Mathematik:Zahlenkoller als Erbe

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Besser so, wenn die Eltern nicht gut in Mathe sind: Kind löst seine Hausaufgaben alleine. (Foto: dpa)
  • Wenn Eltern mit einer Abneigung gegen Mathematik ihren Kindern bei den Hausaufgaben helfen, ist das eher kontraproduktiv, besagt eine Studie.
  • Die Forscher fanden heraus, dass sich eine negative Einstellung der Eltern zur Mathematik auf die Kinder überträgt.

Von Jan Schwenkenbecher

"Das Rechnen nimmt eine Sonderstellung unter allen Fächern ein, durch seine Bipolarität. Im Allgemeinen ist die Zahl der Ablehnungen noch größer als die der Bevorzugungen." Diese Zeilen schrieb der deutsche Psychologe William Stern im Jahr 1905 nach einer Untersuchung an 2697 Schulkindern. Seine Erkenntnis erscheint heute noch aktuell: Viele Kinder hassen Mathe, manche haben sogar Angst davor.

Dabei ist die Angst vor Mathe keine Kinderkrankheit, sie findet sich durchaus auch im Erwachsenenalter. Die Furcht kann so groß sein, dass der Kassenzettel im Supermarkt oder der Bewirtungsbeleg beim Italiener - unabhängig von der Höhe des Betrags - Herzklopfen auslöst. Und das ist noch nicht alles. Offenbar ist die Furcht vor Zahlen so groß, dass auch die Kinder etwas davon abbekommen.

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Das berichten Forscher nun zumindest im Fachblatt Psychological Science. Die Studie legt nahe, dass Väter und Mütter mit starker Abneigung gegen das Rechnen nicht versuchen sollten, ihre Kinder in diesem Fach zu unterstützen. Es sei in diesen Fällen geradezu kontraproduktiv. Die Wissenschaftler untersuchten 379 Erst- und Zweitklässler aus 27 verschiedenen Schulen. Sie erhoben zu Beginn und am Ende des Schuljahres die mathematischen Fähigkeiten und die Einstellung zur Mathematik. Wie fühlten sich die Kinder, wenn sie 34-17 rechnen sollten? Oder beim Einkaufen überlegen mussten, ob das Geld reicht? Auf einer Skala von eins (völlig gelassen) bis fünf (äußerst nervös) gaben die Kinder im Schnitt 2,6 an. Ähnliche Tests wiederholten die Forscher mit den Eltern, freilich mit anderen Beispielen. Hier lag die mittlere Phobie bei 2,1.

Insbesondere zeigte sich, dass sich eine negative Einstellung der Eltern zur Mathematik auf die Kinder überträgt. Elterliche Kommentare wie "das ist aber auch blöd" oder "Mathe ist sowieso unnütz" senken offenbar die Motivation der Kinder - und die Leistung fällt ab. Wie die Forscher in ihrer Analyse zeigen konnten, kam es zu so einer negativen Wirkung aber nur, wenn die Eltern ihre Kindern regelmäßig bei den Hausaufgaben oder während einer Prüfungsvorbereitung unterstützten. Ließen die Eltern ihren Nachwuchs das unliebsame Gerechne dagegen alleine bewältigen, kamen die Schüler in der Regel besser zurecht.

Gut gemeinte Hilfe verkehrte sich also schnell ins Gegenteil. Dabei ist der Effekt unabhängig von der Sachkenntnis der Eltern. Ob die besser oder schlechter in Mathe waren, hatte keinen Einfluss auf die Leistung der Kinder - es zählte einzig die Einstellung zum Fach. Sollen Mathehasser also nicht mehr bei Matheaufgaben helfen? Ganz ohne Förderung geht es manchmal eben nicht. Eltern könnten, statt selbst mit den Kindern zu lernen, Knobel-Bücher, Brett- oder intelligent gemachte Computerspiele zur Verfügung stellen.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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