Schule:Klassentreffen: Von der Abwesenden bis zum Schönling

Nicht zwingend alle Jahre, doch zumindest alle Dekaden wieder steht das Klassentreffen an. Eine Typologie der Ex-Mitschüler.

Von Sarah Schmidt und Matthias Kohlmaier

8 Bilder

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Quelle: Illustration Jessy Asmus/SZ.de

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Die Angeberin

Was macht sie aus?

Ihr superschönes Haus, ihr nagelneuer Wagen, ihre hochintelligenten Kinder, ihr erfolgreicher Mann, ihr talentierter Friseur - kurz gesagt: ihr perfektes Leben. Sie hält den Ex-Mitschülern das Smartphone ("iPhone, neueste Version, toll, ne?! Das gibt es hier in Deutschland eigentlich noch gar nicht ...") unter die Nase, und dann muss man sich Bilder anschauen und "Ahhh" und "Ohhh" sagen zu Urlaub unter Palmen ("Das war das schönste Luxusressort, ever. Und ich kenn' mich in dem Bereich aus ..."), Selfies mit Prominenten ("Genau, der Clooney, den treffen wir regelmäßig bei gemeinsamen Bekannten an der Côte d'Azur ...") und dem Nachwuchs beim Kinder-Model-Casting ("Angelina Evelin hat aber auch wirklich Talent ...").

Das macht sie beruflich:

Das versteht keiner so richtig, es hat aber offenbar mit "Pitches", "High performance" und "Change-Management" zu tun.

Das sagt sie zur Begrüßung:

"Hi! Du, voll witzig. Bei diesem wichtigen Empfang neulich, auf dem ich war, dachte ich erst, ein anderer Gast wärst du gewesen. War dann aber doch jemand anderes ..."

Und das zum Abschied:

"Bussi! Ich muss jetzt gehen. Bin noch auf eine Vernissage in Mailand eingeladen ..."

(Nachdem die Angeberin abgerauscht ist, finden die Verbliebenen auf Google heraus, dass sie den Klempner-Betrieb ihrer Eltern übernommen hat, die Scheidung läuft und die ach so perfekten Kinder als schwer erziehbar vom Internat geflogen sind.)

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Quelle: Illustration Jessy Asmus/SZ.de

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Der Klassenclown

Was macht ihn aus?

Wenn in der Schule ein Furzkissen auf dem Lehrerstuhl rechtzeitig in Position zu bringen war - der Klassenclown war da. Wenn auf der Klassenfahrt ein paar zuvor sorgfältig gefangene Spinnen im Mädchenzimmer ausgesetzt werden mussten - der Klassenclown war da. Und wenn auf der Faschingsparty die Krapfen mit etwas Senf aufgepeppt werden sollten, dann war er natürlich erst recht da. Und so ist er auch heute noch, der Klassenclown - ganz witzig, solange man ihn nicht täglich ertragen muss.

Das macht er beruflich:

Er ist Kundenbetreuer bei einer Krankenkasse und wünscht Kunden gerne fröhlich-gackernd Hals- und Steinbruch. Denn das kann ja Eiter werden!

Das sagt er zur Begrüßung:

"Max, alte Hütte, sind dir die Haare ausgegangen oder war deine Stirn schon immer so lang? Quatsch, ich mach' nur Spaß - echt affenscharf, euch wiederzusehen!"

Und das zum Abschied:

"Wirsing und bis zum nächsten Mal, alle miteinander."

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Quelle: Illustration Jessy Asmus/SZ.de

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Das Mauerblümchen

Was macht es aus?

Mittelscheitel, Pickelchen am Kinn, Nickelbrille, ein unförmiger Pulli von undefinierbarer Farbe und ein kaum vernehmbares Stimmchen - so jedenfalls erinnern sich die ehemaligen Mitschüler an das Mauerblümchen, wenn sie sich denn überhaupt erinnern. Das ist auch der Grund, warum sie die toughe, gut aussehende Frau selbst auf den zweiten Blick nicht erkennen, die ihnen mit strahlendem Lächeln die Hand hinhält. Die Schule war schlicht nicht die geeignete Umgebung für das Mauerblümchen - zwischen Zickencliquen und Pubertätsquerelen. Mit dem Ende der Schulzeit begann die Metamorphose vom schrumpeligen Zwiebelchen zur üppigen Blütenpracht. Im Studium unter Gleichgesinnten konnte das Mauerblümchen durchstarten.

Das macht es beruflich:

Pressesprecherin, Moderatorin, Staatsanwältin - das (Ex-)Mauerblümchen steht im Rampenlicht und setzt sich durch.

Das sagt es zur Begrüßung:

"Die Schulzeit habe ich ja total verdrängt."

Und das zum Abschied:

"Komisch, ihr habt euch irgendwie alle gar nicht verändert."

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Quelle: Illustration Jessy Asmus/SZ.de

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Der Vater

Was macht ihn aus?

In der Schule hat er sich durchgequält mit mehr schlechten als rechten Noten, denn er wollte ja unbedingt das Abi schaffen und Soziale Arbeit studieren. Das hat geklappt - doch dann kam vieles anders als geplant. Denn nach ein paar Wochen traf er sie in der Mensa, Jurastudentin im neunten Semester. Es blieb nicht bei der Mahlzeit aus verkochten Nudeln und fadem Gulasch, ein paar Monate später war die angehende Anwältin schwanger. Und weil sie Karriere machen wollte, hat er sein Studium geschmissen und sich hauptamtlich um die Tochter gekümmert, die mittlerweile noch ein Brüderchen bekommen hat.

