Schule:Handys an, Klassenarbeit!

Handy im Unterricht

Eine Berliner Schülerin hält im Unterricht ein Handy in den Händen.

(Foto: dpa)

In Frankreich sollen Smartphones aus der Schule verbannt werden. Ein Fehler, denn ein sinnvoller Umgang mit den Geräten muss im Unterricht vorgelebt werden.

Kommentar von Dirk von Gehlen

Das Smartphone ist nicht das Problem. Das Problem ist unser Umgang damit. Auf diese einfache Formel lässt sich die Kritik an den Plänen bringen, von denen der Guardian dieser Tage aus Paris berichtet: Der französische Bildungsminister Jean-Michel Blanquer plant ein Handyverbot an den Grund- und Mittelschulen des Landes. Schülerinnen und Schüler von sechs bis 15 Jahren solle es ab September 2018 grundsätzlich untersagt sein, Mobiltelefone im schulischen Umfeld in die Hand zu nehmen - auch nicht während der Pausen.

Es ist die Rede von Kisten und Schränken, in die die Geräte während der Schulzeit gesperrt werden sollen. Ziel dieser Aktion solle eine Botschaft der öffentlichen Gesundheit an die Familien sein, zitiert der Guardian den Minister. "Es ist gut, wenn Schüler nicht zu viel oder am besten gar keine Zeit vor dem Bildschirm verbringen - bis sie sieben Jahre alt sind."

Das erscheint einigen vielleicht im ersten Moment vernünftig. Man sieht schon all jene Köpfe zustimmend nicken, die ohnehin Zweifel an den digitalen Begleitern haben. Aber spätestens wenn man sich die Frage stellt, wie dieses Verbot praktisch umgesetzt werden soll, stößt der Plan an seine Grenzen. 93 Prozent der Franzosen zwischen zwölf und 17 Jahren besitzen ein eigenes Mobiltelefon. Lehrer- und Eltern-Verbände äußern Zweifel an der Praktikabilität des Verbots und Schülerinnen und Schüler schütteln öffentlich den Kopf. "Das kann nicht klappen", heißt es - und man muss ergänzen: Man sollte es auch gar nicht erst probieren, es ist nämlich kontraproduktiv.

Blanquers Ansatz basiert auf einem auch in Deutschland populären Irrtum, die Ursache für Probleme im Umgang mit den Handys in den Geräten zu suchen. Schnell wird das Smartphone dabei als Suchtmittel beschrieben und mit Drogen verglichen. So wunderte sich in Deutschland niemand, dass eine Studie zur Handynutzung im Sommer nicht von der Bildungsministerin vorstellt wurde, sondern von der Drogenbeauftragten.

Mobiltelefone aber sind keine Drogen, die per se abhängig machen, sondern Werkzeuge, deren Handhabung die Gesellschaft in Deutschland wie in Frankreich noch nicht gelernt hat. Dies gelingt wiederum aber nur durch stetes Training. Dafür benötigt man Vorbilder, die zeigen und vorleben, wie man die Geräte sinnvoll einsetzt, wann man sie weglegt und welche Tricks man für einen sachgerechten Umgang kennen sollte. All das liefert die Drogenbeauftragte nicht - wie auch? Und die vorsichtigen Ansätze, die es zum Beispiel durch Projekte wie Digitale Helden gibt, werden durch Verbotspläne im Keim erstickt. Denn wenn die Geräte gar nicht mehr vorhanden sind, kann man den Umgang mit ihnen eben auch nicht mehr lernen.

Dabei liegt natürlich genau hier der zweite Irrtum. Nur weil ein Politiker sie verbannen will, verschwinden die Smartphones ja nicht aus dem schulischen Umfeld. Nach dieser Logik würde ein Problem sich genau dann lösen, wenn man die Augen davor verschließt. Das ist schon grundsätzlich ein wenig glaubwürdiger Politikansatz, da es aber um Schülerinnen und Schüler geht, ist es zudem auch noch ein äußerst schlechtes Vorbild.

Schüler brauchen digitale Vorbilder

Um das unbestrittene Problem im Umgang mit den Smartphones zu lösen, brauchen französische wie deutsche Schulen ein genaues Hin- und kein Wegschauen. Lehrer und Eltern müssen zu digitalen Vorbildern werden, die digitale Mündigkeit im Umgang mit den Geräten vorleben. Als solche können sie dann sogar das Gegenteil von dem umsetzen, was der französische Bildungsminister jetzt plant: Sie können die verächtlich als "Bildschirme" titulierten Supercomputer zum Bestandteil des Unterrichts machen. Das darf kein Selbstzweck werden, sondern muss im sinnvollen wie richtig dosierten Einsatz die Möglichkeiten aufzeigen, die die Digitalisierung bietet. Nur so kann Schule mehr sein als die Wiederholung dessen, was richtig war als die Lehrerinnen und Lehrer jung waren.

Eine gute Schule sollte Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, lebenstüchtig und selbständig Probleme zu lösen - gerade dann, wenn die Generation der Eltern sie für unlösbar hält. Ein Smartphoneverbot hilft dabei in keiner Weise auf dem Weg zu einem gesunden Umgang mit den Bildschirmen. Es macht diese im Gegenteil auf eine irrige Weise zusätzlich interessant.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: