Lehrer-Blog zu ungepflegten Schülern:Mief!

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Bekennende Frischluftfanatikerin: Lehrerin Catrin Kurtz

(Foto: Illustration: Katharina Bitzl)

Es stinkt im Klassenzimmer der 8b, und das gewaltig. Schuld sind testosteronbedingte Ausdünstungen, süßliche Parfümwolken - und Tobias. Doch wie sagt man einem Schüler, dass er übel riecht, fragt sich Lehrerin Catrin Kurtz.

Tobias sitzt neben dem Overheadprojektor und das ist ein Problem. Denn Tobias stinkt - sagen wir es, wie es ist. Wenn der Overheadprojektor eingeschaltet ist und das Gebläse in Tobias' Richtung pustet, verbreitet sich sein unangenehmer Körpergeruch im gesamten Klassenzimmer. Nun sind 14-Jährige nicht eben für ihr diplomatisches Geschick bekannt und so kommt es regelmäßig zu offenen Ekelbekundungen seiner Klassenkameraden: "Hier mieft's!"

Ich weiß nicht, was Tobias' Problem ist. Eine grundsätzliche Abneigung gegen Körperpflege? Pubertäre Schweißausbrüche? Morgens zu spät dran gewesen fürs Duschen und dann obendrein kein Deo zu Hand gehabt? Vermutlich von allem ein bisschen. Aber zu Tobias' Verteidigung: Er ist nicht der Einzige, der das Unterrichten in der 8b an manchen Tagen zu einer olfaktorischen Grenzerfahrung macht.

Wenn man nach einer Mathestunde bei geschlossenen Fenstern den Raum der Klasse betritt, setzt auch bei Lehrern mit unempfindlichen Nasen der Fluchtinstinkt ein. Das Klassenzimmer dampft nur so vor testosteronbedingten Ausdünstungen und süßlichen Parfümwolken. Die Mischung aus üblen und vermeintlich wohligen Gerüchen hat bei mir schon manches Mal einen Würgereiz ausgelöst.

"Müsst ihr euch so einduften wie im Barock?"

Gott sei Dank können die Schüler mein Gesicht mittlerweile ganz gut lesen und kommen meinem reflexhaften Schlachtruf nach Frischluft teilweise zuvor: "Schnell, die Fenster auf, Frau Kurtz behauptet sonst wieder, hier rieche es nach harter Mathearbeit!" Im Winter entwickelt sich dann auf den Lippen der Schüler von der Türseite zum Fenster hin ein Farbverlauf von Rosig nach Blau. Besserung bringt manchmal auch ein provokanter Satz - zumindest was die "Zu viel Deo/Aftershave/Parfum"-Problematik angeht: "Müsst ihr euch so einduften wie im Barock?"

Was aber mache ich mit Tobias, der seit Beginn des Schuljahres stinkt?

Offen ansprechen geht nicht, ich will ja niemanden vor der gesamten Klasse bloßstellen. Manche Reaktionen von Klassenkameraden - demonstratives Naserümpfen, Wegsetzen - sprechen schon eine deutliche Sprache. Leider haben bisher weder das abweisende Verhalten der Mitschüler noch mehrere vorsichtige Gesprächsversuche unter vier Augen Wirkung gezeigt. Es ist schwierig, einem Jungen, der aufgrund der Pubertät und mangelnder Beliebtheit ohnehin verunsichert ist, zu sagen, dass er stinkt.

Ekelalarm im Elterngespräch

Weil die warme Jahreszeit naht und damit eine Verschärfung des Problems absehbar ist, habe ich vergangene Woche Tobias' Eltern zum Gespräch gebeten. Gut vorbereitet, mit allen möglichen Argumenten und schonenden Worten im Gepäck, betrete ich also das Elternzimmer - als mir der übelste Geruch entgegenschlägt, den ich jemals in diesem Schulgebäude wahrgenommen habe. Kalter Rauch, Kaffee, Schweiß, Hund und was weiß ich nicht noch alles. Tobias' Eltern!

Tja, das Gespräch war schnell beendet: Wir haben nur kurz über Tobias' Noten gesprochen - das heikle Thema habe ich mich nicht anzusprechen getraut.

In Zukunft beginnen meine Unterrichtsstunden in Tobias' Klasse mit einem kurzen Hygieneprogramm: Alle dürfen noch mal schnell aufs Klo, Händewaschen nicht vergessen, und ein Sprüher Deo ist auch erlaubt, aber nur einer! Ich lüfte währenddessen in aller Ruhe das Klassenzimmer und trage Lavendelcreme auf meiner Oberlippe auf (Tipp einer Freundin, die in der Tierpathologie arbeitet). Ach ja, und Tobias sitzt nicht mehr neben dem Overheadprojektor. So geht's.

Linktipp: Die Schüler von Catrin Kurtz wollen nicht nur gut riechen, sondern noch besser aussehen - lesen Sie hier, welche Blüten jugendliche Eitelkeit treibt.

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