Studium:Ganz oder gar nicht

Goethe Universitaet Frankfurt To Celebrate 100th Anniversary

Wo bitte gibt es gute Jobs? Studenten vor einem Anschlagbrett auf dem Campus Westend der Goethe-Universität in Frankfurt.

(Foto: Thomas Lohnes/Getty)
  • In den vergangenen Wochen haben Studien belegt, dass Bachelorabsolventen nicht reif für den Schritt ins Berufsleben sind - aber auch, dass der Abschluss in Unternehmen durchaus geschätzt wird.
  • Wie der Bachelor bewertet wird, hängt nicht nur vom Institut ab, das die Studie durchführt. Auch zwischen den Branchen schwankt die Zustimmung massiv.
  • Was festzustehen scheint: Höhere akademische Bildung zahlt sich finanziell aus.

Von Roland Preuß und Johann Osel

Sein Weg nach oben war nicht einfach - und das hat etwas mit Bachelor und Master zu tun. Christian Hetke blickt da sehr nüchtern zurück: "Ich fühlte mich damals nach dem Bachelor-Abschluss reif für Beruf und Karriere. Jetzt würde ich sagen: Ich war's nicht." Jetzt, das ist nur wenige Jahre später, entscheidende Jahre, die Hetke geprägt haben, in denen er sich nach oben gerackert hat. Heute leitet er eine selbstgegründete Firma in Leipzig und stellt selbst Bachelor, Master und Leute mit Promotion ein. "Der Bachelor hat einen sehr guten Wert", sagt er.

Das ist schön zu hören in einer Zeit, in der der Bachelor-Abschluss wieder einmal in die Diskussion geraten ist. Nur knapp die Hälfte der Unternehmen seien mit den Bachelor-Absolventen zufrieden, ergab eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) Ende April. Jedes fünfte Unternehmen hatte schon einmal Bachelor-Absolventen in der Probezeit gefeuert, meist weil Fachkenntnisse fehlten. "Es studieren zu viele, die besser eine Ausbildung machen würden", meint daher DIHK-Präsident Eric Schweitzer, spricht von "Überakademisierung" und fordert weniger Studienplätze.

Das Echo auf die Studie war enorm. "Viele Bachelor-Absolventen enttäuschen die Firmen", schrieb etwa das Handelsblatt. Schweitzer ist nicht der Einzige, der zweifelt. "Ein Bachelor in Physik ist nie im Leben ein Physiker", hat der Präsident der Hochschulrektoren, Horst Hippler, mal gesagt. Auch die Bachelor-Absolventen selbst lassen den Kopf hängen: Mehr als die Hälfte von ihnen sagten in einer Allensbach-Umfrage, sie fühlten sich unzureichend auf das Berufsleben vorbereitet.

Sind Deutschlands Bachelor-Studenten also unbrauchbar? Sollten junge Leute lieber gleich eine Lehre anstreben - oder ein paar Semester dranhängen, um als Master den Ansprüchen der Firmenchefs gerecht zu werden?

Wunsch nach "Employability"

Die Fragen sind längst auf höchster Ebene angekommen. Am Freitag endete die internationale Bologna-Konferenz im armenischen Eriwan. Sie ist nach der Stadt Bologna benannt, weil dort 1999 die europaweite Studienreform mit Bachelor und Master auf den Weg gebracht wurde. Bildungspolitiker aus 47 Ländern vereinbarten nun als "Hauptziel", dass die Absolventen "beschäftigungsfähig" werden. Diese "Employability" müsse nach jedem Studienabschnitt sichergestellt sein - also auch nach dem drei Jahre dauernden Bachelor. Nötig seien Kooperationen mit Firmen und praxisnahe Studieninhalte. Schon bei der Konferenz 2012 hatte dieses Thema einen prominenten Platz im Manifest.

Das könnte Schweitzer freuen. Doch es ist kein Zufall, dass der DIHK nicht in diese Richtung denkt. Denn dieser spricht vor allem für kleinere Firmen, jedes Unternehmen in den Kammern hat eine Stimme, egal ob Weltmarktführer oder Familienhotel um die Ecke. Doch das Hotel und viele andere Kleinbetriebe suchen nicht so sehr Bachelor-Absolventen, sondern vor allem Auszubildende - und die sind immer schwieriger zu finden. Es gibt weniger Kinder und Jugendliche und damit weniger potenzielle Lehrlinge und Studenten. Und weil der Trend zum Studium geht, rund die Hälfte eines Jahrgangs geht an die Hochschulen, trifft der demografische Wandel diese Betriebe besonders hart. Man kann Schweitzers Worte also als Kampagne sehen, um mehr Bewerber zu ködern. Er streut Verunsicherung auf Kosten des Bachelors. Man ringt mit Umfragen und Studien um junge Mitarbeiter.

