Lehrer-Blog:Strafe muss sein

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Mal ein Auge zudrücken, ist okay, findet Catrin Kurtz. Doch bei schwerwiegenden Regelverstößen plädiert sie für Sanktionen.

(Foto: Illustration: Katharina Bitzl)

Wenn Catrin Kurtz Schüler bestraft, bekommt sie regelmäßig ein Problem. Nicht mit den jugendlichen Querulanten. Sondern mit deren Eltern, die Verweise grundsätzlich für ungerechtfertigt halten - und Ausreden für Fehlverhalten suchen.

Zugegeben, ich war auch nicht immer eine Musterschülerin. Den einen oder anderen Verweis habe ich kassiert, für Jungsbesuch im Skilager oder nicht gemachte Hausaufgaben (ja, man muss sie sehr oft vergessen, damit es so weit kommt). Insofern könnte man annehmen, es erfülle mich mit einer gewissen Genugtuung, heute selbst Verweise erteilen zu können. Das Gegenteil ist der Fall: Mit großer Macht kommt großer Frust.

Denn auf die Schülerrüge folgt allzu oft die Lehrerschelte: Immer wieder kommen Eltern zu mir und beschweren sich. Die Strafe sei vollkommen ungerechtfertigt, ein Problem für das seelische Gleichgewicht des Kindes und sowieso erzieherisch nicht wirksam. Verweis abgelehnt.

Ich gehöre normalerweise nicht zur "Früher-war-alles-besser"-Fraktion in der Lehrerschaft. Aber zu meiner eigenen Schulzeit trottete man nach einer verhängten Strafarbeit und erst recht nach einem Verweis mit gesenktem Kopf nach Hause - um sich selbigen dort ordentlich waschen zu lassen. Und heute? Viele Schüler nehmen ihren Verweis mit einem Grinsen entgegen, in dem Wissen, dass ihre Eltern bedingungslos hinter ihrem Sprössling stehen und es daheim keine Konsequenzen geben wird. Der Verweis hat seine erzieherische Wirkung verloren. Und wir Lehrer damit eine Ordnungsmaßnahme für pädagogische Härtefälle.

Klare Fälle

Es mag Verweise geben, die vorschnell ausgestellt werden, ohne dass vorher auf anderem Wege versucht wurde, das Verhalten eines Kindes zu ändern. Hier mag eine Beschwerde noch ihre Berechtigung haben. Es gibt aber auch Situationen, in denen ein Verweis zwangsläufig und eindeutig gerechtfertigt ist. So dürfte jedem Schüler klar sein, dass auf einer Klassenfahrt striktes Alkoholverbot herrscht. Das wird im Vorfeld zur Genüge thematisiert. Wenn nun Schüler meinen, sie müssten sich ausgerechnet im Bus nach Rom oder einer Pariser Vorort-Herberge ausprobieren und dabei erwischt werden, müssen sie - und ihre Eltern - die Konsequenzen tragen. An meiner Schule bedeutet das: Verweis und Heimfahrt auf eigene Kosten.

Im ebenfalls zwangsläufigen Elterngespräch habe ich dann Mütter und Väter vor mir sitzen, die das nicht akzeptieren wollen und argumentieren: "Teenager müssen ihre Erfahrungen machen! Waren Sie nie jung?" Dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Mag ja sein, dass Jugendliche mal einen über den Durst trinken müssen, um zu lernen, was das richtige Maß ist. Aber sie sollen das bitteschön daheim tun und ihren Eltern die Wohnung, Entschuldigung, vollkotzen. Und Mama und Papa dürfen die lieben Kleinen auch gerne mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus chauffieren.

Ich als Lehrerin brauche das nicht. Zumal es für mich dienstrechtliche Konsequenzen haben kann, wenn einem volltrunkenen Jugendlichen auf Klassenfahrt etwas geschieht. Und die Eltern sind dann garantiert die Ersten, die mir eine "Verletzung der Aufsichtspflicht" vorwerfen. Gleiches gilt im Zweifelsfall für Schäferstündchen im Schullandheim-Stockbett. Im Übrigen drohen mir hier sogar finanzielle Forderungen - und ich habe wenig Lust, 18 Jahre oder länger Alimente für ein Klassenfahrtsbaby zu bezahlen.

Eltern als Anwälte ihres Nachwuchses

Absprachen werden nicht umsonst getroffen, sie haben ihren Sinn. Und bei vielen Verweisen ist es so, dass die Schüler ganz genau wussten, welche Regel sie mit ihrem Tun verletzten und welche Konsequenzen ihnen dafür drohen. Aber ein Unrechtsbewusstsein auf Schülerseite nützt wenig, wenn zu Hause Mama und Papa einen schulischen Justizirrtum wittern und sich zum Anwalt ihres Nachwuchses aufschwingen.

Deshalb mein Appell an alle Eltern: Lassen Sie uns gemeinsam erzieherisch wirken! Wir können gerne auch mal ein Auge zudrücken - ich war schließlich selbst mal jung. Aber bei einem klaren Regelverstoß, der schwerwiegende Konsequenzen haben kann, muss ich einen Verweis aussprechen dürfen. Und sie müssen ihn anerkennen.

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