Pisa 2015:Die Pisa-Studie in acht Grafiken

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Jungs sind besser in Mathe und Naturwissenschaften, Mädchen in Sprachen: Was kann man dagegen tun?

(Foto: imago/Westend61)

Wie unterscheiden sich die Leistungen von Jungen und Mädchen? Und wo gibt es die meisten Schulschwänzer?

Von Sarah Schmidt, Katharina Brunner und Matthias Kohlmaier

Naturwissenschaften

15 Punkte verloren innerhalb von drei Jahren, ein Debakel für Deutschlands Schüler in den Naturwissenschaften! So oder ähnlich könnte motzen, wer die Daten der aktuellen Pisa-Studie sieht. Dabei zeigt die Kurve: Im OECD-Raum blieb der Mittelwert in Naturwissenschaften von 2000 bis 2012 konstant, während Deutschland sich massiv steigerte. Seit der letzten Erhebung ist der Wert Deutschlands wie auch der OECD-Durchschnitt etwas gesunken. Deutschland steht mit der Entwicklung also nicht alleine.

Zudem lohnt der Blick auf Pisa 2006. Auch damals lag der Fokus auf den Naturwissenschaften und bedenkt man die Regeln der Statistik, lässt sich sagen: Deutschlands aktuelle Werte haben sich im Vergleich mit 2006 nicht wesentlich verändert.

Das heißt aber auch: Eine Verbesserung im naturwissenschaftlichen Bereich hat es trotz aller MINT-Offensiven hierzulande nicht gegeben. Dass es hier eine Baustelle im deutschen Bildungs- und Schulsystem gibt, lässt sich nicht wegdiskutieren. Um das Problem zu beheben, werden auch die Lehrkräfte gefordert sein. Pisa 2015 zeigt: Wenn Lehrer den Unterricht dem Wissenstand und den Bedürfnissen der Schüler anpassen, sich also an den Lernenden orientieren und nicht an vorgefertigten Stundenkonzepten, bringen die Schüler deutlich bessere Leistungen in Chemie, Physik oder Biologie.

Leistung von Jungen und Mädchen

Jungs sind besser in Mathe und interessieren sich für Hebelgesetze oder den Zitronensäurezyklus; Mädchen dagegen sind sprachbegabter und lesen gern. Die Pisa-Ergebnisse untermauern diese Klischees mit Zahlen und werfen die Frage auf: Was kann man dagegen tun?

Darauf werden Politiker und Lehrkräfte Antworten suchen müssen. Projekte wie nach Geschlechtern getrennten Physikunterricht, Girls Days in der Maschinenbau- oder Automobilbranche oder spezielle Leseförderung für Grundschuljungs gibt es bereits zuhauf - großen Erfolg haben diese Versuche ganz offensichtlich nicht. Dringend werden neue Ideen benötigt, wie man fördern kann, damit Mädchen bald besser rechnen und Jungen besser lesen können.

Wer will im Bereich Naturwissenschaften arbeiten?

Dass sich unter den Befragten viel mehr Jungen wie Mädchen vorstellen können, später einen Beruf im Bereich der Naturwissenschaften auszuüben, ist kaum überraschend. Auch nicht, dass innerhalb dieses Berufsfeldes die Schülerinnen nur bei der Joboption "Gesundheitsbereich" vorne liegen. Am mangelnden Talent wird es nur in den wenigsten Fällen liegen. Es wird also weiterhin nach Lösungen gesucht werden müssen, um Mädchen nicht nur für Berufe und Studiengänge in diesem Bereich zu interessieren, sondern auch die unsichtbare Mauer abzubauen, die sie offenbar noch immer fernhält.

Auffällig ist auch, dass in nahezu allen Bereichen, insbesondere im Ingenieurswesen, deutlich weniger deutsche Schüler eine berufliche Option sehen wie das im gesamten OECD-Raum der Fall ist. Eine Erkenntnis, die die hiesige Industrie nicht langfristig verkennen sollte.

Wer lernt viel und wer schwänzt gern?

Theorie und Praxis

"Die Asiaten pauken doch nur Faktenwissen, die deutschen Kinder lernen wenigstens selbstständig zu denken" - so lautet häufig ein Pauschalurteil, wenn es um die unterschiedlichen Schulsysteme geht. Tatsächlich wurde in der Pisa-Erhebung 2015 beim naturwissenschaftlichen Schwerpunkt unterschieden: in "Konzeptuelles Wissen", also Faktenwissen, das lediglich wiedergegeben wird, und in sogenanntes "Prozedurales und epistemisches Wissen". In dieser Kategorie wird erfasst, ob die 15-Jährigen ihre Kenntnisse auch auf unbekannte Aufgaben übertragen können, ob sie "wie ein Wissenschaftler denken können".