"Uns in der Industrie reicht der Bachelor"

Das lässt sich auch an den Reaktionen auf die DIHK-Umfrage ablesen. Wer danach etwas rumtelefoniert, hat verärgerte Unternehmer oder Experten am Ohr "Wir haben keine Akademikerschwemme in den technischen Fächern, wir brauchen diese Leute", sagt Lars Funk, Arbeitsmarktexperte beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Die Branche klagt seit Jahren selbst über Nachwuchsmangel, und zwar an Akademikern. "Uns in der Industrie reicht der Bachelor, wir können diese Absolventen sofort einsetzen", sagt Karl Schäuble, Geschäftsführer des baden-württembergischen Mittelständlers Illig und Vorstand beim Arbeitgeberverband Südwestmetall.

Schäuble bildet seine Leute in Zusammenarbeit mit einer Dualen Hochschule und einer Fachhochschule aus, so lernen die Studenten schon während des Studiums die Praxis im Betrieb kennen. Das ist typisch, die Kritik an Bachelor von Fachhochschulen ist selten, viel öfter trifft es Absolventen von der Uni. Man brauche beides, Akademiker und Auszubildende, sagt Schäuble. "Nun streitet man sich um die guten Leute eines Jahrgangs." Selbst in kleineren Betrieben wie dem von Christian Hetke, der mit 40 Mitarbeitern individuell hergestelltes Tierfutter verkauft, wundert man sich. Der Bachelor bringe doch ein "gutes Fundament", sagt Hetke.

Zahlt sich höhere akademische Bildung kaum noch aus?

Die Gegenstudie ließ nicht lange auf sich warten: Wenig später kam das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft, in dem viele Konzerne vertreten sind. Ergebnis: Der Bachelor ist geschätzt bei den Unternehmen, die Karrierechancen sind gut. Mit Blick auf die Arbeitsmarktzahlen kann man das nur unterstreichen: Bachelor sind sehr selten arbeitslos und verdienen in der Regel gut. Das IW bildet eher die Sicht größerer Unternehmen ab, ihre Antworten wurden stärker gewichtet, da sie häufiger Akademiker beschäftigen als Bäcker oder Döner-Lokale. Doch auch diese Studie ist nicht nebelfrei. Die Unterschiede bei den Einstiegsgehältern zwischen Bachelor- und Masterabsolventen seien gering, überhaupt hätten Masterabschluss und Doktortitel für die Karriere "weiter an Bedeutung verloren", schreiben die Autoren. Zahlt sich höhere akademische Bildung also kaum noch aus?

Mit dieser Sicht steht das IW recht alleine da: Forscher haben immer wieder festgestellt, dass sich Bildung auszahlt (siehe Grafik), auch höhere akademische Bildung. Führungskräfte mit Doktortitel erhielten im Schnitt 139 000 Euro im Jahr, ihre Kollegen mit Masterabschluss 121 000 und die mit einem Bachelor 100 000 Euro, stellte die Managementberatung Kienbaum. Promovierte verdienen eineinhalb Jahre nach dem Abschluss gut 40 Prozent mehr als Master, ermittelte die Uni Kassel. Sogar die Gewerkschaft Verdi sieht deutliche Unterschiede (siehe Grafik).

Auch Christian Hetke hatte Jobangebote, nachdem er den BWL-Bachelor an der Uni Halle geschafft hatte. Doch er entschied sich für den Master an der Leipzig Graduate School of Management (HHL). "Die Jobangebote danach, das war ein himmelweiter Unterschied", sagt er. Doch er wollte sich selbständig machen. "Ohne das Masterstudium hätte ich das nicht geschafft." Das lag nicht nur an den Inhalten, sondern auch an dem Netzwerk, das er sich aufbaute. "Der Kreis dort war kleiner und zielgerichteter." An der Hochschule fand er den Mitgründer seiner Firma.

Dennoch weist er Bachelor nicht ab, seine Mitarbeiter sollen ja keine Firma leiten, sondern Persönlichkeit und praktische Erfahrung mitbringen. Bei der Einstellung entscheide auch das Bauchgefühl. Erst wenn es um Expertenwissen geht, gewinnt der Titel an Gewicht, sagt Hetke. Seine Mitarbeiterin mit Doktorhut hat nicht zufällig über Tiernahrung promoviert.

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