Studieren im Alter:Reife Leistung

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr? Nichts da: Die Zahl der Studierenden über 40 steigt, und die Universitäten reagieren. Manchmal müssen Professoren die gesetztere Klientel sogar zur Ordnung rufen.

Von Ralf Steinbacher

Einen "Kraftakt", nennt es Andrea Lakasz. 46 Jahre alt war sie vor zwei Jahren, als sie sich entschloss zu studieren. Nach fünf Arbeitstagen am Münchner Klinikum Großhadern beginnen Freitagabend die Vorlesungen, und wenn Mann und Tochter den Samstag genießen, büffelt Lakasz an der FOM-Hochschule ganztags Gesundheits- und Sozialmanagement; das restliche Pensum erledigt sie online - jetzt im fünften Semester. Doch der Stress dürfte sich lohnen, schließlich haben die Chefsekretärin und ihr Chef den Studiengang bewusst gewählt: Soll er einerseits doch ihre Karriere befördern - und gleichzeitig der Klinik nutzen. Von grauer Theorie kann so keine Rede sein: Lakasz darf in der Klinik Mitarbeiter befragen und anonymisierte Ergebnisse für Semesterarbeiten verwenden.

Studium, Job und Familie unter einen Hut zu bringen - meist ist das eine riesige Herausforderung

Vergangene Woche berichtete die SZ über eine Fallstudie aus dem vom Bund geförderten Forschungsprojekt "PETS". Diese zeigte, dass beruflich qualifizierte Studenten ohne Abitur ein höheres Risiko haben, im Studium zu scheitern. Im untersuchten Fach der Uni Hamburg waren die Studenten im Schnitt 26 Jahre alt. Zu der Gruppe der Praktiker, die noch ein Studium wagen, gehören aber auch deutlich ältere Kommilitonen. Bundesweit zählt das Statistische Bundesamt 128 000 Studenten zur Gruppe der mindestens 37-Jährigen. Mit wiederum anderen Bedürfnissen?

Andrea Lakasz ist nur eine von Hunderten älterer Studenten der FOM, an der Lutz Hoffmann Professor ist. Er leitete das Projekt "Erfolgreich studieren 40+", in dem Angebote erdacht und erprobt wurden, die auf die Zielgruppe zugeschnitten sind; es geht um Tutorien, Workshops, Mentoring. Hoffmann ist sicher, dass der Anteil älterer Studenten noch steigen wird. Erstens, weil auch die Anzahl Älterer in der Gesellschaft steige; zweitens, weil auch immer mehr Leute, die mitten im Leben stünden, an Weiterbildung interessiert seien - an akademischer Weiterbildung. Auch für die Wirtschaft ist der Trend interessant, Stichwort Fachkräfte. "In Zukunft", sagt Projektmitarbeiterin Teresa Grauer über die Spätstudierenden, werden "Arbeitgeber wie Universitäten um ihre Gunst buhlen."

Ältere studieren allerdings anders, das kann für Dozenten eine Herausforderung sein. Menschen, die mitten im Berufsleben stehen, seien in der Regel gar nicht so sehr an Karriere interessiert, hat Hoffmann herausgefunden - sondern "sie wollen Zusammenhänge verstehen". Daher unterschieden sie sich auch im Präsenzstudium von jungen Leuten, die gerade erst Abitur gemacht haben: "Sie fragen häufiger nach und haben Lust zu diskutieren, manchmal so ausgiebig, dass man als Dozent eingreifen muss."

Für Studierende wie Lakasz ist es nicht einfach, Job, Familie und Studium unter einen Hut zu bringen. Diese Probleme hatte auch die Fallstudie erwähnt. Neben fehlendem Wissen ohne Abitur und familiären oder beruflichen Pflichten nennt sie "habituelle" Hindernisse in der für die neue Zielgruppe fremden akademischen Welt. Offenbar machen praxisnahe Fachhochschulen und eben private Einrichtungen ein einladenderes Angebot als manche ehrwürdige Uni; vermutlich können sich viele auch besser auf die Älteren einstellen. Die deutliche Nachfrage von Praktikern an Privathochschulen bestätigen Zahlen des Centrums für Hochschulentwicklung. Andreas Lakasz sagt: "Man muss lebenslang lernen, wenn man mithalten will. Alter spielt da für mich überhaupt keine Rolle."

Passgenaue Angebote kosten Geld. Politische Initiativen fördern inzwischen Modelle, um den Übergang in die akademische Welt für neue Studentengruppen zu verbessern - nicht nur an staatlichen Hochschulen. Von Mitteln des Bundes profitiert auch das FOM-Modell "40+". Daneben verlangen Private Gebühren, im Gesundheitsstudiengang summieren sich die Kosten auf 12 000 Euro.

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