Steinbrücks Bildungsexpertin Karakasoglu:Man nennt es Politik

Yasemin Karakasoglu

Yasemin Karakasoglu, Konrektorin für Interkulturalität und Internationalität an der Universität Bremen

(Foto: dpa)

Sie will die Kompetenzen der Länder beschneiden und zum Wohle von Schulen und Unis die Steuern erhöhen: Steinbrücks Bildungsexpertin Yasemin Karakasoglu hat Umwälzendes vor. Doch die Parteilose hat ihre Kämpfe bislang außerhalb des Polit-Betriebs ausgefochten.

Von Ronen Steinke

Es gab eine Zeit, Ende der Siebzigerjahre in der norddeutschen Provinz, als Mitschüler und Lehrer die Teenagerin Yasemin in einer Ecke abstellten. Als Proletenmädchen, das hinter eine Ladentheke gehöre und nicht in eine Bibliothek. So erzählt sie das. "Keiner hat mir geglaubt, dass ich zu Hause kein Kopftuch tragen muss und auch nicht von meinem Vater unterdrückt werde, zumindest nicht mehr als andere Mädchen."

Später dann, bei der Suche nach einer Studentenwohnung: "Mit einem Namen wie Karakasoglu" (sprich: Karakascholu) "können Sie gleich einpacken", erinnert sie sich. Ihre Mutter ist Deutsche; mit deren Mädchennamen, Renken, hätte sie es vielleicht einfacher gehabt, "natürlich habe ich darüber nachgedacht", sagt sie, "in schwachen Momenten". Und manchmal, wenn wieder ein potenzieller Vermieter den Telefonhörer aufgelegt hatte mit den Worten: "Hören Sie, Frau Karaka. . ., die Wohnung ist schon vergeben", rief sie eine halbe Stunde später noch einmal an und nannte sich Sabine Schmidt. Dann war die Wohnung oft plötzlich wieder frei.

Die Aufgabe, in Peer Steinbrücks "Kompetenzteam" dem Thema Bildung ein Gesicht zu verleihen, hat Yasemin Karakasoglu, 48, erst vor Kurzem übernommen. Sie liest, wenn es heute um ihr politisches Programm geht, noch immer vom Blatt ab. Es ist das erste Mal, dass sie eine Rolle auf der politischen Bühne spielt. Sie strahlt beim Vorlesen. Dabei könnte man diese Sätze, hinter denen eine Überzeugung steckt, die auch aus ihren persönlichen Erfahrungen erwachsen ist, auch mit geballter Faust ausrufen: Die Abschaffung des Kooperationsverbots bei Schulen und Hochschulen zum Beispiel, eine von Karakasoglus zentralen Forderungen, das bedeutet ja übersetzt: einen Griff nach der Macht.

Umwälzende Pläne

Wenn die parteilose Karakasoglu schaffen sollte, was sie sich vorgenommen hat, nämlich im Herbst Bundesbildungsministerin anstelle von Johanna Wanka (CDU) zu werden, dann möchte sie die Reformen der vergangenen Jahre um ein gutes Stück zurückdrehen, mit denen Bildungskompetenzen auf die Länder verteilt wurden. Universitäten und auch Schulen würden es dann wieder öfter mit Berlin zu tun bekommen, mit zentral gesteuerten Integrations- und Förderinitiativen. Und: mit ihr.

Karakasoglu hat ihre bisherigen Kämpfe nicht im politischen Apparat ausgefochten. Das unterscheidet sie von ihrer Kontrahentin Johanna Wanka, einer vormaligen Landesministerin und Fraktionschefin im Landtag.

Der Ort, an dem Karakasoglu groß wurde, ist sogar eher ruhig, ein überschaubarer Siebzigerjahre-Campus. Von den hochschulpolitischen Stürmen der vergangenen Jahre kamen an der Universität Bremen nur vergleichsweise leise Brisen an. Nie mussten Studenten dort gegen die Einführung von Studiengebühren auf die Barrikaden gehen. Stets hatten sie die Politik auf ihrer Seite.

Über die Pädagogik-Professorin Karakasoglu, eine von drei Konrektorinnen, hört man dort Gutes; als fair und umgänglich haben Studentenvertreter sie erlebt, als Gesprächspartnerin ohne Dünkel. Man kann sich vorstellen, wie gut jetzt auch ihre Wahlversprechen bei den Studenten ankommen: Mehr Geld für Unis, mehr Geld auch für die "soziale Dimension des Studiums", wie es in einem SPD-Positionspapier heißt.

Die Frage ist nur: Kann man sich auch vorstellen, wie sie mit 16 Landesministern am Tisch sitzt, bis tief in die Nacht verhandelt - und am Ende als Gewinnerin vom Platz geht, mit einem gewaltigen Pensum an neuen Zuständigkeiten, die sie den Ministern abgetrotzt hat? Denn genau das ist ihr Programm.

Eine, die eher vorprescht, als abzuwarten

In der politischen Arena hat Karakasoglu sich bislang nur als unabhängige Expertin bewegt. In Fragen der Integration beriet sie Politiker aller Couleur, auch CDU-Männer wie Armin Laschet und Roland Koch. Die schickten sie in Expertenkommissionen, wo sie sich hohes Ansehen unter den Kollegen erwarb; als eine, die eher vorprescht, als abzuwarten und zu moderieren, wie es heißt. Mitunter fing sie sich auch Kritik ein - für ihre angeblich zu große Nachsicht gegenüber muslimischen Patriarchen.

Eine Gelegenheit, Durchsetzungskraft im politischen Ring zu zeigen, hat ihr die SPD allerdings bislang nicht geboten. Das bildungspolitische Programm für 2013 kam aus dem Willy-Brandt-Haus - nicht aus der Feder Karakasoglus.

Also fragt man sie zu einem Thema, das die SPD bislang noch nicht entschieden hat: Wie sie denn zur Einführung einer Kita-Pflicht stehe? Karakasoglu hütet sich, das heiße Eisen anzufassen; sie wolle sich erst einmal Zeit nehmen, sagt sie. Zweiter Versuch: Wie sie zu der Debatte um rassistische Begriffe in Kinderbüchern stehe? Zu Hause bei ihren zwei Kindern, so sagt sie, setze sie auf die Kraft des guten Vorbilds, "wir spreche nicht von Negerküssen, wenn wir Schokoküsse meinen". Aber Astrid Lindgren zu zensieren, das gehe dann doch zu weit.

Wenn Yasemin Karakasoglu sich nach der Bundestagswahl daranmachen würde, den Ländern Kompetenzen in Sachen Bildung streitig zu machen, dann würde sie auch mit dem eigenen politischen Lager Kämpfe anfangen müssen. Rote und Grüne in den Ländern sind von den Vorstellungen der Bundes-SPD, die Macht über die Schulen teilweise in Berlin zu bündeln, wenig angetan. Jüngst hat das Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident, der frühere Lehrer Winfried Kretschmann, vorformuliert: Geld aus Berlin nehme man ja gerne, Anweisungen aber nicht.

Und kann man sich vorstellen, wie Karakasoglu einem Bundesfinanzminister gegenübersitzt und 20 Milliarden Euro zusätzliche Bildungsinvestitionen heraushandelt? So viel würde ihr Programm kosten. Die bloße Abschaffung des Betreuungsgeldes, so rechnen sie bei der SPD, würde nur zwei Milliarden davon einbringen. Für die restlichen 18 Milliarden, so sagt Karakasoglu, müsste man eben Steuern erhöhen, was ja nicht zuletzt bedeutet: sich Feinde machen. Man nennt es Politik.

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