Spitzenforschung:Exzellentes Chaos

Wird es künftig noch "Elite"-Universitäten geben? In der Wissenschaftspolitik heißt es: Ja, nein, vielleicht.

Von Johann Osel

Die Weichen sind gestellt, überall herrscht Tatendrang - und dennoch muss die Wissenschaft weiter abwarten, was aus der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern wird. Mit dem 2005 gestarteten Wettbewerb sind bislang fast fünf Milliarden Euro zusätzlich in die Forschung geflossen, die Initiative endet 2017. Im Dezember haben bereits Bund und Länder in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) beschlossen, dass diese Töpfe für Spitzenforschung wieder gefüllt werden. Am vergangenen Freitag tagte die GWK, auch da war der Wettbewerb Thema. Und die geschäftsführenden Vorstände der Bundestagsfraktionen von Union und SPD teilten am Donnerstagabend nach ihrer Klausur in Göttingen mit: Die Exzellenzinitiative soll um zehn Jahre verlängert werden, dafür wolle man insgesamt mindestens vier Milliarden Euro investieren. Die brennende Frage bleibt nur: Wofür? Wer soll profitieren?

Spitzenforschung: München hat gleich zwei Exzellenzhochschulen, eine davon ist die Ludwig-Maximilians-Universität.

München hat gleich zwei Exzellenzhochschulen, eine davon ist die Ludwig-Maximilians-Universität.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Initiative hat bisher drei Bereiche: Die Mittel für exzellente Fachbereiche (Cluster), für Doktorandenschulen sowie als dritte Säule Geld für das "Zukunftskonzept" ganzer Universitäten, landläufig als "Elite"-Unis bekannt. Dieser Zweig hatte die größte öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, aber auch Skepsis. Kritiker rügen die Ausrichtung rein an der Forschungsexzellenz weniger Standorte. Wie erfolgreich die drei Linien sind, soll ein Bericht zeigen, der für Januar 2016 erwartet wird. "Ich hoffe, unser Bericht ist so überzeugend, dass die Politik gar nicht darum herumkommt, ihn ernst zu nehmen", sagte der Chef-Gutachter, der Physiker Dieter Imboden, der Deutschen Universitätszeitung. "Das letzte Wort hat immer die Politik."

Kultusminister Ludwig Spaenle

Ludwig Spaenle (CSU) ist bayerischer Staatsminister für Kultus, Wissenschaft und Kunst.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Die Aussagen, die bisher aus der Politik kommen, sind uneinheitlich. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sagte, sie erwarte "schwierige Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Hochschulen". Auf Anfrage umriss ihr Ministerium grob, was sich Wanka vorstellt. Denkbar sei, dass nicht nur Spitzenforschung, sondern auch Hochschulen mit guter Lehre oder gelungener Kooperation mit der Wirtschaft zum Zuge kommen, womöglich auch Fachhochschulen. Das hatte der Wissenschaftsrat, der die Exzellenzinitiative mitorganisiert, in einem Zukunftsgutachten gefordert. Und die Elite-Unis? Der Vorsitzende des Rates, der Münchner Pisa-Forscher Manfred Prenzel, hatte vergangenen Sommer eine "Denkpause" dafür ins Spiel gebracht. Aus Sicht des Bundesministeriums "ist die bloße Fortschreibung von Förderlinien nicht zielführend". Inwiefern ein Topf für gesamte Standorte noch erwünscht ist in Berlin, blieb offen.

"Bei der Weiterentwicklung dürfen wir nicht komplett fixiert sein auf das bisherige Modell", sagt auch Bayerns Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU), der für die unionsregierten Länder spricht. Allerdings: Ein Spitzenformat, das dem Exzellenzgedanken und dem Wettbewerbsprinzip folgt, sei "unabdingbar", sagte Spaenle der Süddeutschen Zeitung. Das klingt stark nach Exzellenz-Unis, die nur anders heißen oder anders gekürt werden. Womöglich als Exzellenz-Regionen? In München stehen schließlich zwei der elf "Elite"-Unis: die TU und die LMU. "Man kann nicht einfach das Geld mit der Gießkanne ausschütten, wie sich das manche Kollegen offenbar vorstellen", sagte Spaenle. Die Elite-Frage scheint auch die große Koalition in Berlin zu entzweien. Im Göttinger Papier ist die Rede von "Exzellenzstandorten als weltweit führende Zentren der Spitzenforschung mit internationaler Ausstrahlung". Und Michael Kretschmer, der für Bildung zuständige Vize der Unionsfraktion, setzte sich für Elite-Orientierung ein - "damit wir im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe so anziehend sind, dass die Top-Leute zu uns kommen". Hubertus Heil von der SPD, Kretschmers Pendant, verneinte, dass es künftig vor allem um wenige Leuchtturm-Projekte gehe: "Breite und Spitze sollte man nicht gegeneinander ausspielen."

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