studienberechtigung auch an Universitäten. Mit einem FH-Diplom oder FH-Bachelor sollten Absolventen also jeden Bachelor, Diplom-, Magister- oder Staatsexamen-Studien- gang an einer Uni studieren dürfen. Unter Umständen kann man mit einem FH-Bachelor (oder FH-Diplom) auch direkt mit dem Master an einer Uni weitermachen

SZ-Grafik; Quelle: studis-online.de

Dank der Neuregelungen der Kultusministerkonferenz aus den Jahren 2009 und 2010 ist es grundsätzlich möglich, von der mittleren Reife aus über ein Bachelor- und Masterstudium bis zur Promotion durchzustudieren. Bei Personalern kommt die "Ochsentour" gut an. "Wer sich von der Fachoberschulreife bis zum Hochschulabschluss durchgearbeitet hat, der hat Zielstrebigkeit, Durchhaltevermögen und Veränderungsfähigkeit bewiesen", betont Michael Donat, Personalleiter bei der Management- und IT-Beratung Sopra Steria Consulting in Frankfurt. "Das sind wichtige Eigenschaften für den beruflichen Erfolg, und deshalb sind diese Leute für jeden Personalmanager interessant."

Gerade in Deutschland müsse man lernen, nicht zu viel Wert auf formale Qualifikationen zu legen. Donat weist auf die vielen als Vorbild geltende Generation der Unternehmensgründer in der Nachkriegszeit hin: "Da findet man viele, die ohne Abitur, dafür aber mit ihren herausragenden persönlichen Fähigkeiten extrem erfolgreiche Unternehmen aufgebaut haben." Vielleicht wird aus Jana Löffler eines Tages doch keine Professorin, sondern die Gründerin eines namhaften Mode-Labels.

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