Das macht er beruflich:

Windeln wechseln, Essen kochen, auf Spielplätzen mit Müttern über das Pro und Contra rektalen Fiebermessens bei Kleinkindern diskutieren (er ist dafür, weil es einfach die präziseste Methode ist)

Das sagt er zur Begrüßung:

"Bitte entschuldigt das fleckige Hemd. Malte hat das Erbsenpüree wohl nicht vertragen, und ich war eh schon spät dran."

Und das zum Abschied:

"Ich muss dann mal, Jule hat doch morgen in aller Herrgottsfrüh einen Turnwettkampf."

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Quelle: Illustration Jessy Asmus/SZ.de

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Die Abwesende

Was macht sie aus?

Klassentreffen, was soll der Blödsinn überhaupt, fragt sie sich schon seit Jahren. Warum sollte sie sich mit den Langweilern, mit denen sie vor 15 Jahren schon nichts zu tun haben wollte, heute an einen Tisch setzen und einen Abend lang öde Geschichten von früher aufwärmen? Nein, nein, das können die Flachpfeifen gern alleine machen, sie hat in ihrer Freizeit wirklich Besseres zu tun. (Was sie nicht davon abhält, sich am Morgen nach dem Treffen durch jedes einzelne dort entstandene Foto zu klicken und dabei gelegentlich versonnen zu lächeln.)

Das macht sie beruflich:

Sie ist sehr erfolgreiche Pathologin. Bei dieser Art des zwischenmenschlichen Kontakts muss sie wenigstens keine ermüdenden Gespräche führen.

Das sagt sie zur Begrüßung:

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Und das zum Abschied:

Bei Facebook liket sie ein Foto des Abends, das der ehemalige Klassensprecher gepostet hat - findet das aber dann doch doof und löscht es zwanzig Minuten später wieder.

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Quelle: Illustration Jessy Asmus/SZ.de

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Der Streber

Was macht ihn aus?

Diese überkorrekte, spaßbefreite Besserwisser-Art, die der Streber in all den Jahren nicht abgelegt, sondern im Gegenteil noch perfektioniert hat. Schon in der Schule war er derjenige, der nicht einfach nur gute Noten hatte, sondern auch dem Lehrer die Aktentasche hinterhergetragen hat. Stilecht im Strickpullunder ("Ist das wirklich immer noch derselbe?", tuscheln die anderen), die Haltung kerzengrade, eine Längsfalte hat sich eingegraben über der Nase (vom vielen Stirnrunzeln). "Irre, als wäre der nie hier rausgekommen", lästern die ehemaligen Mitschülerinnen - ohne zu ahnen, wie recht sie damit haben. Denn ...

Das macht er beruflich:

... der Streber ist seit Jahren selbst Lehrer an der alten Schule.

Das sagt er zur Begrüßung:

"Also auf dem Gehweg vor dem Schultor darf man immer noch nicht parken."

Und das zum Abschied:

"Da muss ich dich korrigieren: Es heißt 'wegen des Unterrichts' und nicht 'wegen dem Unterricht'."

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Quelle: Illustration Jessy Asmus/SZ.de

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Die Sitzenbleiberin

Was macht sie aus?

Während der Pubertät hatte sie mit Schule recht wenig am Hut, davor umso mehr mit Partys, Jungs und Alkohol. Dass sie die Neunte zweimal machen musste, war daher nur folgerichtig - und ein absoluter Glücksfall. Als Klassenälteste war sie schnell die Mami für alle und hat das Trinken und Feiern bald auf Normalmaß heruntergefahren. Schließlich hat sie auch gerade noch rechtzeitig eingesehen, dass Schule ja gar nicht so ätzend ist, wenn man sich ein bisschen mit dem Kram beschäftigt.

Das macht sie beruflich:

Erst wollte sie selbst Lehrerin werden, hat sich dann aber für eine Karriere im Jugendamt entschieden. Dort berät sie Familien mit Problemkindern.

Das sagt sie zur Begrüßung:

"Wie, du hast schon zwei Kinder? Dabei kommt es mir wie gestern vor, als wir bei einer Vanillemilch vom Pausenstand über deinen schrecklichen Liebeskummer geredet haben."

Und das zum Abschied:

"Klar, in dem Alter sind sie schon gern mal etwas widerspenstig. Hier ist meine Nummer von der Arbeit. Ruf gerne an, wenn ihr Hilfe braucht."

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Quelle: Illustration Jessy Asmus/SZ.de

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Der Schönling

Was macht ihn aus?

Gut aussehend, sportlich und Sänger einer Band: Von der Einschulung bis zum Abiball wurde der Schönling von den Mädchen angehimmelt und von den Jungen bewundert. "Dieses Lächeln", "diese Haare", "dieser Torschuss" seufzen die ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler noch immer verzückt, wenn sie an den Schönling denken. Doch als sie ihn nach all den Jahren wiedersehen, klappt ihnen die Kinnlade herunter: Statt knackigem Bizeps trägt der Schönling jetzt eine amtliche Plauze und die einst wallende Mähne umrahmt schütter den kahlen Oberkopf. Am Ego des Schönlings sind diese Veränderungen aber spurlos vorübergegangen - das Hemd trägt er weiterhin bis knapp über den Bauchnabel offen und das Macho-Gehabe ist auch immer noch dasselbe.

Das macht er beruflich:

Nachdem sowohl die Karrieren als Profifußballer ( "Das Knie ...") wie auch als Rockstar ("Die Arbeitszeiten ...") gescheitert sind, hat der Schönling eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker gemacht.

Das sagt er zur Begrüßung:

"Oh là là, wen haben wir denn da?"

Und das zum Abschied:

"Wie, du willst schon heim? Ich dachte, wir machen uns noch einen netten Abend. Früher warst du ja nicht so spießig."

© SZ.de/mkoh/sks/mane
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