Die spannende Erkenntnis: Die deutschen Schülerinnen und Schüler sind tatsächlich stärker im Abruf von Wissen. Genauso die Schüler in Finnland - von denen man wohl ebenfalls ein anderes Ergebnis erwartet hätte. Bei Pisa-Sieger Singapur hingegen sind die getesteten 15-Jährigen in beiden Bereichen herausragend stark, noch besser schneiden sie aber bei der Anwendung des Wissens ab.

Aufwand und Leistung

"So viel wie nötig, so wenig wie möglich" - was für so manchen 15-Jährigen im Einzelnen gilt, gilt offenbar auch für die deutsche Schülerschaft im Allgemeinen. Betrachtet man, wie viele Stunden die Schüler weltweit in der Schule und später daheim mit Lernen beschäftigt sind, wird deutlich, dass die deutschen Schüler auf knapp 40 Wochenstunden kommen.

Setzt man diesen Wert ins Verhältnis zum Abschneiden im Bereich Naturwissenschaften bei der Pisa-Studie 2015 sind die deutschen Schüler sogar Vize-Meister in Effizienz. Nur die finnischen Jugendlichen liefern ein noch besseres Ergebnis bei noch weniger Lernstunden ab.

Schwänzen

"Hast du in den vergangenen zwei Wochen einen Schultag geschwänzt?" Auch das war eine Frage, die die Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Pisa-Tests beantworten mussten. Im Schnitt antworteten immerhin 20 Prozent der 15-Jährigen mit Ja. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als bei der letzten Befragung im Jahr 2012. Deutschlands Schüler zeigen sich (zumindest im Vergleich) als sehr gewissenhaft. Mit knapp 9 Prozent Schulschwänzern. Ganz anders in Montenegro - hier drängt sich die Frage auf, wie überhaupt Unterricht stattfinden kann, wenn 60 Prozent der Schüler innerhalb von 14 Tagen mindestens einen Tag nicht erscheinen.

Wie schneiden Schüler mit Migrationshintergrund ab?

Chancengerechtigkeit

Weltweit sollten Kinder bestmöglich gefördert werden und eine umfassende Schulbildung erhalten, die sie auf ein selbstbestimmtes Leben in einer komplexer werdenden Welt vorbereitet. Und zwar unabhängig davon, ob ihre Eltern studiert haben oder für teure Nachhilfestunden und eine Privatschule zahlen können. Das Thema Bildungsgerechtigkeit ist ein wichtiges Kriterium, das in jeder Pisa-Studie wieder untersucht wird.

Welchen Beruf haben die Eltern einer Schülerin oder eines Schülers? Wie viele Bücher stehen daheim im Regal? Gibt es einen Computer, an dem die 15-Jährigen arbeiten können? Solche Fragen haben häufig Einfluss darauf, ob eine Schülerin oder ein Schüler in der Schule Bestleistungen zeigt. Wer sozioökonomisch benachteiligt ist, erreicht hingegen im OECD-Schnitt mit fast dreimal so hoher Chance nicht das Grundkompetenzniveau.

Allerdings sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern bei der Chancengerechtigkeit sehr groß. Kanada, Dänemark, Estland, sowie die beiden chinesischen Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau sind Beispiele dafür, dass hohe Leistungen und Bildungsgerechtigkeit durchaus zusammengehen. Deutschland hingegen gehört zu den Ländern, in denen zwar die Leistungen überdurchschnittlich gut sind, die Chancen für die Schüler je nach Lebensumständen aber besonders ungleich verteilt sind.

Migration

Wie schneiden Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ab? Wie gut gelingt es den Schulen Kinder, die in einem anderen Land geboren wurden, die eine fremde Muttersprache haben, zu integrieren? Gerade in Deutschland sind im Zuge der 2015 gestiegenen Zahlen Geflüchteter diese Fragen von großem Interesse. Da die Daten zur aktuellen Pisa-Studie allerdings bereits im Frühjahr vergangenen Jahres erhoben wurden, lassen sich aus den Ergebnissen noch keine Ableitungen dazu treffen, wie gut es gelungen ist, die Kinder, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, im Bildungssystem zu integrieren.

Doch auch die aktuelle Erhebung gibt einen Einblick, wie gut in den unterschiedlichen Ländern Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund in Bio, Chemie oder Physik sind. Erfreulich ist ein Blick auf den OECD-Schnitt: Auch wenn zwischen 2006 und 2015 der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund von neun auf zwölf Prozent gestiegen ist, konnte der Leistungsabstand zu den einheimischen Mitschülern um neun Punkte verringert werden.

In Deutschland erzielen Schüler mit Migrationshintergrund dennoch im Schnitt 72 Punkte weniger im Bereich Naturwissenschaften als die Schüler mit deutschen Eltern. Gerade in den Ländern, die sehr gut abschneiden, gelingt es sehr viel besser, Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund direkt auf ein ähnliches Leistungslevel wie die einheimischen Mitschüler zu heben.

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