Lehrer-Blog:Schoko-Nikoläuse als Beliebtheitswährung

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Ein Weihnachtsgeschenk hat Catrin Kurtz schon bekommen - von einem Schüler.

(Foto: Illustration: Katharina Bitzl)

Basteln, backen, proben: An der Schule von Catrin Kurtz läuft die Weihnachtsmaschinerie. Besinnlich geht es dabei nicht immer zu. Schuld sind Last-Minute-Klausuren und eine Nikolaus-Aktion, die zwar gut gemeint ist - aber trotzdem für Schülertränen sorgt.

Von drauß' aus der Aula komm' ich her, und ich sage euch: Es weihnachtet schon sehr. Quasi zeitgleich, wenn im September die ersten Nikoläuse in den Supermarktregalen stehen, läuft bei uns an der Schule die Weihnachtsmaschinerie an. Mancher Werklehrer, so mein Eindruck, überlegt sich schon im Sommerurlaub, mit welchen kreativen Auswüchsen er für gequälte elterliche Danksagungen unter dem Tannenbaum sorgen kann. Wobei ich zur Verteidigung der Kollegen sagen muss: Ihre Vorlagen sehen immer toll aus, allein an der Umsetzung hapert es bisweilen.

Pünktlich nach den großen Ferien beginnt dann die Massenproduktion von selbstgebastelten Teelichthaltern und handgezogenen Kerzen; Stricknadeln klackern und immer mal wieder hallt ein lautes "Auaaa" durchs Schulgebäude, wenn sich einer der Schüler beim Nähen von Nikoläusen und Sternen in den Finger sticht. Weil parallel Schulchor und -orchester fürs Weihnachtskonzert üben, fällt der Schmerzenslaut aber gar nicht weiter auf. Es erklingt vielmehr eine Harmonie der Misstöne.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich mag den schulischen Weihnachtstrubel. Ich freue mich, wenn im Hauswirtschaftsunterricht Plätzchen gebacken werden und die Schüler Kostproben an die Lehrer verteilen. Ich freue mich über die festliche Deko in der Aula und die drei nadelnden Tannenzweige über dem Eingang zum Lehrerzimmer. Und dass dort schon Anfang Dezember der Glühwein für die Feier am letzten Schultag gelagert wird, sorgt dafür, dass ich selbst nach dem anstrengendsten Vorweihnachtstag beschwingt in den Feierabend gehe.

Unchristlicher Klausurenstress

Aber wie in vielen Familien bringt der Advent eben auch in der Schule: Stress. Das liegt zum einen an den straffen Unterrichtsplänen vor Weihnachten. Auch ich mute meinen Schülern noch in der letzten Schulwoche eine Klassenarbeit in Deutsch zu. Klingt unchristlich? Mag sein, natürlich könnte ich auch nach Weihnachten eine Klausur schreiben und mir selbst das Korrigieren über die Feiertage ersparen. Aber machen wir uns nichts vor: Welcher Schüler lernt schon gerne in den Ferien? Jetzt ist der Stoff noch präsent und die Chance auf gute Noten stehen besser. Wenn dann Anfang des neues Jahres die Halbjahreszeugnisse verteilt werden, ist die Freude umso größer.

Neben dem Schulischen droht auch im Zwischenmenschlichen Stress. Zu Nikolaus können die Schüler über die Schülermitverwaltung (SMV) Schoko-Nikoläuse bestellen und verschicken. Eine nette, harmlose Idee, sollte man meinen - nur leider pädagogisch bedenklich. Denn jedes Jahr gibt es Mädchen und Jungen, die leer ausgehen. Sie müssen dann zusehen, wie einige ihrer Mitschüler mit bis zu zehn Schoko-Nikoläusen bedacht werden. Manche haben dabei Tränen in den Augen. Mir bricht das immer ein bisschen das Herz, zumal es meistens die Außenseiter der Klasse sind, die es auch ohne diesen offensichtlichen Beleg ihrer mangelnden Popularität schon schwer genug haben.

Kleiner Trost ist in solchen Fällen der Schoko-Nikolaus von der Klassenlehrerin, den es für alle gibt. Und das Geständnis manches vermeintlich reich Beschenkten: "Pst, den habe ich mir selbst geschickt, aber nicht verraten."

Lob aus Schülermund

Im Übrigen spielt auch die Schulleitung Nikolaus und belohnt fleißige Schüler mit Schokolade und lobenden Worten. Auch hier wird die Aktion ganz unterschiedlich aufgefasst, bekommt doch der eine oder andere einen Nikolaus, weil er noch nie die Hausaufgaben vergessen hat. Am peinlich berührten Gesicht des Schülers und den ärgerlichen Mienen seiner Mitschüler kann man dann aber ablesen, dass er eigentlich dafür hätte ausgezeichnet werden müssen, dass er die Hausaufgaben immer pünktlich abgeschrieben hat. In gewisser Weise scheint der pädagogische Zweck hier dennoch erfüllt zu sein: Die Mitschüler werden Maßnahmen ergreifen.

Auch ich habe dieses Jahr einen Schoko-Nikolaus bekommen, von einem Schüler wohlgemerkt. Überreicht wurde er mir mit den Worten: "Für die beste Klassenlehrerin der Welt." Mit so einem Kompliment fällt der Abschied am Freitag fast ein bisschen schwer. Wobei ich die kommenden zwei Wochen genießen werde (trotz des Stapels Aufsätze). Denn Achtung! Bis zu den nächsten Ferien sind es dann zwei Monate, worauf mich Schüler ganz empört hingewiesen haben: "Acht Wochen!? Wer soll das denn aushalten?"

Liebe Leser, das war der letzte Lehrer-Blog in diesem Jahr. Die nächste Ausgabe gibt es am Donnerstag, 9. Januar. Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!

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