Rückschulung:"Meine Schrift mit links ist deutlich schöner"

Die Rückschulung vom erzwungenen Schreiben mit rechts ist eine große Umstellung. Doch es lohnt sich.

Interview von Matthias Kohlmaier

Noch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in Deutschland viele linkshändige Kinder von Lehrkräften oder Eltern dazu gezwungen, das Schreiben mit der rechten Hand zu lernen. So auch die heute 46-jährige Bianca Bürk. Die Friseurin wollte irgendwann etwas gegen ihre Schreibprobleme tun und absolviert seit einem Jahr eine Rückschulung. Dort lernt sie unter professioneller Anleitung das Schreiben mit der linken Hand.

SZ: Frau Bürk, warum haben Sie nicht von Anfang an mit links geschrieben?

Bianca Bürk: Das ging von meiner Mutter aus, sie hat mich damals umgeschult. Wenn ich im Alter von etwa fünf Jahren etwas gemalt habe, hat sie immer gesagt, ich solle das doch mit der guten Hand machen, die linke wäre böse und unnatürlich. Dann habe ich das eben so gemacht.

Welche Probleme tauchten dann auf?

In der Schule war meine Schrift von Beginn an viel unordentlicher als die meiner Mitschüler. Ich habe mich zwar sehr bemüht, habe das aber einfach nie so schön hingebracht wie die anderen. Das kleine l zum Beispiel konnte ich gar nicht schreiben. Als das dann mal in einer Hausaufgabe gefordert war, hat meine Mutter mir den Buchstaben mit Bleistift ganz oft vorgeschrieben, und ich habe jeden nachgekritzelt, so gut es eben ging. Von den Lehrern hat sich aber keiner darum gekümmert. Ich bin in der Schule einfach mit durchgeschleppt worden.

Haben Sie an diese Zeit und an Ihre Mutter wieder gedacht, als Sie sich für die Rückschulung entschieden haben?

Das klingt etwas komisch, aber ich hatte kurz ein schlechtes Gewissen. Da war das Gefühl, die ganze Mühe meiner Mutter mit Füßen zu treten, weil ich 40 Jahre später doch anfange, mit links zu schreiben. Mir ist aber schnell klar geworden, dass sie sich diese Mühe gar nicht hätte machen brauchen und mich einfach von Beginn an mit meiner natürlichen Hand hätte schreiben lassen sollen.

Warum haben Sie beschlossen, doch noch mit links schreiben zu wollen?

Ich habe mein Leben lang manche Buchstaben oder Zahlen fast gar nicht schreiben können mit rechts, zum Beispiel das B oder die 3. Auch sonst war meine Schrift immer eine Katastrophe. Das wollte ich irgendwann nicht mehr akzeptieren und habe beschlossen, eine Rückschulung zu machen. So schwierig könnte das ja nicht sein, habe ich mir gedacht, ich mache schließlich außer dem Schreiben schon immer fast alle Dinge des täglichen Lebens mit links.

Und wie schwierig war es dann?

Na ja, es klappte nicht von heute auf morgen. Aber mittlerweile arbeite ich seit gut einem Jahr daran, und es wird immer besser und leserlicher. Ich habe das Umlernen auch nie als Belastung empfunden.

Wie funktioniert eine solche Rückschulung für jemanden, der so lange mit der falschen Hand geschrieben hat?

Das ganze Programm dauert zwei Jahre. Zu Beginn ist es vergleichbar mit dem Lernen in der Grundschule: Nachspurübungen von Formen und Buchstabenanbindungen, dann einzelne Buchstaben selbst schreiben, später den eigenen Namen. Einmal pro Monat lasse ich in der Linkshänderberatungsstelle von Frau Sattler meine Haltung kontrollieren und ob ich den Stift richtig halte.

Kommen Sie manchmal durcheinander?

Gerade am Anfang durfte ich nicht zu viel schreiben, damit der Kopf bei der Veränderung mitkam. Aber inzwischen habe ich schon die Buchstabenanbindungen geschafft und schreibe in Schreibschrift. Und meine Schrift mit links ist jetzt schon deutlich schöner, als es die mit rechts je war.

Nehmen Sie trotzdem noch gelegentlich den Stift in die rechte Hand?

Im Beruf manchmal. Ich bin Friseurin, und wenn ich mal schnell etwas in den Terminkalender schreiben muss, mache ich das mit rechts. Da bin ich mit links noch zu langsam. Auch meine Unterschrift bekomme ich noch nicht hin. Trotzdem war die Entscheidung für die Rückschulung richtig. Es fühlt sich für mich gut und natürlich an, mit der linken Hand zu schreiben.

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