Lehrer-Blog zu Drogen:High durch Pflanzendünger

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Aufklärung schützt nicht vor Abstürzen, weiß Lehrerin Catrin Kurtz. (Foto: Illustration: Katharina Bitzl)

"Das knallt!": Auch an der Schule von Lehrerin Catrin Kurtz sind Drogen ein Thema. Um sich ihren Rausch zu beschaffen, werden die Schüler kreativ - bis der Notarzt kommen muss.

Panisch kommt mir im Treppenhaus eine Kollegin entgegen: "Schnell, lass im Sekretariat den Notarzt rufen und komm dann unbedingt in die 9d!", Und schon ist sie wieder weg. Ich tue wie mir befohlen, auch wenn ich keine Ahnung habe, was überhaupt passiert ist.

Wenn Sportlehrer einen solchen Notruf absetzen, ist die Sache meist klar: Es ist mal wieder jemand im Rennen über den Ball gestolpert oder beim Stufenbarren-Turnen auf den unteren Balken geknallt. Ich selbst bin in solchen Fällen immer froh, keinen Sport zu unterrichten. Das Schlimmste, was mir als Deutsch- und Reli-Lehrerin bislang unterkommen ist, waren Übelkeit und Erbrechen im Klassenzimmer.

Ich vermute also, dass der aktuelle Notfall irgendwo zwischen Sportverletzung und 08/15-Grippe liegt - aber weit gefehlt. Tatsächlich sind fünf Neuntklässler auf dem Schulweg auf die geniale Idee gekommen, Pflanzendünger (den körnigen!) zu rauchen. Irgendjemand hatte ihnen versprochen, das mache high.

Wer kommt denn auf sowas?

Das morgendliche Drogenexperiment ist ihnen erwartungsgemäß nicht bekommen: Einer der Jungen ist schon ohnmächtig, als ich im Klassenzimmer der 9d ankomme, um die Kollegin bis zur Ankunft des Rettungswagens zu unterstützen. Ein anderer hat sich übergeben (leider nicht in den Papierkorb). Und ein dritter Schüler kann nicht mehr stehen, weil es ihn so dreht.

Verzweiflung in unseren Lehrergesichtern, vor allem, weil die verbliebenen Beteiligten erst nach und nach damit rausrücken, was überhaupt passiert ist. Pflanzendünger rauchen, wer kommt denn auf so eine Idee? Der Rest der Klasse schwankt zu diesem Zeitpunkt zwischen panischem Entsetzen angesichts des schlechten Gesundheitszustandes der Mitschüler und brüllendem Lachen, als die Neuntklässler hören, dass ihre Klassenkameraden Dünger zweckentfremdet haben.

Die Moral von der Geschicht'? Ich behaupte mal: Der Abschreckungseffekt war ziemlich groß. Die betroffenen Schüler mussten mit leichten Vergiftungserscheinungen mehrere Tage im Krankenhaus bleiben. Nach Aussage der Ärzte hätte ihr Düngerexperiment aber auch zu epileptischen Anfällen führen und im schlimmsten Fall bleibende Schäden hinterlassen können. Die nachhaltigere Wirkung hatte aber wohl der Spott, der von Seiten des Krankenhauspersonals auf die Jugendlichen niederging. "Die haben uns voll gedisst, Frau Kurtz!"

Natürlich bemüht sich meine Schule, Drogenprävention zu betreiben. Schon in der siebten Klasse beginnen wir mit der Aufklärungsarbeit zum Thema Alkohol. Die Schüler können mithilfe einer speziellen Brille nachvollziehen, wie Bier und Sekt die eigene Wahrnehmung verändern. Wir haben regelmäßig Polizisten zu Gast, die aus ihrem Berufsalltag und von alkoholisch bedingten Totalausfällen erzählen. Und im Biologieunterricht werden die Schüler über die Gefahren und das Suchtpotenzial bestimmter Substanzen aufgeklärt.

Dass man aber in dieses Programm nun auch Pflanzendünger aufnehmen muss, war mir bis zu jenem Tag nicht klar. Es reicht nicht, vor "herkömmlichen" Drogen zu warnen, egal ob legal oder illegal, hier wissen die Schüler meist ohnehin Bescheid. Vom Komasaufen oder Kiffen hält sie das im Zweifelsfall leider nicht ab.

Cannabis ist "ganz schön teuer"

Auf Nachfrage bei den Schülern wurde mir dann noch erklärt, dass es ganz normal sei, sich auf legalem Wege seinen Rausch zu beschaffen. Cannabis sei ja mittlerweile "ganz schön teuer" (O-Ton einer Zehntklässlerin).

"Wir haben schon mal Tee geraucht, aber das ist nicht so cool ..."//"Meine Oma hat Engelstrompeten im Garten, Frau Kurtz, ich sag Ihnen, wenn man sich aus den Blüten einen Tee macht - das knallt!"//"Die haben nur den falschen Dünger erwischt, wenn die die andere Marke gekauft hätten, dann wäre alles gut gegangen!"

Solche und ähnliche Sprüche musste ich mir anhören und war - naiverweise - ehrlich schockiert. In Gedanken habe ich dann meinen Garten leer geräumt. Das fehlt ja noch, dass ich unwissentlich zum Drogenlieferanten meiner Schüler werde.

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