Orchideenfächer an der Uni:Mal Museum, mal Geheimdienst

Exotische Fächer bereiten nicht immer auf den Arbeitsmarkt vor, aber im Wissenschaftsbetrieb behaupten sie sich.

C. Schniedermann

In Zeiten akademischer Profilbildung und der Konzentration auf Mainstream-Fächer halten sie manche für störend: Die sogenannten Orchideenfächer findet nicht jeder schön. Sie seien zu teuer, heißt es dann, zu aufwendig, zu irrelevant. Unter Orchideenfächern versteht man Disziplinen, die mit wenigen Professuren auskommen müssen und in der Regel gerade einmal eine Handvoll Studenten in den Seminaren sitzen haben. Seltene Fächer wie Ägyptologie, Musikethnologie, Judaistik oder Ur- und Frühgeschichte zählen dazu. Immer wieder ist die Sorge zu hören, diese Fächer könnten an den Hochschulen nicht überleben.

Orchideenfächer an der Uni: Faszination in der Nische: Orchideenfächer müssen in Zeiten des wissenschaftlichen Wandels immer wieder um ihre Existenz kämpfen.

Faszination in der Nische: Orchideenfächer müssen in Zeiten des wissenschaftlichen Wandels immer wieder um ihre Existenz kämpfen.

(Foto: Foto: dpa)

Unverzichtbar für die Gesellschaft

Dass es so schlimm um die kleinen Disziplinen nicht steht, zeigt eine Studie, die das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium in Auftrag gegeben hat. Die Fächer seien "gut in der Lehre, teilweise Spitze in der Forschung und absolut unverzichtbar für unsere Unis und unsere Gesellschaft", sagt Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP). Für Traditionsuniversitäten gehörten Orchideenfächer zum Selbstverständnis und würden "eher ausgebaut".

Ähnlich sieht es Marianne Ravenstein, Prorektorin der Uni Münster: Die kleinen Fächer seien in der Personalausstattung nicht mit den großen Fächern vergleichbar, aber dennoch "sehr, sehr gut in der Forschung. Und sie nutzen den großen Vorteil, relativ leicht interdisziplinäre Verbünde eingehen zu können."

An der Universität Münster, die in Deutschland zu den Hochschulen mit den meisten Orchideenfächern gehört, werden die religionswissenschaftlichen Fächer im Centrum für religiöse Studien (CRS) gebündelt. Hier gibt es beispielsweise einen der wenigen Lehrstühle für Judaistik und für islamische Religionspädagogik. Ravenstein will diesen Schwerpunkt noch weiter ausbauen. So ist die Judaistik erst vor kurzem durch die Einrichtung einer Juniorprofessur gestärkt worden.

Hunderttausende Tontafeln zu bearbeiten

"Die Faszination, neue Fragen zu erforschen, als erster über bestimmte Fragen nachzudenken, Texte zuerst zu lesen, diese Faszination teilt sich auch den Studierenden rasch mit", sagt Professor Walther Sallaberger von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) über die Forschung und die Vorteile seines Faches. Sallaberger ist Assyriologe. "Es ist ein junges Fach und es gibt Hunderttausende Tontafeln in den Museen, die zu bearbeiten sind", erklärt er den Grund für die Faszination am Neuen. Auch die ausgeprägte Internationalität sieht Sallaberger als Vorzug, denn kleine Fächer seien logischerweise national überschaubar. "Die Kleinheit bedingt, dass die Kreise der Beteiligten international sind", sagt er - "und damit gewinnt man einen viel breiteren Erfahrungshorizont."

Sallaberger ist auch Leiter des Zentrums für antike Welten, welches erst 2008 gegründet wurde. Auch hier soll interdisziplinär gearbeitet werden. Das Ziel: Die Orchideenfächer sollen im Betrieb der Hochschule nicht untergehen. "Das Forum will Austausch bieten, und es soll deutlich werden, dass wir Altertumsforscher im großen Rahmen zusammenarbeiten", sagt Sallaberger, räumt aber ein: "Das mag manchmal eine Schutzfunktion bedeuten."

Begrenzte Perspektiven

Dennoch überwiegen für ihn die Vorteile, zu denen auch ein überdurchschnittlich gutes Betreuungsverhältnis zwischen Professoren und Studenten gehöre. Außerdem, sagt Sallaberger, habe er nur "motivierte und interessierte Studenten". Und ein kleines Fach bedeute, dass wenige Personen ein weites Forschungsfeld abdecken müssten. "Das fördert sicher, dass man sich als Forscher weite Arbeitsgebiete erschließen muss. Diese große Perspektive wird im Idealfall an die Studierenden weitergegeben", sagt der Assyriologe.

Die Perspektiven nach dem Studium sind allerdings eher begrenzt: "Ägyptologen werden manchmal vom Geheimdienst eingestellt", sagt Lars Nelsen von der Münchener Personalberatung Glasford International. Ansonsten seien Nachfragen nach den Abschlüssen ungewöhnlicher Studiengänge eher rar, meint der Personalexperte. Um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, rät er, viele Praktika während des Studiums zu absolvieren. Auch Professor Sallaberger weiß, dass es nur wenige Arbeitsgebiete gibt. Doch er findet, eine intensive Ausbildung in anspruchsvollen Gebieten sei für die persönliche Entwicklung sehr hilfreich. Viele würden außerdem vom Ruf des Exoten profitieren.

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