Sommerkurse an den Hochschulen:Uni statt Urlaub

Sommeruniversitäten erfreuen sich immer größerer Beliebtheit - sowohl an deutschen Hochschulen als auch im Ausland. Doch die Veranstaltungen sind nicht nur zum Studieren da. Sie bieten eine Menge anderer Vorteile.

Verena Wolff

In den USA heißen sie summer schools und gehören zum Studienjahr dazu - während der langen Semesterferien von Mai bis Ende August besuchen zahlreiche Studenten einzelne Kurse, um Punkte für ihr Studium zu sammeln, schneller ihre Examina abzulegen - oder einfach, um mal ein anderes Fach kennenzulernen. Auch in Deutschland erfreuen sich Sommeruniversitäten seit Jahren großer Beliebtheit.

"Die Zahl der Sommeruniversitäten nimmt von Jahr zu Jahr zu", sagt Stefan Grob, Sprecher des Deutschen Studentenwerks in Berlin. "Das ist ein Trend seit den neunziger Jahren, den viele Hochschulen aufgreifen." Ein "interessantes Format" für Studenten nennt er die Einrichtungen - allerdings steht hierzulande der Begriff gleich für mehrere Arten von Veranstaltungen. Denn es gibt auch zahlreiche Sommeruniversitäten, die sich an Schüler richten.

Eine davon ist die Sommeruniversität in Rinteln. Bereits zum achten Mal kommen Ende Juli Schüler in die niedersächsische Provinz, um im Schnellverfahren das Uni-Leben kennenzulernen und Möglichkeiten für ihre berufliche Zukunft auszuloten. "Die Schüler müssen mindestens 16 Jahre alt sein, ab der zehnten Klasse können sie teilnehmen", sagt Dunja Cordes, die bei der Volkshochschule in Schaumburg die Organisation der einwöchigen Sommeruniversität betreut. Allerdings kämen auch zahlreiche junge Leute, die bereits eine Ausbildung oder den Wehrdienst hinter sich haben und nun nach einem geeigneten Studienplatz suchen.

"Man soll nicht mit falschen Vorstellungen in ein Studium starten", sagt die Organisatorin. Daher haben die Schüler in Rinteln die Möglichkeit, in zahlreiche Fächer hineinzuschnuppern und bei renommierten Dozenten eine Vorlesung zu hören oder an einem Seminar teilzunehmen. Insgesamt sind in dieser Woche etwa hundert Veranstaltungen aus allen gängigen Studienfächern von Jura über technische Fächer bis zu den Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften konzentriert. "Dazu gibt es eine Studienberatung von Dozenten aus acht norddeutschen Universitäten, Fachhochschulen, Akademien sowie von der Agentur für Arbeit." Zwischen 200 und 300 Teilnehmer erwarten die Veranstalter in diesem Jahr im Weserbergland, die Teilnahme kostet mit Übernachtungen und Freizeitprogramm 112 Euro.

Kurztrip ins Ausland

Deutlich mehr Geld müssen Schüler und Studenten einplanen, die eine summer school im Ausland besuchen wollen: "Immer mehr Schüler entscheiden sich, bereits in den letzten Schuljahren amerikanische Uni-Luft zu schnuppern", sagt Alexandra Michel, Geschäftsführerin der Firma College Contact in Münster, die Schülern und Studenten den Weg in die USA ebnet. "Die Zugangsvoraussetzungen sind sehr unterschiedlich", sagt Michel. Die sogenannten Ivy-League-Hochschulen, die Elite-Unis, vergeben ihre Plätze nach ähnlich strengen Kriterien wie bei ihren regulären Studenten.

Die University of California mit ihren angesehenen Studienorten Berkeley oder Los Angeles hat für die summer schools eine "open enrollment policy" - das bedeutet, jeder kann sich bewerben. Auch in Kanada gibt es zahlreiche Hochschulen, die im Sommer ihre Kurse für internationale Studenten und Schüler öffnen. In Großbritannien hingegen werden verstärkt Sprachkurse und Landeskunde-Seminar angeboten. Dort bleiben internationale Teilnehmer oft unter sich, während sie in Nordamerika ganz normale Studenten unter Einheimischen sind.

Wer ins Ausland geht, braucht eine gewissen Vorlaufzeit - denn es sind unter anderem einige formelle Hürden zu nehmen. Für die USA zum Beispiel muss man ein Visum beantragen. Gute Englischkenntnisse sind nachzuweisen, etwa mit dem standardisierten TOEFL-Test, dem "Test of English as a Foreign Language" - manchmal reichen allerdings auch die Englischnoten aus dem Zeugnis. Und es braucht auch seine Zeit, ein Stipendium zu beantragen, so man denn eines haben möchte.

