Streit um Promotionsrecht:Fachhochschulen begehren gegen Unis auf

Sie ziehen immer mehr Studenten an und punkten in der Forschung: Fachhochschulen in Deutschland sind erfolgreich - und fordern nun Privilegien wie das Promotionsrecht. Sehr zum Ärger der Universitäten, die um ihren Rang fürchten.

Johann Osel

An den Fachhochschulen in Deutschland sind so viele Studenten eingeschrieben wie nie. Innerhalb von zehn Jahren ist die Zahl um etwa 80 Prozent gestiegen, von 411.000 auf zuletzt 744.150. An den Universitäten gab es in dem Zeitraum nur einen Zuwachs von einem Drittel. Auch die Zahl der praxisorientierten Standorte ist seit dem Jahr 2000 um ein Drittel gestiegen, derzeit gibt es 209 Einrichtungen.

Streit um Promotionsrecht: Grafik Fachhochschulen

Grafik Fachhochschulen

(Foto: SZ Grafik)

Diese Daten gab Bundesbildungsministerin Annette Schavan in Berlin am Mittwoch bekannt. "Erfreulich" sei zudem, dass Fachhochschulen (FH) "immer stärker auf dem Gebiet der Forschung punkten", sagte die CDU-Politikerin. Sie begibt sich damit mitten in einen Kampf, der immer mehr die Wissenschaftslandschaft spaltet. Denn viele der kleinen Schwestern der Universitäten begehren auf - und fordern Privilegien, wie sie die traditionsreichen Standorte genießen. Vor allem geht es um das Recht, Doktortitel zu verleihen.

Erste FHs entstanden vor gut 40 Jahren aus Vorgängereinrichtungen wie Staatlichen Ingenieurschulen. Sie sollten damals zwei Ziele erreichen: den technologischen Fortschritt beschleunigen und einer breiteren Schicht akademische Bildung ermöglichen - als Angebot auch für Kinder, die nicht aus einem studierten Elternhaus stammen.

Gute Anbindung der FHs an die Wirtschaft

Die Bologna-Reform mit dem Sechs-Semester-Abschluss Bachelor wurde zuletzt an FHs besser umgesetzt als an Unis. Denn praxisorientiertes Studieren ist dort das Grundprinzip. Die Attraktivität für Studenten kommt auch durch die Anbindung an die regionale Wirtschaft und somit guten Jobaussichten. Teils ist der Draht zwischen Hochschule und örtlichen Firmen so eng, dass man sich bei den Studieninhalten abspricht. In Modellprojekten können junge Leute gleichzeitig studieren und eine Berufsausbildung absolvieren.

Durch Gesetzesreformen in den Siebzigerjahren wurden die FHs auf die gleiche "tertiäre Bildungsebene" wie die Universitäten gehoben - allerdings ohne Ausbildung von Doktoranden. Und das soll auch so bleiben, betonen die Universitäten.

Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und zugleich am Karlsruher Institut für Technologie Chef eines wahren Forschungstankers, lässt keine Chance aus, den FHs eine Abfuhr zu erteilen. "Promotionen gehören an die Universitäten", die anwendungsnahen Standorte seien dazu nicht in der Lage, sagt er. "Es kann nicht sein, Promotion und Forschung auf die billige Art und Weise zu bekommen." Der FH-Flügel in der HRK votierte bei Hipplers Wahl im Mai gegen ihn. Nur weil die Stimmenzahl nach Hochschulgröße vergeben wird, gelangte er ins Amt. Seitdem belauern sich die Lager.

Promotionsrecht, das Heiligtum der Unis

Viele Kollegen waren jüngst über Hipplers Idee verärgert, dass man Universitäten mit schlechten Forschungsleistungen zu Fachhochschulen herabstufen könnte und im Gegenzug herausragende FHs in den Rang einer Universität aufsteigen. "Das Hochschulsystem ist nicht die Deutsche Fußball-Liga", sagt etwa Bernd Reissert, Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und Sprecher eines Verbands forschungsstarker FHs, darunter die in Hamburg, Köln und München. Letztlich ist aber auch die FH-Szene gespalten, manche definieren sich durchaus als Lehranstalten ohne üppige Forschung.

Mit Skepsis sehen die Uni-Rektoren aber, wie viele Fachhochschulen wachsen, Studenten anlocken und auch für Jung-Forscher attraktiver werden. In Kreisen beklagt man, dass die Standorte von der Politik "richtiggehend gehätschelt" werden. Der Wissenschaftsrat, wichtiges Beratungsgremium von Bund und Ländern, hatte bereits 2010 empfohlen, verstärkt auf die Potenziale der FHs zu setzen. Bei der Doktorandenausbildung sollten sie mit Universitäten zusammenarbeiten. Der Titel müsse aber letztlich durch die Unis verliehen werden.

Unterstützung von Annette Schavan

Nun kündigte Annette Schavan an, die Kooperationen auszubauen. Dabei könnten FH-Professoren mehr Verantwortung übernehmen, vor allem an Spitzenstandorten. Mittelfristig sollte es "möglich sein, den Doktortitel tatsächlich dann auch an einer Fachhochschule zu erwerben". Sie verstehe ihren Vorstoß "nicht als Revolution, sondern als Evolution". Das Promotionsrecht der Universitäten ist in den Landesgesetzen verankert. Nach jetzigem Stand darf eine FH nicht mal als "verleihende Institution" mit auf der Urkunde stehen - selbst wenn sie in der Kooperation den größeren Anteil geleistet hat.

Es geht aber nicht nur um das Heiligtum der Unis, das Promotionsrecht - sondern auch um Geld. Hochschulfinanzierung ist zwar Ländersache, der Bund öffnet aber über Projekte und Sondertöpfe seine Kasse. Insgesamt sind von 2006 bis 2011 aus Berlin 316 Millionen Euro in die Forschung und Lehre an den FHs geflossen, teilte Schavan mit. Ein Plus von 190 Prozent, die Unis hätten in dem Zeitraum nur eine 82-prozentige Erhöhung erhalten.

Speziell die Mittel für das Programm "Forschung an Fachhochschulen" wurden im Vergleich zum Jahr 2005 fast vervierfacht. "Die feindliche Stimmung an den Universitäten ist nachvollziehbar - die Fachhochschulen ziehen Forschungsgeld aus den begrenzten Töpfen ab", heißt es aus Uni-Kreisen. Gerade um das symbolträchtige Promotionsrecht sei ein hartes Ringen zu erwarten.

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