Meinungsumfrage:Höflichkeit und Toleranz

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Eine repräsentative Studie zeigt, wie 14- bis 21-Jährige das Schulsystem bewerten. Was zählt mehr: Computerwissen oder Charaktertugenden?

Von Susanne Klein

Sie werden unterrichtet, geprüft, benotet, und kaum ein Tag vergeht, ohne dass Bildungsexperten ihre Fähigkeiten und Chancen beurteilen. Wie aber denken Teenager und junge Erwachsene selbst über das Bildungssystem? Finden sie es fair? Fühlen Sie sich auf ihre Zukunft gut vorbereitet? Eine repräsentative Forsa-Umfrage unter 14- bis 21-Jährigen gibt darüber Aufschluss. Die Studie liefert aktuelle Vergleichszahlen zum Herbst 2015 - damals hatte Forsa die Meinung von Schülern und Schulabsolventen erstmals eingeholt.

Demnach sind die Zweifel an der Gerechtigkeit des Systems so groß wie zuvor: Jeder Zweite glaubt nicht daran, dass Kinder unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft in Deutschland die gleichen Chancen auf gute Bildung haben. Der Wert verbessert sich, wenn man aus den 1001 Befragten die Haupt- und Realschüler herausgreift. Mehr als zwei Drittel von ihnen vertrauen auf Chancengleichheit für alle Kinder. Als einflussreichste Faktoren gelten die eigene Motivation des Kindes, die Zuwendung und Unterstützung der Eltern sowie die Qualität von Schule und Lehrern - etwa neun von zehn Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehen das so. Immerhin sieben von zehn glauben, auch der Freundeskreis habe eine große oder sehr große Wirkung auf die Bildungschancen. Wie gebildet die Eltern sind, findet dagegen nur jeder Zweite bedeutsam, und den kulturellen Hintergrund der Eltern stuft lediglich jeder Dritte als wichtig ein.

Gleiche Chancen für alle? Viele zweifeln daran. Bessere Noten erzielt das soziale Miteinander

"Die Meinungen junger Menschen sind sehr wertvoll für unsere Arbeit. Sie kennen die Herausforderungen, aber auch funktionierende Ansätze und können uns als Experten Impulse geben", sagt Heike Kahl, Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, die gemeinsam mit dem Stifterverband für die Wissenschaft und den SOS-Kinderdörfern die Studie in Auftrag gegeben hat. Sie soll Diskussionsstoff bieten für den Tag der Bildung, zu dem die Organisationen am 8. Dezember Experten und Jungpolitiker nach Berlin einladen.

Auch die Flüchtlingskrise wird in Berlin auf der Agenda stehen. Wenn die Gäste darüber sprechen, wie auf die neue Vielfalt reagiert werden kann, die mit mindestens 200 000 jungen Flüchtlingen allein im letzten Jahr in deutschen Schulen angekommen ist, werden sie sich für die Zahl 62 interessieren. So hoch ist der Prozentsatz der Studienteilnehmer, die meinen, das Schulsystem sei "nicht so gut" oder "eher schlecht" auf zugewanderte Schüler vorbereitet. Die Tendenz der Note ist immerhin positiv: Im letzten Herbst waren noch 74 Prozent derart skeptisch. Trotzdem befürworten mehr als doppelt so viele Befragte wie im vorigen Jahr eine Fortbildung, die Lehrer auf den Umgang mit Flüchtlingskindern vorbereitet.

Ein erfreuliches Bild zeichnet die Studie vom Verhältnis zwischen Schülern deutscher und ausländischer Herkunft. Beinah neun von zehn Jugendlichen bezeichnen es als "sehr gut" oder "gut" - unabhängig davon, aus welcher Gruppe sie stammen.

Überrascht dürfte mancher Schulexperte von den Antworten auf diese Frage sein: Welche Kenntnisse und Fähigkeiten sind wichtig für die eigene berufliche Zukunft? Nicht etwa Vektorrechnung oder Computerwissen werden zuerst genannt. Spitzenreiter mit 99 Prozent sind stattdessen "Höflichkeit und Toleranz gegenüber anderen Menschen". Es folgen Deutschkenntnisse, gute Selbstorganisation, Fremdsprachen, Praktikumserfahrungen und gesellschaftliches Engagement. Erst danach rangieren Mathe und jene Fächer, die im Fokus der kommenden PISA-Studie stehen: die Naturwissenschaften.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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