Schule:Dschungelcamp statt Unterricht - Lehrerin verurteilt

Fortsetzung im Prozess um Krankschreibung

Nach dem Dschungel vor Gericht: Die Mutter der ehemaligen Camp-Bewohnerin Nathalie Volk.

(Foto: Philipp Schulze/dpa)
  • Eine Lehrerin begleitete ihre Tochter ins RTL-Dschungelcamp - und ließ sich dafür krankschreiben.
  • Ein Fernsehzuschauer zeigte die Frau an, nun hat sie ein Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt.

Von Thomas Hahn, Soltau

Ein Wesen aus einer anderen Welt sitzt vor Saal zwölf im Amtsgericht von Soltau. Nathalie Volk wirkt im Flur des nüchternen Justizgebäudes wie eine Märchenprinzessin, die sich in den falschen Film verirrt hat. Und im Grunde ist es ja auch so: Nathalie Volk, 20, von Beruf Model und Glamour-Mädchen, wäre an diesem warmen Frühlingsdonnerstag sicher lieber woanders hingegangen als ins Amtsgericht ihres Jugendwohnorts Soltau zum Prozess gegen ihre Mutter, die für sie, die Märchenprinzessin, ein unrichtiges Gesundheitszeugnis benutzt haben soll.

Aber jetzt sitzt Nathalie Volk dort in ihrem schicken Gewand mit rotem Blazer und einer Art Tüll-Röckchen und schaut hinter großen Sonnenbrillengläsern ins Leere. Am Vormittag hat sie als Zeugin ausgesagt. Nun wartet sie auf das Urteil der Richterin. Muss die Mutter ins Gefängnis, weil sie die Tochter zu deren Einsatz im Dschungel-Camp des Fernsehsenders RTL nach Australien begleitete, statt ihren Job als Mathematik- und Physik-Lehrerin am Gymnasium Soltau zu versehen?

Sie muss nicht ins Gefängnis, das war die gute Nachricht für die Familie Volk. Sogar der Staatsanwalt war nach der Beweisaufnahme der Meinung, dass eine Geldstrafe - die das Gericht dann auch verhängte - ausreichend sei. Die Amtsrichterin sprach die Lehrerin schuldig, ein unrichtiges Gesundheitszeugnis verwendet zu haben für die Australien-Reise im Januar 2016, und verurteilte sie zu einer Zahlung von 140 Tagessätzen zu je 70 Euro.

Der Fall kam durch die Anzeige eines Fernsehzuschauers aus Hannover auf. Er veranlasste Niedersachsens Schulbehörde, die Lehrerin zu suspendieren. Und er hat ein ziemliches Medienecho hervorgerufen.

Das lag natürlich an Nathalie Volk, die nach ihrem vierten Platz bei der Casting-Show "Germany's Next Topmodel" in der Saison 2013/14 eine beachtliche Karriere als Sternchen gemacht hat. Die Boulevard-Medien sind sehr an ihr interessiert. Dass sie indirekt betroffen war von diesem Rechtsstreit, brachte neue Schlagzeilen - und sogar interessante Fotos: Als Nathalie Volk zum ersten der zwei Prozesstage erschien, posierte sie auf der Treppe des Justizgebäudes mit gutem Instinkt für den richtigen Kameramoment. Ein Hauch von großer weiter Welt flutete den Eingangsbereich des Soltauer Amtsgerichts.

"Mir ist aufgefallen, dass sie ein bisschen dicker geworden ist"

Neben den Qualitäten der Nathalie Volk als fotogener Boulevard-Liebling hat dieser kurze Prozess von Soltau aber noch eine tiefere Erkenntnis hervorgebracht. Er ist ein Lehrstück darüber gewesen, was passiert, wenn Scheinwelt auf Alltagswelt trifft. Schuldienst und Dienst an der Fernsehunterhaltung passen einfach nicht zusammen, das haben die Volks zu spüren bekommen. Seit Herbst 2015 wusste Nathalie Volk, dass sie für die folgende Staffel der Reality-Show "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" gesetzt war. Dass ihre Mutter sie begleiten sollte, war da auch schon klar - so hat Nathalie Volk das vor Gericht selbst ausgesagt. "Meine Mutter ist immer meine erste Wahl", erklärte sie. Sie betrachtet sie als eine Art Managerin, die Mutter helfe ihr etwa bei Interview-Anfragen.

Aber früh war klar, dass der Direktor des Gymnasiums Soltau den Antrag auf Sonderurlaub wohl nicht genehmigen würde. So kam es dann auch. Die Begründung dafür war so klar wie humorlos: Dienstliche Belange sprächen gegen die Reise. Und wer eine entfernte Ahnung davon hat, wie komplex die Aufgabe von Schulleitern ist, trotz krankheitsbedingten Ausfällen und anderen Verschiebungen im Kollegium den Unterrichtsbetrieb am Laufen zu halten, der kann nachvollziehen, dass eine Reise ins Reich der Dschungelcamper kein guter Grund ist für einen Sonderurlaub.

Anfang Januar 2016, kurz vor der Abreise nach Australien, die schon seit geraumer Zeit feststand, muss die Mutter von Nathalie Volk dann eine schwerere gesundheitliche Krise erlitten haben. So berichteten es im Zeugenstand deren Ex-Mann, Nathalie Volks Vater, und Nathalie Volk selbst. Sie habe schon vorher nicht mehr gut mit der Mutter sprechen können: "Weil sie so erschöpft war. Und sie hatte es mit dem Alkohol übertrieben", sagte Nathalie Volk. Vor einem nachweihnachtlichen Treffen mit dem Vater muss es der Mutter dann plötzlich sehr schlecht gegangen sein. "Sie bekam so eine komische Schnappatmung", sagte Nathalie Volk - und musste erst mal innehalten. Von den genauen Symptomen sollte die Öffentlichkeit nichts erfahren. Die zahlreichen Zuhörer im Saal 12 mussten kurz raus.

Zwei Ärzte untersuchten die Mutter und schrieben sie krank. Wobei erst das zweite Attest eine mehrwöchige Pause wegen Burn-outs vorsah. Am 8. Januar startete der Flieger von Hannover Richtung Brisbane mit der Lehrerin. Nathalie Volk sagte, sie habe ihre Mutter in ihrem Zustand nicht alleine zurücklassen wollen. In Australien habe sie sich erholt. "Ein bisschen durchbluteter" sei sie ihr vorgekommen am Ende der Zeit, später sagte sie: "Mir ist aufgefallen, dass sie ein bisschen dicker geworden ist." Sie lachte.

Aber das Gericht hat die Geschichte nicht ganz geglaubt. Krank sei die Lehrerin wohl schon gewesen, aber: "Der Zustand war nicht so dramatisch." Der Umstand, dass die Reise schon feststand, bevor geklärt war, ob die Schulleitung den Sonderurlaub genehmigen würde, bestärkte die Richterin in ihrem Urteil. Sie nannte des Vorgehen "einigermaßen dreist".

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