Privatschulen in Brandenburg:Unmut in der Uckermark

  • Mehrere neue Bundesländer wollten zuletzt die Mittel für die Privatschulen kürzen - jedoch hat die Regelung einzig in Brandenburg Bestand.
  • Für das brandenburgische Privatschulwesen sind die finanziellen Einbußen teilweise existenzgefährdend.

Von Carsten Janke

Es saßen schon Lehrer weinend vor ihm. Die Einsparungen seien schnell "auf die Knochen der Kollegen" gegangen, sagt Axel Kalhorn von der Freien Schule in Angermünde. "Sie spüren die Ungleichbehandlung." Seit zwei Jahren gibt es in Brandenburg weniger Geld für die Privatschulen. Das Schulgeld konnte die Freie Schule Angermünde nicht mehr erhöhen und die Lehrergehälter seien schon niedriger, als es das Gesetz erlaubt. "Also mussten wir mehr Kinder aufnehmen", sagt Kalhorn, sonst hätte die Freie Schule im Süden der Uckermark die Kürzungen nicht überlebt. In Brandenburg wurden 2011 Einsparungen bei den Privatschulen in Millionenhöhe beschlossen - und kürzlich wurden diese vom Verfassungsgericht bestätigt.

Sogar die Kläger empfanden das Urteil als "krachende Niederlage" für die Privatschulen. Der zuständige Bildungsminister Günter Baaske (SPD) formulierte diplomatisch, man freue sich zwar über das Urteil, sehe aber in den Privatschulen dennoch einen "wichtigen Bestandteil unserer Bildungslandschaft". Wenn man sich allerdings an den Privatschulen umhört, dann sagen die meisten: Jetzt geht es bergab.

Enormer Protest

Dabei ist das ganz große Hauen und Stechen in der Angelegenheit ausgeblieben. Eigentlich wollten vier neue Bundesländer zuletzt ihre Mittel für die Privatschulen kürzen. Man argumentierte, der Osten Deutschlands sei inzwischen gleichauf bei der Schulvielfalt, die Kassen seien knapp und der Länderfinanzausgleich ja ein Auslaufmodell. Doch der Protest war enorm: Mecklenburg-Vorpommern nahm nach massivem Widerstand sein Privatschulgesetz zurück, Sachsen und Thüringen verloren vor Gericht und müssen nun ebenfalls ihre Regeln korrigieren. Zuletzt schlug sich überraschend die Fraktion der im Land Berlin regierenden SPD auf die Seite der Privatschulen. Diese würden nun auch am Bonusprogramm für Brennpunkt-Schulen beteiligt, hieß es.

Nur in Brandenburg, da weht offenbar ein anderer Wind. Die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Klar ist, dass der Staat nach einer Probezeit einen Großteil der anfallenden Kosten übernimmt. Dafür gelten für die Privatschulen dieselben Vorgaben wie für staatliche Schulen, was Lehrplan und Lehrerbezahlung angeht. Unter dem Strich ist das kein schlechter Deal für die Länder: Weil Privatschulen meist Schulgeld erheben und von ihren Trägern mitfinanziert werden, sparen die Länder zwischen fünf und 15 Prozent im Vergleich zu einer staatlichen Schule. Wer wissen will, wie die Privatschulen in den einzelnen Bundesländern gefördert werden, gerät in einen verwirrenden Dschungel aus Regelungen und Gesetzen. Während Nordrhein-Westfalen etwa freiwillig auf die Erhebung von Schulgeld verzichtet und Privatschulen von Anfang an fördert, gibt es in Bayern Schulgeld und eine Wartezeit von bis zu sechs Jahren, in denen keine Hilfe fließt.

Drei Jahre müssen in Brandenburg die Schulen auf die ersten Zuschüsse warten. Auch deshalb hat das Bundesland seit der Wende im Bereich der Privatschulen enorm aufgeholt. Eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung der privaten Schulen spielte hier zum Beispiel die evangelische Kirche. "Dieser Boom ist in jedem Fall vorbei", glaubt Irene Petrovic-Wettstädt, die Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Freie Schulen in Brandenburg. Auf 14,3 Millionen Euro belaufen sich in diesem Jahr die Kürzungen, allein an der Freien Schule in Angermünde werden es 60 000 Euro sein - mehr als fünf Prozent des Gesamtetats.

Die Brandenburger Verfassungsrichter sahen in solchen Regelungen keinen Verstoß gegen geltendes Recht, solang nicht die Existenz des Privatschulwesens insgesamt gefährdet sei. In Sachsen sahen das die Verfassungsrichter anders: Eine mehrjährige Wartezeit ohne staatliche Hilfen verhindere Schulgründungen und sei deshalb nicht gesetzeskonform.

"Was unterscheidet uns dann noch von den staatlichen Schulen?"

Dass das Land Brandenburg von seinem Weg jetzt noch einmal abweicht, ist unwahrscheinlich. Die Regierung in Potsdam muss vor allem wegen der demografischen Entwicklung auch auf die Kosten von Schulen achten. Wo es nicht genügend Schüler gibt, dort steigen die Kosten pro Schüler besonders an, erklärt der Bildungsexperte Professor Manfred Weiß: "Die demografischen Lücken und die Konkurrenz der Privatschulen haben das Land in den letzten Jahren gezwungen, eine flexiblere Schulpolitik zu fahren und auch kleinere staatliche Schulen aufrechtzuerhalten. Das erhöht natürlich die Kosten." Fast wirkt es so, als seien die Privatschulen in Brandenburg Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden.

Auch nach Ansicht von Bildungsforscher Weiß ist der Boom der Privatschulen im Osten vorbei. Bundesweit dürfte er allerdings eher noch an Fahrt gewinnen, da die Bildungsvorstellungen der Eltern immer konkreter würden. Die Frage sei jetzt, wie der Gesetzgeber darauf reagiere. Die Privatschulen reagierten, indem sie das Angebot reduzieren, befürchtet Irene Petrovic-Wettstädt: "Aber wenn man dieses Innovationspotenzial bei den Privatschulen kürzt und gleichzeitig die Schülerzahlen erhöht, was unterscheidet uns dann noch von den staatlichen Schulen?"

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