Mit mehreren Tausend Dollar muss man rechnen, für die Reise, die Kursgebühren, für die Unterkunft und das Leben am Studienort. Besonders reisefreudig sind laut Auskunft von College Contact-Geschäftsführerin Michel angehende Wirtschaftswissenschaftler, Historiker und Politikwissenschaftler sowie Studenten, die in die Medien wollen. "Film und Fernsehen sowie Drama und Acting sind in Los Angeles sehr gefragt", sagt Michel. Geringes Interesse an den summer schools bestehe dagegen bei deutschen Studenten der Natur- und Ingenieurwissenschaften. Vielleicht haben sie zu viel zu tun in den Ferien.

Spezielles in Deutschland

Günstiger als im Ausland geht es an den deutschen Sommeruniversitäten zu: Zahlreiche Sommerkurse an der Ludwig-Maximilians-Universität in München etwa werden durch Sponsoren und die Exzellenz-Initiative finanziert, "dadurch sind sie kostenlos für die Teilnehmer", sagt Organisator Kai Wede. Kurse für internationale Studenten werden häufig durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst gefördert. "Im Laufe der Zeit haben sich parallel zu den Sprachkursen auch Sommerakademien entwickelt, die fachspezifische Forschungsthemen zum Inhalt haben und in einem kompakten Zeitraum von meistens vier Wochen ein umfassendes Spektrum an wissenschaftlichen Erkenntnissen vermitteln", sagt Wede. Die Interessenten brauchen mindestens einen Bachelor für die Teilnahme, einige Veranstaltungen richten sich sogar an fertige Master.

Eine ganz spezielle Sommeruniversität findet seit 1998 jedes Jahr in Bremen statt, die Informatica Feminale. "Da pro Studienjahr nur eine Handvoll Informatik-Studentinnen in einzelnen Hochschulen anzutreffen sind, haben wir kaum Möglichkeiten, größere Projekte mit ihnen an einem einzelnen Studienort umzusetzen. Daher verfolgen wir den Weg, möglichst viele dieser Frauen für einige Wochen an einen Ort zu locken - und das mit aktuellsten fachlichen Themen", sagt Veronika Oechtering, wissenschaftliche Leiterin des Kompetenzzentrums Frauen in Naturwissenschaft und Technik der Universität Bremen.

Die Idee ist bereits 1992 entstanden - sechs Jahre später gab es die erste Sommeruni mit 150 Teilnehmerinnen aus allen Ecken Deutschlands. 2001 wurde zusätzlich eine regionale Informatica Feminale als "Schwesterprojekt" in Baden-Württemberg gestartet, auch in Österreich gibt es ein Pendant. "Insgesamt nehmen jährlich 500 bis 600 Frauen an diesen drei Informatik-Sommerunis teil", sagt Oechtering. Hauptzielgruppe sind Informatik-Studentinnen aller Semester und Fachfrauen, die im IT-Bereich arbeiten, aber auch Abiturientinnen. Seit fünf Jahren ist die Informatica Feminale zudem um eine ebenfalls internationale Ingenieurinnen-Sommeruni erweitert."

In diesem Jahr sind mehr als 60 halb- und ganzwöchige Lehrveranstaltungen im Programm mit Fachinhalten der Informatik - Einführungen, Grundlagen und Spezialthemen, dazu Workshops zu Beruf und Karriere. "Das breite Themenspektrum der Lehrveranstaltungen beinhaltet unter anderem Kurse zu Robotik, Netzwerkmonitoring, Mobile Web, Qualitätsmanagement, Softwareentwicklung, Datenbanken, Unix, Projektmanagement, Wissenschaftliches Schreiben, Selbstmarketing und Genderkompetenz." Dozentinnen sind erfahrene Wissenschaftlerinnen und Praktikerinnen aus dem In- und Ausland. "Zusätzlich finden öffentliche Vorträge und Diskussionsrunden im Rahmen einer Ringvorlesung zu aktuellen Themen aus der Informatik statt."

Wie alle Sommerunis und -akademien sind die Programme nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht eine Bereicherung. "Sie sind eine hervorragende Möglichkeit zum Netzwerken", sagt Stefan Grob. Studenten aus anderen deutschen Unis und aus dem Ausland, Dozenten von anderen Instituten und aus der freien Wirtschaft - es gibt zahlreiche Möglichkeiten, interessante Kontakte zu knüpfen.

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