Schule:Wie die Deutschen Auslandsschulen funktionieren

Schule: 2012 besucht Joachim Gauck zur Einweihung eine deutsche Schule im Westjordanland

2012 besucht Joachim Gauck zur Einweihung eine deutsche Schule im Westjordanland

(Foto: AFP)

Wer bezahlt die Schulen? Wie viele Schüler lernen überhaupt im Ausland? Und dürfen sie an den Schulen in Saudi-Arabien oder Iran Weihnachten feiern? Ein Überblick.

Von Matthias Kohlmaier und Christian Gschwendtner

Ob am İstanbul Lisesi die türkische Schulleitung aus eigenem Antrieb oder auf Weisung aus dem Bildungsministerium die Beschäftigung mit Weihnachten im Unterricht verboten hat, ist ungewiss. Warum sie das Verbot nun wieder zurückgenommen hat, ebenso. Vielleicht war ja wirklich alles ein Missverständnis. Klar ist, dass die 35 deutschen Lehrer an der Schule mit deutschen Steuergeldern bezahlt werden. Dürfte sich die Türkei also in die Unterrichtsgestaltung einmischen? Wie funktionieren die Deutschen Auslandsschulen überhaupt?

Die deutsche Sprache fördern, kulturellen Austausch mit dem Gastland betreiben und damit letztendlich den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken: Das sind, etwas verknappt, die Aufgaben der deutschen Bildungspolitik im Ausland. Wahrgenommen werden sie unter anderem von derzeit 140 Deutschen Auslandsschulen rund um den Globus. Etwa 82 000 Kinder lernen dort, wobei nur etwas mehr als ein Viertel von ihnen tatsächlich einen deutschen Pass hat; der Rest sind Schüler mit anderer Nationalität.

Finanziert werden die Schulen zwar teilweise, aber nicht hautpsächlich durch die Abgaben deutscher Steuerzahler. Etwa 70 Prozent ihres Haushaltes erwirtschaften die Auslandsschulen selbst, heißt es vom Weltverband Deutscher Auslandschulen (WDA). Der Großteil stammt aus dem Schulgeld, dass die Schüler entrichten müssen. Dazu kommen verschiedene Drittmittel, etwa Spenden örtlicher Unternehmen und privater Gönner.

Die fehlenden etwa 30 Prozent des Schuletats bezahlt die Bundesrepublik Deutschland, 2015 entstanden dadurch Kosten von 225,75 Millionen Euro. Dazu gehören auch die Gehälter der Lehrkräfte. Die sind hauptsächlich unterteilt in Auslandsdienstlehrkräfte und Bundesprogrammlehrkräfte. Erstere sind deutsche Beamte, die bei ihrem zeitlich begrenzten Aufenthalt im Ausland das gleiche Gehalt bekommen wie ihre Kollegen in Deutschland. Zweitere werden nach im jeweiligen Land gängigen Lehrer-Salär honoriert, bekommen aber zusätzlich eine finanzielle Unterstützung aus Deutschland.

Da Schüler an den Deutschen Auslandsschulen Abschlüsse erreichen können, die auch in Deutschland anerkannt sind, unterscheiden sich die Lehrpläne von denen in deutschen Regelschulen kaum. Wer das Abitur etwa in Südafrika macht, soll später ebenso an einer deutschen Uni studieren dürfen wie der Auslandsabiturient in Australien oder auf den Philippinen.

"Sinn ist ein Miteinander von hiesiger und deutscher Kultur im Unterricht"

Das İstanbul Lisesi wird zwar vom Auswärtigen Amt als Deutsche Auslandsschule anerkannt, ist aber eigentlich ein staatliches türkisches Gymnasium. Es unterhält jedoch eine deutsche Abteilung, an die Deutschland seit Jahrzehnten Lehrkräfte entsendet. Sie untersteht faktisch der türkischen Schulleitung. Diese wird direkt vom Bildungsministerium in Ankara ernannt und ist dessen höchster Vertreter an der Schule.

Die Schule wird nur von türkischen Schülern besucht, die dort aber auch das deutsche Abitur machen können. Dürfen dort Unterrichtsthemen, egal ob nun Weihnachten oder andere Inhalte, auf Weisung der türkischen Schulleitung ausgespart werden? "Die Deutschen Auslandschulen betreiben einen Kulturaustausch und stehen für Offenheit in dem jeweiligen Land. Sinn ist ein Miteinander von hiesiger und deutscher Kultur im Unterricht und in der Wissensvermittlung", sagt Detlef Ernst, Vorstandsvorsitzender des WDA. "Deswegen ist die politische und finanzielle Unterstützung gerade auch in schwierigen Situationen durch die Bundesregierung heute wichtiger denn je."

Der erste Teil dürfte übersetzt in etwa lauten: Verbote von Unterrichtsinhalten, weil diese dem Gastland aus politischen oder religiösen Gründen nicht passen, sind nicht nur nicht erwünscht. In diesem speziellen Fall vertragen sie sich auch nicht mit dem Kulturabkommen zwischen Deutschland und der Türkei. Dessen Sinn ist es unter anderem, "das Verständnis für die Einrichtungen und das soziale Leben des anderen Landes im eigenen Lande zu fördern".

Weihnachten in Teheran

Ähnliche Debatten um ein religiöses Fest, wie sie gerade in der Türkei stattfinden, scheint es in anderen Deutschen Auslandsschulen nicht zu geben. Sowohl in Saudi-Arabien als auch in Iran wird Weihnachten gefeiert, erklären die Schulen auf Anfrage. Einflussnahmen aus ihrem Gastland fürchten sie dabei nicht. "Wir machen uns keine Sorgen", sagt Ali Toutianoush, stellvertretender Leiter der Deutschen Botschaftsschule in Teheran. Einmischung in den Unterricht kennt er nicht. Wie jedes Jahr hat die Schule eine Weihnachtsfeier im großen Hof organisiert. Jede Klasse musste etwas vorbereiten, ein Nikolaus trat auf, auch Weihnachtslieder wurden gesungen. Zum Vorfall am İstanbul Lisesi könne er nichts sagen, erklärt der Vizedirektor. Nur so viel: Die Fortbildungen in Istanbul für die Lehrkräfte seiner Schule seien in diesem Jahr alle längst aufgrund von generellen Sicherheitsbedenken abgesagt worden.

Und das İstanbul Lisesi, an dem Weihnachten nun wohl doch Unterrichtsthema sein darf? Dort wünscht der Leiter der deutschen Abteilung auf der schuleigenen Webseite ein frohes Weihnachtsfest. Dazu ein Bild vom verschneiten Schuldach, im Hintergrund ist die Hagia Sophia zu sehen. Die war einst Kirche, später Moschee und ist nun ein Museum.

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