Pisa-Studie:Jeder fünfte Schüler ist im Alltag abgehängt

Wie bediene ich einen unbekannten Fahrkartenautomaten? Mit solchen alltäglichen Herausforderungen haben in Deutschland nach aktuellen Pisa-Ergebnissen 20 Prozent der Schüler Schwierigkeiten. Die Studie legt nahe, dass deutsche Schulen die Jugendlichen nicht optimal auf das Leben vorbereiten.

Von Karin Janker

Sie stehen vor einem Fahrkartenautomat in einer fremden Stadt. Per Touchscreen können Sie auswählen, ob Sie U-Bahn oder Regionalzug fahren wollen, ob Sie Vollpreis oder ermäßigten Preis zahlen und ob es eine Tageskarte oder eine Streifenkarte sein soll. Die Pisa-Aufgabe zu dieser Situation lautet: "Du planst, heute vier Fahrten mit der U-Bahn quer durch die Stadt zu machen. Du bist Schüler/in, daher kannst du den ermäßigten Fahrpreis in Anspruch nehmen. Verwende den Fahrkartenautomaten, um die billigste Fahrkarte auszuwählen und klicke dann auf KAUFEN."

In alltäglichen Situationen wie dieser sollten 15-Jährige in der 2012 durchgeführten Pisa-Studie ihre Fähigkeit zum Problemlösen unter Beweis stellen (Diese und weitere Testfragen finden Sie hier.) Die Ergebnisse erschrecken: Jeder fünfte Schüler in Deutschland scheitert an solchen Aufgaben. Fast 20 Prozent der deutschen Schüler erreichen das Basisniveau nicht und verfügen damit laut Pisa-Bericht nicht über "die grundlegenden Problemlösekompetenzen, die in der Welt von heute für ein erfolgreiches Leben unerlässlich sind". In Japan und Korea liegt der Anteil der Schüler unter Basisniveau bei weniger als sieben Prozent.

Schulleistung nicht identisch mit Kompetenz bei Alltagsproblemen

Dabei war Ende vergangenen Jahres die Erleichterung groß über die Ergebnisse der jüngsten Pisa-Studie: Deutschland hatte in den Fächern Mathematik, Naturwissenschaften und in der Lesekompetenz deutlich aufgeholt im Vergleich zum Jahr 2000.

Doch - das betont der aktuelle Bericht - die Leistungen beim Lösen von Problemen des realen Lebens sind nicht unbedingt identisch mit den schulischen Leistungen. In Ländern wie Korea, Japan oder den USA schneiden die Schüler beim Problemlösen besser ab als man angesichts ihrer schulischen Leistungen erwarten würde. Deutschland dagegen liegt hier unter dem OECD-Durchschnitt: Die Problemlösekompetenz deutscher Schüler erfüllt die Erwartungen verglichen mit den schulischen Leistungen nicht; der Stoff, der in deutschen Schulen vermittelt wird, dient nicht unbedingt dazu, die Schüler auf komplexe Probleme des realen Lebens vorzubereiten.

Jungen häufiger in der Spitzengruppe als Mädchen

Während die deutschen Jugendlichen bei ihren schulischen Leistungen zwar aufgeholt haben, fehlt jedem Fünften die Fähigkeit, das Wissen auf Aufgaben zu übertragen, denen er im Unterricht nicht begegnet, und Schlussfolgerungen außerhalb des schulischen Kontextes zu ziehen.

Im Gesamtdurchschnitt liegen die Schülerinnen und Schüler in Deutschland mit ihren Leistungen im kreativen Problemlösen insgesamt dennoch leicht über dem OECD-Schnitt, was unter anderem daran liegt, dass den 20 Prozent schwachen Schülern eine Spitzengruppe von 13 Prozent sehr guten Problemlösern gegenübersteht. Beim Blick auf die besten Problemlöser unter den 15-Jährigen fällt auf, dass Jungen in Deutschland in der Spitzengruppe häufiger vertreten sind als Mädchen. So kommen auf zwei Mädchen, die sehr gut beim kreativen Problemlösen abschneiden, drei Jungen. Deutlich unterdurchschnittlich vorbereitet auf die Herausforderungen des Alltags erscheinen laut der Studie Kinder mit Migrationshintergrund.

Insgesamt nahmen etwa 85 000 Schüler aus 44 Ländern an dem computerbasierten Test zur Problemlösekompetenz teil, aus Deutschland insgesamt 1350 Schüler. Im Spitzenfeld der Studie liegen wie schon bei den normalen Pisa-Tests, ostasiatische Staaten, nämlich Singapur, Korea und Japan, in Europa stehen die Finnen auf Platz eins. (Hier finden Sie eine interaktive Karte mit den Länderergebnissen im Vergleich).

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: