Studienfächer:Das kann man wirklich studieren?

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Weinbaufachleute wie Johannes Burkert haben Önologie studiert. Der Experte arbeitet am Institut für Weinbau und Önologie an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau. (Foto: Daniel Peter)

Der Run auf die Unis ist ungebrochen und auch die Fächervielfalt größer denn je. Droht die Gefahr einer Überspezialisierung?

Von Max Ferstl und Thomas Jordan

Nicht jeder Studiengang ist auf Anhieb als Studiengang zu erkennen: Körperpflege zum Beispiel klingt nach Besuch im Badezimmer, ist aber ein Bachelorstudium an der TU Darmstadt. Zum diplomierten Puppenspieler wird man in Stuttgart oder Berlin. Auch der Gamedesigner fällt nicht vom Himmel - er macht einen Bachelor.

Fast 20 000 Studiengänge gibt es derzeit an deutschen Hochschulen, Tendenz steigend. Vor zehn Jahren waren es noch 11 000. Ein solch rapides Wachstum ist nur möglich, wenn sich einzelne Disziplinen ausdifferenzieren. Immer neue, kleinteiligere Fachrichtungen entstehen. Schon länger warnt der Wissenschaftsrat vor einer "Überspezialisierung", gerade im Bachelor. Andere befürchten, Nischenstudiengänge könnten in die Sackgasse führen statt in die Berufswelt.

Spezialisierte Studiengänge
:Von Weinbau bis Kreuzfahrt

Der angehende Gerontologe Johann Weigert und vier weitere Studierende berichten von ihren besonderen Studiengängen.

Auf dieser Seite berichten fünf Studenten, wie es ihnen in dem Studium ergeht, für das sie sich entschieden haben: Keiner der Befragten hat Angst, am Arbeitsmarkt leer auszugehen. Jeder empfindet seine Nische als Chance. Die Statistik gibt ihnen recht. So gut wie jeder Akademiker in Deutschland findet einen Job. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei 2,3 Prozent, nur 1980 war sie niedriger (1,8).

"Das zeigt, dass unser Hochschulsystem funktioniert", sagt Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft. Ein Studium sei in erster Linie ein Weg in die Arbeitswelt. Natürlich dürfe man es mit der Spezialisierung nicht übertreiben, doch die Gefahr sieht er noch nicht. Bei jedem neuen Studiengang prüfe eine Kommission vorab, ob er akademische Standards mit beruflicher Perspektive verbindet. Ist das nicht der Fall, darf der Studiengang gar nicht erst eingerichtet werden. "Die Arbeitswelt spezialisiert sich", so Plünnecke. Also braucht es auch spezialisierte Akademiker.

Außerdem wollen immer mehr Menschen studieren. Cort-Denis Hachmeister, Datenexperte am Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), beziffert den Trend: Seit 2005 ist die Zahl der Studienanfänger um 43 Prozent gestiegen. Der Wettbewerb zwischen den Hochschulen hat sich verschärft. Sie konkurrieren um Studenten und um Geld. Ein Studiengang mit Innovationscharakter gilt da als Vorteil.

Das zeigen nicht zuletzt die Hochschulangebote, die es neuerdings als Pendant zur beruflichen Ausbildung gibt. Wer beispielsweise eine leitende Funktion im Bereich Altenpflege anstrebt, kann "Angewandte Gerontologie" studieren. Der 2017 eingeführte Studiengang berücksichtigt stärker die ökonomischen und juristischen Aspekte des Umgangs mit alten Menschen. Hachmeister nennt das eine "Professionalisierungstendenz". In ihr spiegelt sich auch die gesellschaftspolitische Absicht, wichtige Zukunftsberufe, etwa in der Altenpflege, künftig besser zu bezahlen. Die höhere Qualifizierung soll den Absolventen mehr Geld aufs Konto bringen.

Der wichtigste Motor für die Vielzahl neuer Studiengänge ist jedoch laut Hachmeister die Bologna-Reform. Im Verlauf dieser europaweiten Harmonisierung von Studienrichtungen und -abschlüssen wurden die alten Diplomstudiengänge vielfach von einem eigenständigen sechssemestrigen Bachelor und einem viersemestrigen Masterstudiengang abgelöst. Aus eins mach zwei. Allerdings ist der Boom nicht nur eine Frage der Arithmetik, sondern auch die Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen und neue Bedürfnisse. Um in der zunehmend komplexeren und vernetzteren Arbeitswelt zu bestehen, brauchen Menschen entsprechende Kompetenzen.

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Diesen Bedarf bedienen zum einen die neuen Hybrid-Studiengänge, die zwei oder mehr Studienfächer kombinieren. History and Economics etwa. "Das Ziel ist, dass die Studierenden am Ende ihres Studiums uns Lehrenden überlegen sind," sagt Sebastian Teupe. Der 33-jährige Wirtschaftshistoriker unterrichtet im Master History and Economics an der Universität Bayreuth die geschichtswissenschaftlichen Studienanteile. Teupes Kollegen aus den Wirtschaftswissenschaften bringen den Studenten statistische Methoden bei. Damit sind sie nach vier Semestern in beiden Fächern fit für den Arbeitsmarkt.

Zum anderen entstehen immer mehr Studienrichtungen, die auf neue Lebensweisen zugeschnitten sind. So orientiert sich das Fach Environmental Protection and Agricultural Food Production (siehe Protokoll) stark am ökologischen Bewusstsein und vermittelt Inhalte, die später im Job gefordert sind. Der Bildungsforscher Hachmeister findet deshalb die Zahl von knapp 20 000 Studiengängen auch nicht zu hoch. Wichtiger als die pure Zahl ist aus seiner Perspektive, dass die Menschen, die studieren wollen, ein passendes Fach für sich finden.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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